Finanzen

Ist bei VW, BMW und Mercedes der Lack ab? Deutsche Auto-Aktien im Sinkflug – was das für Anleger bedeutet

Deutsche Autobauer stehen unter Druck: VW streicht Stellen, BMW ruft Modelle zurück, Opel kämpft mit der Konkurrenz im eigenen Konzern und Mercedes klammert sich weiter ans Premiumsegment. Zudem stockt die Nachfrage nach E-Autos und die Konkurrenz aus China wächst. Welche deutschen Auto-Aktien bieten Anlegern trotz dieser Herausforderungen noch Chancen?
04.12.2024 06:00
Lesezeit: 5 min

Ob Stuttgart, Wolfsburg, München oder Rüsselsheim: Die deutschen Autobauer stecken in einer der schwersten Krisen ihrer Geschichte. Während die Konkurrenz aus China immer weitere Marktanteile dazu gewinnt, kämpfen Volkswagen, Mercedes-Benz, BMW, Porsche und Opel mit sinkenden Verkaufszahlen, steigenden Produktionskosten und einer Nachfrage nach E-Autos, die zu wünschen übrig lässt, um es milde auszudrücken.

Deutsche Auto-Aktien in der Krise: „Der drohende Detroit-Moment für die deutsche Autoindustrie“

Auch die großen deutschen Zulieferer haben die Auswirkungen der Krise längst erreicht: Schwergewichte wie Bosch (geplanter Stellenabbau 5.500 bis 2027), Continental (geplanter Stellenabbau 7.150 bis 2025) und ZF Friedrichshafen (geplanter Stellenabbau 14.000 bis 2028) verzeichnen rückläufige Bestellungen und geraten durch die Unsicherheit der Hersteller zunehmend unter Druck.

Die Börse hat auf diese Entwicklungen bereits reagiert: Die Papiere deutscher Autobauer haben in den vergangenen Monaten teils zweistellige Verluste hinnehmen müssen – allen voran Opel, Volkswagen und BMW. So ist die Aktie der Opel-Mutter Stellantis zwischen Januar und Anfang Dezember 2024 um rund 45 Prozent gefallen, während die VW-Aktie und die BMW-Aktie im selben Zeitraum jeweils um annähernd 29 Prozent nachgaben. Anleger stellen sich daher zunehmend die Frage: Lohnen sich deutsche Autoaktien noch oder droht der deutschen Autoindustrie ein „Detroit-Moment“, wie die Aktienstrategen der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) treffend befürchten? Eine Einordnung.

VW-Aktie: Einsparungen als Schlüsselstrategie?

Los geht’s mit der VW-Aktie. Der Wolfsburger Konzern (ISIN: DE0007664039) sieht sich derzeit mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Das spiegelt sich auch bei der VW-Aktie wider: Die Vorzugsaktien des größten deutschen Autobauers tendieren aktuell um 80 Euro (Stand: 03. Dezember 2024) und sind damit weit entfernt von den Höchstständen aus dem Jahr 2021, als die VW-Aktie bei rund 244 Euro notierte. Aber das ist lange her und die wirtschaftspolitische Situation im Herbst 2024 ist eine völlig andere:

Ein designierter US-Präsident Donald Trump, der Deutschland und der EU mit Strafzöllen von bis zu 25 Prozent droht; ein Konzern, der bis 2026 mehr als zehn Milliarden Euro einsparen will; die damit einhergehende Ankündigung eines geplanten Stellenabbaus, der bis zu 30.000 Arbeitsplätze gefährdet; und zuletzt der Verkauf eines umstrittenen Werks im chinesischen Xinjiang, das wegen Menschenrechtsverletzungen an der uigurischen Minderheit in die Kritik geraten war.

