Politik

Putins Größenwahn: Selbst Russland-Versteher Karl Schlögel fordert mehr Unterstützung für Ukraine

Der renommierte Osteuropa-Experte Karl Schlögel rechnet mit Russland unter Putin ab. Auch von Deutschland fordert er ein Ende aller Illusionen - und weitere Unterstützung der Ukraine.
26.11.2024 10:59
Aktualisiert: 26.11.2024 11:02
Lesezeit: 2 min

Der Osteuropa-Historiker Karl Schlögel hat von Deutschland eine entschiedenere Unterstützung des Abwehrkampfes der Ukraine gegen den russischen Aggressor gefordert. Der russische Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 sei ein Schock gewesen, sagte Schlögel jetzt anlässlich einer Preisverleihung in Düsseldorf. Präsident Wladimir Putin habe "alles in den Schatten gestellt, was man nicht einmal einem Dämon zutraut."

Schlögel gilt als einer der profiliertesten deutschen Kenner Russlands. Deutschland müsse "alles tun, um den Überlebenskampf der Ukraine zu unterstützen". Es werde in Deutschland, aber auch anderen europäischen Ländern und den USA eine "dramatische Auseinandersetzung" über die Frage geben, ob der Westen standhaft bleibe, sagte Schlögel. Es dürfe aber in dieser Frage kein Zögern geben.

Der 76 Jahre alte Historiker ("Moskau 1937", "Entscheidung in Kiew. Ukrainische Lektionen"), der in Konstanz und Frankfurt (Oder) Professor war, wurde in Düsseldorf mit dem renommierten Gerda-Henkel-Preis ausgezeichnet. Die mit 100.000 Euro dotierte Auszeichnung wird im zweijährigen Turnus für besondere Forschungsleistungen in den historischen Geisteswissenschaften vergeben. Schlögel wähnte sich über Jahrzehnte als Russland-Kenner, bis er eingestehen musste, dass er in Sachen Ukraine ein Stück weit der Geschichtsschreibung Moskaus auf den Leim gegangen ist. Inzwischen hat sein Bild über Russland nachhaltig verändert und damit den Blick Deutschlands geschärft.

Schlögel: Putins Regime mordet gezielt

In Russland unter Putin komme heute eine "Ästhetik und Choreographie der Macht" zusammen, die es geschichtlich in dieser Kombination noch nie zuvor gegeben habe, sagte Schlögel. Niemals zuvor habe es eine solche Konzentration von Reichtum und Luxus gegeben, die aus «einem geschichtlich beispiellosen Raub an Staats- und Volkseigentum» hervorgegangen sei. Die Führung des Landes erkläre offen, dass die "russische Welt" keine Grenzen kenne. "Putins Regime hat aus der Geschichte gelernt, denn es hält den gezielten Mord für effektiver als den willkürlich-wahllosen Massenmord der Stalinzeit."

Völkermord und Größenwahn

Putins Regime ist nach Worten Schlögels ein ganz neues Phänomen, das noch theoretisch aufgearbeitet werden müsse. Es gebe in Russland "Bilder der völkermörderischen Gewalt, aber auch des ganzen lächerlich-bizarren Größenwahns". Das weitaus größte Land der Welt fühle sich "eingekreist und bedroht". Ein Land, das bis heute nicht geschafft habe, seine Bevölkerung flächendeckend mit Gas und Strom zu versorgen, versetze den Rest der Welt in Angst und Schrecken. Putin posiere mit bloßem Oberkörper auf dem Pferde und verstecke sich zugleich wochenlang vor Corona in seinem Bunker. Ratlos lasse aber die Frage zurück, warum das russische Volk angesichts der Tausenden gefallenen Soldaten den Krieg hinnehme und mittrage. Es sei also "nicht nur Putins Krieg, sondern ein russischer Krieg".

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Technologie
Technologie BradyPrinter i7500: Revolution im Hochpräzisionsdruck

Sie haben genug vom altmodischen Druck großer Etikettenmengen? Keine Kalibrierung, keine Formatierung, kein umständliches Hantieren mit...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Neue US-Zölle: Was die deutsche Wirtschaft fürchten muss
02.04.2025

Die geplanten Zölle von US-Präsident Trump sorgen für Unruhe in Europa. Niemand weiß genau, welche Branchen betroffen sein werden –...

DWN
Politik
Politik Ukraine erhält massive Militärhilfe aus Schweden und den Niederlanden – Russland weitet Einberufungen aus
02.04.2025

Die Ukraine erhält verstärkte militärische und finanzielle Unterstützung von Schweden und den Niederlanden, während Russland...

DWN
Politik
Politik Migration: Nancy Faeser sieht eigene Migrationspolitik als Erfolg
01.04.2025

Während SPD und Union über eine mögliche Koalition verhandeln: Die geschäftsführende Innenministerin Faeser präsentierte heute...

DWN
Politik
Politik Handelskonflikt eskaliert: EU prüft bislang ungenutztes Instrument
01.04.2025

Die Handelsbeziehungen zwischen der EU und den USA stehen kurz vor einer Eskalation. US-Präsident Trump plant neue Zölle auf eine...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Trumps Zölle - Warum Hyundai jetzt auf Milliarden-Investitionen in den USA setzt
01.04.2025

Geht sein Plan auf? Trumps Zollerhöhungen erzwingen bereits drastische Reaktionen. Hyundai investiert 21 Milliarden US-Dollar in die USA,...

DWN
Politik
Politik AfD holt in Umfrage auf: Union büßt nach Bundestagswahl stark ein
01.04.2025

Nach der Bundestagswahl verliert die Union in den Umfragen, während die AfD kräftig zulegt. Auch SPD und Grüne verzeichnen Rückgänge,...

DWN
Politik
Politik Bamf-Chef Sommer will radikale Asyl-Wende - Rücktritt gefordert
01.04.2025

Bamf-Chef Hans-Eckhard Sommer fordert eine radikale Wende in der deutschen Asylpolitik. Statt individueller Anträge plädiert er für eine...

DWN
Finanzen
Finanzen Europa-ETF-Vergleich: Wie Sie mit Europa-fokussierten ETFs Geld verdienen - und welche Europa-ETF sinnvoll sind
01.04.2025

Da die Trump-Administration die Unterstützung für die Ukraine zurückfährt, protektionistische Zölle erlässt und sich von der...