Politik

Trotz hohen Krankenstands: Hausärzte verteidigen telefonische Krankschreibung

Deutschland ist nicht nur in einer Wirtschaftsflaute. Auch die Zahl der Krankenschreibungen nimmt seit dem Herbst dramatisch zu. Kassenchef Andreas Storm forderte auch mit Blick auf die Belastungen für Unternehmen eine "seriöse und gründliche Debatte über die wirklichen Ursachen" für den anhaltend hohen Krankenstand. Auf jeden Fall sollte die Krankschreibung per Telefon erhalten bleiben, fordern die Hausärzte.
28.10.2024 14:02
Lesezeit: 1 min

Für eine Krankschreibung muss man in bestimmten Fällen nicht immer extra in die Praxis. Arbeitgeber machen die Regel für hohe Krankenstände verantwortlich. Die Ärzteschaft hält dagegen.

Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband verteidigt die telefonische Krankschreibung gegen Kritik von Arbeitgeberseite. "Die Einführung der Telefon-AU war aus medizinischer Sicht sinnvoll und ist bisher eine der ganz wenigen erfolgreichen politischen Maßnahmen zur Entbürokratisierung des Gesundheitswesens", sagte die Co-Vorsitzende des Verbandes, Nicola Buhlinger-Göpf.

Dies jetzt abzuschaffen, gefährde die Patientenversorgung in den kommenden Monaten mit zahlreichen Infektionserkrankungen. "Unsere Praxen haben definitiv nicht die Kapazitäten, die Folgen irgendwelcher Scheinlösungen einzelner Politiker auszubaden", sagte die Medizinerin. "Die Unterstellungen, dass sich die Menschen mithilfe der Telefon-AU einen schlanken Fuß machen, können wir aus unserer täglichen Arbeit nicht bestätigen."

Die Möglichkeit, sich per Telefon krankschreiben zu lassen, war in der Corona-Pandemie eingeführt worden. Im Dezember 2023 beschloss der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken eine dauerhafte Regelung. Patientinnen und Patienten können sich dann telefonisch krankschreiben lassen, wenn sie in der Praxis bekannt sind und keine schweren Symptome haben. Im Zuge ihrer Wachstumsinitiative für die Wirtschaft hat die Bundesregierung wegen des erhöhten Krankenstands eine Überprüfung der Maßnahme vereinbart.

Arbeitgeber vs. Ärzteschaft

Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte unlängst gesagt: "Man wird für die Krankmeldung zukünftig wieder zum Arzt gehen müssen und das nicht einfach nur telefonisch erledigen können." Er wolle niemandem vorwerfen, die Regelung auszunutzen. Es gebe aber leider "eine Korrelation zwischen dem jährlichen Krankenstand in Deutschland und der Einführung der Maßnahme, die als guter Bürokratieabbau gedacht war". Auch die Bundesvereinigung der Arbeitgeber (BDA) fordert eine Abschaffung der Telefon-AU. "Lasst uns zurückkehren zum bewährten Verfahren", sagte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, sprang hingegen den Hausärzten bei. "Ich bin sehr dafür, dass die telefonische Krankschreibung erhalten bleibt", sagte Reinhardt. Er halte es "nicht für klug, das wieder abzuschaffen". Der Ärztekammerpräsident begründet seine Ansicht mit dem hohen Mehraufwand für die Praxen. Einen Zusammenhang zwischen hohen Krankenständen und der erleichterten Möglichkeit, sich krankschreiben zu lassen sieht, sieht Reinhardt nicht: "Nein, den gibt es für mich definitiv nicht."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Sicherheitsgarantien Ukraine: Warum Washington plötzlich auf einen Deal drängt
27.11.2025

Wachsende Irritationen in Europa treffen auf ein Washington, das den Ton sichtbar verschärft und ein Friedensabkommen zur Bedingung für...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Studie von KfW Research: Industriestandort Deutschland benötigt mehr Wagniskapital
27.11.2025

Deutschlands Industrie steht unter Druck: KfW Research sieht schrumpfende Wertschöpfung und zu wenig Risikokapital. Chefvolkswirt Dirk...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Immer mehr Arbeitsplätze wandern ins Ausland ab: Wirtschaftsstandort Deutschland wackelt
27.11.2025

Hohe Preise für Energie, belastende Lohnnebenkosten, eine ausufernde Bürokratie und politische Vorgaben des Staates: Immer mehr Firmen...

DWN
Finanzen
Finanzen Microsoft-Aktie im Fokus: Rekordinvestitionen in Cloud und KI stärken das Wachstum
27.11.2025

Microsoft setzt mit massiven Investitionen in Cloud-Infrastruktur und künstliche Intelligenz auf Wachstum und Innovation. Können diese...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bundespräsident Steinmeier: Europa muss Potenzial als Wirtschaftsmacht ausschöpfen
27.11.2025

Krieg, Machtverschiebungen und zähe Entscheidungen in der EU belasten die Wirtschaftsmacht Europa. Auf dem Wirtschaftsforum in Madrid...

DWN
Finanzen
Finanzen Novo Nordisk-Aktie: Kursrückgang nach enttäuschenden Studien – trotz positivem Analystenkommentar
27.11.2025

Die Novo Nordisk-Aktie steht seit vielen Monaten unter Druck. Auch im Donnerstaghandel an der Frankfurter Börse verbucht die Novo...

DWN
Panorama
Panorama Rabattschlacht: Warum Fake-Shops am Black Friday besonders riskant sind – und wie Sie sie erkennen
27.11.2025

Der Black Friday lockt mit Rekordrabatten – doch zwischen echten Deals verstecken sich zunehmend Fake-Shops. Professionell gestaltet und...

DWN
Immobilien
Immobilien EH-55-Förderung kehrt zurück: Was Bauherren ab Dezember beachten müssen
27.11.2025

Ab Mitte Dezember fließt wieder Geld für Neubauten im EH-55-Standard. Die KfW öffnet ein bekanntes Förderfenster – doch nur unter...