Japans konservativer Ministerpräsident Shigeru Ishiba kämpft nach dem Verlust der Mehrheit seiner Regierungskoalition bei der Wahl zum Unterhaus des Parlaments um den Machterhalt. "Die nationale Politik darf nicht einen Moment lang stagnieren", sagte der 67-Jährige.
Seine Liberaldemokratische Partei LDP begann im Vorfeld einer Sondersitzung des Parlaments zur Wahl des nächsten Ministerpräsidenten Gespräche mit möglichen Partnern aus dem Oppositionslager. Trotz starker Zugewinne der größten Oppositionspartei, der Konstitutionellen Demokratischen Partei Japans des früheren Ministerpräsidenten Yoshihiko Noda, rechnen politische Beobachter zumindest vorerst mit keinem Regierungswechsel.
Die Regierungskoalition aus LDP und ihrem Juniorpartner Komeito stürzte bei der Unterhauswahl von 288 Sitze auf 215 der insgesamt 465 Sitze zählenden Kammer ab. Es ist das erste Mal seit 15 Jahren, dass die Koalition keine Mehrheit mehr im Unterhaus hat.
Hauptgrund für das Wahldebakel war die Wut der Wählerinnen und Wähler über einen Parteispendenskandal der LDP. Die Partei regiert das mit Deutschland zur G7 gehörende Land seit Jahrzehnten fast ununterbrochen.
Der Erfolg von Nodas Oppositionspartei zeige dem Wahlvolk, dass es jetzt eine Alternative zur LDP gebe, sagt Axel Klein, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen.
Warum Beobachter einen Machtwechsel für durchaus möglich halten
Dies könne sich schon im nächsten Jahr bei der Wahl zum Oberhaus auszahlen, sagte der Japan-Experte. Diesmal sei ein Regierungswechsel jedoch noch nicht zu erwarten. Vielmehr dürfte die LDP von Regierungschef Ishiba versuchen, die oppositionelle konservative Demokratische Partei für das Volk mit an Bord zu holen. Die konnte ihre Sitzzahl auf 28 vervierfachen. Mit ihr käme das Koalitionslager wieder auf eine Mehrheit im Unterhaus.
Ishiba hatte erst am 1. Oktober die Nachfolge von Fumio Kishida angetreten. Nur acht Tage später löste Ishiba das Unterhaus in der Hoffnung auf, sich bei den Neuwahlen am Sonntag das Mandat der Wähler zu sichern. Der Politikveteran hat sich jedoch verrechnet. Der Chef für Wahlstrategie der LDP, Shinjiro Koizumi, übernahm die Verantwortung und trat zurück.
Das Parlament muss nun innerhalb von 30 Tagen zu einer Sondersitzung zusammenkommen, um dann beide Kammern über den künftigen Ministerpräsidenten abstimmen zu lassen. Ishiba habe ursprünglich erwogen, die Sondersitzung am 7. November einzuberufen, werde sich aber wahrscheinlich mehr Zeit für die Bildung einer Mehrheit nehmen, meldeten Medien.
Sollte Ishiba gewählt werden, würde er ein neues Kabinett bilden. Sollte das Parlament jedoch einen neuen Regierungschef wählen, wäre Ishibas Amtszeit die kürzeste der japanischen Nachkriegszeit, wie japanische Medien am Tag nach der Wahl festhielten.
Auch eine Stichwahl könnte für Japan anstehen
Sollte bei der Abstimmung über den Ministerpräsidenten niemand die Mehrheit erreichen, könnte es auf eine Stichwahl zwischen Ishiba und Noda von der oppositionellen Konstitutionellen Demokratischen Partei Japans hinauslaufen. Auch Noda will mit anderen Parteien im zersplitterten Oppositionslager sprechen. Er gilt als liberaler Konservativer.
Noda sprach von einem "bedeutenden Erfolg" seiner Partei, die Sitzmehrheit der Regierungskoalition zu verringern. Dies sei "erst der Anfang". Beobachter halten mittelfristig einen Regierungswechsel für möglich. In außen- und sicherheitspolitischer Hinsicht wird jedoch auch unter einem Regierungschef Noda kein grundlegender Kurswechsel erwartet.