Mit der neuen Grünen-Spitze soll frischer Wind in die Partei gebracht werden; unter anderem auch mit der Benennung eines neuen Wahlmanagers. Dieser ist Andreas Audretsch, der bisher als Vizefraktionschef der Grünen diente - und der nun nach dem Ende der Ampelregierung sehr viel schneller seinen Job machen muss als gedacht. Der frühere Vize präsentierte bereits in einem achtseitigen Arbeitspapier eine neue Richtung zum Thema Steuern für die Grünen. Darunter auch der Plan rund um Steuerschlupflöcher, geschrieben zusammen mit der finanzpolitischen Sprecherin der Partei, Katharina Beck.
Die Novellierung des Steuerrechts soll reiche Immobilienbesitzer, Immobilienkonzerne und Erben zur Kasse bitten und so Lücken in Fairness und Finanzen schließen. Angefangen mit der Spekulationssteuer. Diese wird dann fällig, wenn eine Immobilie innerhalb von zehn Jahren nach Kauf wieder veräußert wird. Dabei wird der Gewinn aus dem Verkauf der Immobilie zum Jahreseinkommen hinzugerechnet. So wird eine dementsprechend höhere Einkommenssteuer fällig.
So wollen die Grünen Steuerschlupflöcher schließen
Bis dato war es möglich, durch zwei Ausnahmen der Spekulationssteuer aus dem Weg zu gehen. Die erste Ausnahme: Wenn man die zu verkaufende Immobilie für mindestens drei Jahre innerhalb der Frist von zehn Jahren selbst bewohnt hat, wird keine Steuer fällig. Das planen die Grünen unverändert zu lassen, denn das habe, so Audretsch, nichts mit Spekulation mit Immobilien zu run. Die zweite bisher existente Ausnahme besteht darin, dass die Immobilie für mehr als 10 Jahre im Eigenbesitz sein muss. Diese Ausnahme fällt dem neuen Vorschlag der Grünen zum Opfer. So sollen Immobilien, unabhängig von den 10 Jahren, spekulationssteuerpflichtig sein, wenn der Verkäufer nie selbst in der Immobilie gewohnt hat. Audretsch und Beck prognostizieren alleine durch diese Maßnahme schon jährlich ein Plus an 6 Millionen EUR für die Staatskasse.
Auch Immobilienunternehmen und Organisationen, die Immobilien besitzen, sollen weniger auf Steuerausnahmen zugreifen können. Bis jetzt mussten Immobiliengesellschaften, die ausschließlich vermögensverwaltend tätig sind – also eine GmbH – nur eine Körperschaftssteuer auf ihre Gewinne zahlen, nicht aber eine Gewerbesteuer. Diese Gesellschaften waren bisher ausgenommen, da sie ihre Einnahmen aus Vermietung und eventuellen Verkäufen beziehen, nicht aber aus eigenen Immobilien.
Werden die Kommunen benachteiligt?
Audretsch empfindet diese Ausnahme als eine Benachteiligung der Kommunen, denen die Einnahmen aus der Gewerbesteuer dieser Unternehmen zusteht. Die Gewerbesteuer stellt eine notwendige Einnahmequelle der Kommunen dar und unterstützt diese zum Beispiel bei der Förderung der Infrastruktur. Auch hier würden weitere 1,5 Milliarden EUR gefördert werden, die einzig den Kommunen dienen.
Ein dritter Punkt des Steuerplans dreht sich um eine zugegebene Kuriosität: In Deutschland zahlt man keine Grunderwerbssteuer, wenn man eine Immobilie nur anteilig kauft. Kauft man zum Beispiel nur einen Garagenstellplatz, ist die Steuer hinfällig. Grundsätzlich macht das Sinn: Grunderwerbssteuer zu zahlen, weil man eine Garage braucht, wäre für viele Käufer unverständlich. Jedoch besagt das Gesetz, dass man aktuell bis zu 89,9 Prozent einer Immobilie so steuerfrei erwerben kann. Dieses Schlupfloch machen sich vor allem Immobilienunternehmen zunutze, um Portfolios anderer Unternehmen aufzukaufen, ohne eine Grunderwerbssteuer zahlen zu müssen.
