Immer mehr Deutsche kündigen innerhalb der Probezeit: Knapp die Hälfte aller Beschäftigten startet motiviert in den neuen Job, doch bevor der erste Jahrestag gefeiert werden kann, ist alles vorbei. Die Gründe sind vielfältig, aber oft liegt es an enttäuschten Erwartungen, schlechter Führung oder einem Arbeitsumfeld, das nicht das hält, was es verspricht.
Für Arbeitgeber ist eine Kündigung in der Probezeit ein herber Schlag. Die Talente verlassen das Unternehmen, bevor sie sich richtig eingelebt haben. Das ist nicht nur frustrierend, sondern auch kostspielig.
Neueinstellungen: Jeder zweite Deutsche zieht in der Probezeit die Reißleine
Die Probezeit ist keine Garantie für eine langfristige Zusammenarbeit. Und die kurze Kündigungsfrist von zwei Wochen, ohne Angabe von Kündigungsgründen, scheint besonders für den Arbeitssuchenden attraktiv: Laut einer XING-Studie sind gerade die ersten Monate entscheidend dafür, ob Mitarbeiter bleiben oder gehen. Doch woran liegt es, dass so viele Arbeitsverhältnisse scheitern?
Knapp 50 Prozent der Deutschen haben schon einmal in der Probezeit oder im ersten Jahr eines neuen Jobs gekündigt. Die Umfrage zeigt, dass die häufigsten Gründe für Kündigungen im ersten Jahr sind:
- Zu niedriges Gehalt: 43 %
- Schlechte Führung: 43 %
- Schlechte Teamkultur: 34 %
- Hoher Stress: 33 %
Auf den ersten Blick scheinen diese Zahlen recht eindeutig. Doch sie sind nur die Spitze des Eisbergs. Es geht selten allein um Geld, Stress oder die Hierarchie. Vielmehr spiegeln diese Gründe ein tieferes Problem wider: das Gefühl, fehl am Platz zu sein. Wenn die Unternehmenskultur nicht passt oder grundlegende Werte nicht gelebt werden, verliert selbst der Traumjob schnell seinen Glanz.
Eine Probezeit voller Stolpersteine
Arbeitgeber und Arbeitnehmer starten oft mit unterschiedlichen Erwartungen. Was im Bewerbungsgespräch noch perfekt klang, fühlt sich im Arbeitsalltag plötzlich falsch an. Die häufigsten Stolpersteine:
1. unrealistischer Bewerbungsprozess
Bewerbungsgespräche sind oft Verkaufsshows. Arbeitgeber präsentieren ihre besten Seiten und malen ein Bild, das nicht immer der Realität entspricht. Benefits, flexible Arbeitszeiten oder Homeoffice-Möglichkeiten werden betont, Probleme im Team oder strukturelle Herausforderungen bleiben unerwähnt.
Folge: Arbeitnehmer erleben nach dem Einstieg eine Realität, die nichts mit den zuvor geschürten Erwartungen zu tun hat.
2. Chefetage versagt
Die ersten Monate sind entscheidend – besonders für die Führung. Doch 43 Prozent der Beschäftigten nennen schlechte Vorgesetzte als Hauptgrund für ihre Kündigung. Fehlendes Feedback, Überforderung und mangelnde Wertschätzung sind dabei die häufigsten Gründe. Das heißt: Mitarbeiter verlassen nicht Unternehmen, sondern die Vorgesetzten, die sie nicht führen können. Eine fehlende Willkommenskultur, zu viel Kontrolle oder ein Desinteresse an der persönlichen Entwicklung sorgt dafür, dass die Anfangsmotivation rapide sinkt.
3. „toxische“ Teamkultur
Eine gesunde Teamkultur ist kein nice-to-have, sondern eine Notwendigkeit. Unausgesprochene Konflikte, Machtspielchen oder starre Hierarchien erschweren nicht nur die Zusammenarbeit, sondern isolieren neue Mitarbeiter. Mit dem Ergebnis: Jeder dritte Beschäftigte, der in den ersten Monaten kündigt, tut dies, weil er sich im Team nicht integriert fühlt.
4. Stress in der Probezeit
Die Erwartung, in der Probezeit fast schon übermenschliche Leistungen erbringen zu müssen, kennen viele. Neue Mitarbeiter wollen sich beweisen und geraten dabei schnell unter Druck. Wenn dann noch unrealistische Zielvorgaben und ständige Überstunden hinzukommen, ist der Burnout quasi vorprogrammiert. Die Motivation für den neuen Job sinkt rapide.
Wie können Unternehmen neue Mitarbeiter halten?
1. Authentizität im Bewerbungsprozess
Arbeitgeber sollten von Anfang an ein realistisches Bild vermitteln. Dazu gehört, nicht nur Vorteile, sondern auch Herausforderungen offen anzusprechen. Authentizität verhindert spätere Enttäuschungen.
2. Starke Einarbeitungsphase
Ein durchdachtes Onboarding ist das A und O für einen gelungenen Start. Regelmäßige Feedbackgespräche, klare Ziele und ein strukturierter Einarbeitungsplan helfen neuen Mitarbeitern, sich sicher und unterstützt zu fühlen.
3. Teamkultur fördern
Eine offene und unterstützende Teamkultur entsteht nicht mal ebenso. Daran muss gearbeitet werden – immer. Gemeinsame Aktivitäten, regelmäßige Check-ins und transparente Kommunikation stärken das Wir-Gefühl und verhindern die Isolation einzelner Mitarbeiter.
4. Stress reduzieren
Arbeitgeber sollten klare Grenzen setzen, um Überforderung zu vermeiden. Realistische Ziele und die Betonung von Pausen und Work-Life-Balance sind essenziell – besonders in der Probezeit.
Probezeit eine Testphase für beide Seiten
Auch die Dauer der Probezeit ist ein Hebel, den Arbeitgeber und Angestellte in den Händen halten. In Deutschland gibt es kein Gesetz, das eine Eingewöhnungsphase vorschreibt. Sie darf allerdings nicht länger als sechs Monate dauern. Oft reizen Unternehmen diese Frist jedoch aus. Nicht immer zur Freude der Arbeitnehmenden. Der Umfrage zufolge halten die meisten Befragten (42 Prozent) eine Dauer von drei Monaten für angemessen und sinnvoll, um herauszufinden, ob es zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmendem passt.
Für sechs Monate haben sich dabei gerade einmal 22 Prozent der Befragten ausgesprochen. Damit stimmt eine große Mehrheit gegen die verbreitete Praxis von sechs Monaten.
Fakt ist: Die ersten Monate in einem neuen Job sind immer aufregend. Hier zeigt sich, ob die Zusammenarbeit funktioniert und ob die Werte von Arbeitgeber und Arbeitnehmer übereinstimmen. Wer in gute Führung, eine klare Kommunikation und eine gesunde Unternehmenskultur investiert, wird langfristig nicht nur Mitarbeiter halten, sondern auch ihr volles Potenzial ausschöpfen.