Zwar beziffern die Analysten von Morningstar den Fair Value, also den geschätzten tatsächlichen Wert der Aktie, auf 264 Euro und heben zudem die hohe Dividendenrendite von 9,82 Prozent hervor. Allerdings verliert Volkswagen in China weiter Marktanteile, im Jahr 2023 lag der Absatz bei 14,5 Prozent, was einem Rückgang von 0,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Hinzu kommt die Konkurrenz durch chinesische Hersteller wie BYD, die es den Wolfsburgern erschweren, ihren Absatz im Elektrobereich zu steigern. Dennoch sehen die Analysten Potenzial, das sich vor allem aus den von Volkswagen-Chef Oliver Blume angekündigten Kostensenkungsmaßnahmen im Segment der VW-Kernmarken speist. Um die Margen der Wolfsburger nachhaltig zu verbessern, sei die geplante Restrukturierung unumgänglich.

Mercedes-Benz: Premiumbauer unter Druck

Mercedes-Benz (ISIN: DE0007100000) setzt weiterhin auf das Premiumsegment, um höhere Margen zu erzielen. Die Mercedes-Benz-Aktie notiert aktuell bei 52 Euro (Stand: 03. Dezember 2024), während Morningstar den Fair Value auf 112 Euro beziffert und eine Dividendenrendite von 9,17 Prozent nennt, womit die Mercedes-Aktie für langfristige Anleger durchaus attraktiv bleibe, so Morningstar.

Allerdings bereitet China, der größte Einzelmarkt von Mercedes, den Stuttgartern weiterhin Kopfzerbrechen. So verzeichnete der schwäbische Autobauer im Jahr 2023 dort einen Rückgang der Verkaufszahlen um 13 Prozent. Der Marktanteil fiel auf 7,2 Prozent, was einem Rückgang von 1,3 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr entspricht. CEO Ola Källenius betonte kürzlich in einem Interview mit der WirtschaftsWoche, dass der Konzern zwar im Premiumsegment bleiben werde, die Kostenstruktur aber den Marktbedingungen anpassen müsse.

Vor diesem Hintergrund erwarten die Analysten von Morningstar für die kommenden fünf Jahre eine Rückkehr zu soliden einstelligen Margen, unterstützt durch die für Anfang 2025 angekündigte strategische Neuausrichtung des Konzerns, durch die geplante Erweiterung der EQ-Elektroplattform, die den Stuttgartern im kommenden Jahr Wachstum bringen soll.

BMW: Rückrufaktionen und neue Modelle

Auch die BMW-Aktie (ISIN: DE0005190003) steht wie der gesamte Autobauer angesichts der konjunkturellen Unsicherheiten vor großen Herausforderungen. Der Aktienkurs liegt derzeit bei rund 72 Euro (Stand: 3. Dezember 2024), während Morningstar den Fair Value auf 154 Euro schätzt. Soweit, so gut.

Allerdings verzeichnete BMW 2023 einen Rückgang des Marktanteils in China um 0,9 Prozent auf 8,5 Prozent, was die Position des Konzerns in einem seiner wichtigsten Märkte weiter belastet. Zusätzlich setzen Produktionsprobleme die Münchner unter Druck. So musste der Konzern im September eine Rückrufaktion für mehrere Modelle starten, nachdem technische Mängel am Bremssystem festgestellt worden waren. Betroffen waren unter anderem Modelle der Baureihen 2er, 3er, 4er sowie i3 und i4, die seit Juni 2022 produziert wurden. Insgesamt wurden weltweit rund 1,5 Millionen Fahrzeuge zurückgerufen, davon rund 150.000 in Deutschland.

Während die Münchner einerseits versuchen, ihre globalen Produktionsprobleme in den Griff zu bekommen, setzten sie andererseits große Hoffnungen auf die Einführung ihrer neuen Elektroplattform „Neue Klasse“ ab Ende 2025, um den Wandel zur Elektromobilität voranzutreiben und langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Mit einer Dividendenrendite von 7,89 Prozent bietet die BMW-Aktie zwar eine gewisse Stabilität, doch Morningstar prognostiziert, dass kurzfristig keine größeren Kursgewinne zu erwarten seien. Vor dem Hintergrund, dass das Papier der Münchener seit Januar 2024 rund 29 Prozent verloren hat, warnen die Analysten vielmehr vor weiteren Belastungen durch die anhaltend schwierigen Marktbedingungen.