Stattdessen schlagen Audretsch und Beck eine in den Niederlanden bereits gängige Maßnahme vor, bei der die Grunderwerbssteuer anteilig gezahlt wird. Kauft man zum Beispiel 25 Prozent einer Immobilie, so wird eine Grunderwerbssteuer äquivalent zu 25 Prozent der Gesamtimmobilie fällig. So soll sichergestellt werden, dass Immobilienkonzerne dieses System zum einen nicht ausnutzen und zum anderen im Vergleich zu Privatpersonen nicht steuerlich bevorteilt werden. Andretsch erwartet mit dieser Maßnahme Mehreinnahmen für den Staat von rund 1 Milliarde EUR pro Jahr.
Neue Regeln für Immobilienerben?
Auch für Immobilienerben soll sich durch den Plan etwas ändern. Ähnlich wie auch beim Teilerwerb sorgt hier ein Steuergesetz für gehobene Augenbrauen: Bei einer Erbschaft von mehr als 26 Millionen EUR prüft das Gesetz, ob der Erbende die Erbschafts- oder Schenkungssteuer mit seinem Privatvermögen überhaupt zahlen kann. Ist das nicht der Fall, so wird die Person als “bedürftig” deklariert und so von der Steuer befreit.
2023, so Focus, wurden auf diesem Wege 26 Erben von der Steuer befreit und somit 2,1 Milliarde EUR Steuergelder verloren. Darunter auch BMW-Großaktionärin Susanne Klatten, die diese Lücke genutzt hat, um Teile ihres BMW-Besitzes steuerfrei an ihre Kinder zu übertragen. Klatten verfügt über ein Vermögen von über 21 Milliarde EUR und ist die reichste Frau Deutschlands.
Audretsch und Beck empfinden diese Regelung als unfair, da Normalverdiener weiterhin an die gängige Erbschafts- und Schenkungssteuer gebunden sind, während reiche Erben leicht steuerfrei tricksen können. „Es sind Ungerechtigkeiten wie diese, die wir künftig dringend abbauen sollten“, erklärt Beck gegenüber dem Spiegel.
Clemens Fuest, Chef des Ifo Institut München begrüßt den Plan und weist auf ein Dokument von 2021 hin, das bereits ähnliche Vorschläge gemacht hat. Er war einer der Autoren.
„Die Folge (der Gesetzeslücken) ist eine unfaire Verteilung der Steuerlast zu Gunsten von Steuerzahlern mit hohen Einkommen”, so Fuest. Er spricht sich zudem dafür aus, die Frist der Spekulationssteuer bei allen Immobiliengesellschaften abzuschaffen und dafür eine gesamtgültige Gewerbesteuerpflicht einzuführen.
Wohin mit den Mehreinahmen?
Was mit den Mehreinnahmen geschehen soll? Fuest schlägt vor, die Steuergelder zur Senkung der Grunderwerbssteuer zu nutzen. Das würde helfen, die Baukrise in Deutschland zu bekämpfen. Was die Grünen zu diesem Vorschlag sagen, beziehungsweise welche Pläne sie für die Mehreinnahmen dank des Plans hätten, ist aktuell (noch) nicht bekannt.
Der Plan von Audretsch und Beck soll es reichen Immobilienbesitzern, Erben und Immobilienunternehmen schwerer machen, das Steuergesetz zum Nachteil von Normalverdienern und Staat auszunutzen. Mit den Steuereinnahmen könnten öffentliche Projekte gefördert und Krisen rund um den Bau adressiert werden. Der Plan ist natürlich noch nicht beschlossen, aber er zeigt eine wegweisende Richtung für die Steuerpolitik der Grünen im Vorlauf der Bundestagswahl 2025.
Es ist nach wie vor möglich, völlig legitim Steuern durch den Kauf und Besitz von Immobilien zu sparen. So können Kosten rund um Makler und Gutachten von der Steuer abgesetzt werden. Auch Gebühren für Dienste wie zum Beispiel den Notar sind absetzbar. Vermietet man die eigene Immobilie, kann man zudem auch Grunderwerbssteuer sparen.