Porsche: Premiumprodukte mit Schwächen

Porsche ist mit Modellen wie dem 911 und dem Taycan nach wie vor einer der führenden Premiumanbieter im Automobilsektor. Dennoch stehen auch die Stuttgarter unter Druck. Allein im dritten Quartal 2024 verzeichnete Porsche in China einen Absatzrückgang von 29 Prozent, was die Absatzprognose des Konzerns erheblich belastet hat. Zudem führten Produktionsausfälle und Lieferengpässe dazu, dass die gesetzten Jahresziele in Stuttgart kassiert werden mussten.

Die Porsche-Aktie (ISIN: DE000PAG9113) notiert aktuell bei rund 59 Euro (Stand: 3. Dezember 2024), während Morningstar den Fair Value auf 94 Euro schätzt und damit für das Papier mittelfristig noch etwas Luft nach oben sieht. Dennoch: Mit einer Dividendenrendite von 3,29 Prozent bietet Porsche seinen Anlegern eine moderate Gewinnausschüttung und bleibt daher für langfristig orientierte Anleger durchaus interessant.

Opel: Billig-Konkurrenz im eigenen Konzern

Während hiesige Hersteller wie Volkswagen und Mercedes-Benz in China Marktanteile verlieren, kämpft Opel im heimischen Markt mit stagnierenden Verkaufszahlen und rückläufigen Marktanteilen. 2023 verzeichneten die Rüsselsheimer zwar einen Absatz von rund 460.000 Fahrzeugen in Europa – was einem Anstieg von etwa sieben Prozent im Vergleich zum Jahr 2023 entspricht. Allerdings blieb der Marktanteil unter den Erwartungen des Managements um Opel-CEO Florian Huettl zurück.



Diese Entwicklung hat auch Auswirkungen auf die Aktie des Mutterkonzerns. Die Stellantis-Aktie (ISIN: NL00150001Q9) notiert derzeit bei etwa 12 Euro (Stand: 3. Dezember 2024). Seit Januar 2024 hat die Aktie rund 45 Prozent eingebüßt. Zwar taxieren die Analysten von Morningstar den Fair Value der Stellantis-Aktie auf 23,50 Euro, was ein potenzielles Aufwärtspotenzial von rund 90 Prozent impliziert. Trotzdem bleibt die aktuelle Marktdynamik für Opel herausfordernd, da die Konkurrenz durch Marken wie Dacia, die ebenfalls zu Stellantis gehören, weiter zunimmt.

So verzeichnete die rumänische Billigmarke unter dem Stellantis-Dach im Jahr 2023 einen Absatz von 562.890 Pkw in Europa, was einerseits einem Wachstum von 17,4 Prozent entspricht. Auf der anderen Seite stellt der Erfolg von Modellen wie dem Dacia Sandero, dem günstigen SUV Dacia Duster oder dem Low-Cost-Stromer Dacia Spring eine erhebliche Konkurrenz für Opel dar, da Dacia mit preisgünstigeren Fahrzeugen im gleichen Marktsegment erfolgreich ist und damit Opel zusätzlich unter Druck setzt.

Auto-Aktien Deutschland: Alles bleibt anders!

„Der drohende Detroit-Moment für die deutsche Autoindustrie“ haben die Aktienstrategen der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) ihren kürzlich veröffentlichten Kapitalmarktkompass äußerst treffend überschrieben. „Die Branche bleibt in einer schwierigen Phase“, wird LBBW-Aktienstratege Uwe Streich darin zitiert. Streich weiter: „In den Kursen ist das Schlimmste schon eingepreist, aber die Fragezeichen bleiben, ob sich die deutsche Ingenieurskunst den Bedingungen der Autowelt von morgen anpassen kann.“

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

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