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Ausbildungsmarkt: Azubis dringend gesucht!

Lesezeit: 5 min
31.10.2024 12:01  Aktualisiert: 01.01.2030 11:07
Nach dem historischen Tief auf dem Ausbildungsmarkt im ersten Coronajahr 2020 stieg die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge seit drei Jahren kontinuierlich an. Dennoch liegt das Niveau zu Beginn des Ausbildungsjahrs 2023/24 noch deutlich unter dem von 2019. Auch nimmt die Zahl der Betriebe, die keinen Nachwuchs finden, weiter zu: Fast jedes zweite Unternehmen kann Stellen nicht besetzen. Welche Ursachen gibt es für den Mangel und wie können Firmen heute junge Menschen noch für eine Ausbildung begeistern?
Ausbildungsmarkt: Azubis dringend gesucht!
Handwerk sucht Berufsnachwuchs: Etwa 1100 junge Leute begannen im Vorjahr im Nordosten eine Handwerkerlehre. Doch blieben gut 750 Stellen offen. (Foto: dpa)

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Der Arbeitsmarkt und damit mittelbar auch das Ausbildungssystem stehen vor großen strukturellen Herausforderungen. Die Veränderungen ergeben sich zum einen aus den großen übergeordneten Trends Digitalisierung, Dekarbonisierung und Demografie.

Doch deutsche Unternehmen stehen nicht nur vor den Herausforderungen, die Energiewende und Wirtschaftskrise zu meistern, sondern genügend Personal auf dem Arbeitsmarkt zu finden. Es gibt einen Fachkräftemangel, aber auch ein Nachwuchsproblem. Das Zukunftsthema für den deutschen Mittelstand ist der einsetzende Generationenwechsel in kleinen und mittleren Unternehmen: Rund 125.000 mittelständische Unternehmen sollen im Zuge einer Nachfolge übergeben werden – und das im Durchschnitt jährlich bis Ende 2027. Wie sieht der Ausbildungsmarkt aktuell für Arbeitgeber aus?

Ausbildungsmarkt in Deutschland

Während im Jahr 2020 das Ausbildungsangebot und die Nachfrage junger Erwachsener noch nahezu parallel zurückgingen und das Gesamtsystem in sich schrumpfte, zeigten sich in den Folgejahren unterschiedliche Entwicklungen: So stieg das Ausbildungsangebot seit dem Berichtsjahr 2021 wieder an, wohingegen die (erweiterte) Nachfrage nach einer Ausbildung auch im Jahr 2022 noch weiter rückläufig war. Vergangenes Jahr stiegen beide Faktoren an: Angebot und Nachfrage fielen gleich hoch aus, sodass der Ausbildungsmarkt 2023 in sich stabil war.

Weniger Ausbildungsverträge als vor Coronakrise

Das Angebot an Ausbildungsplätzen stieg im vergangenen Jahr um 18.600 auf 562.600 Stellen (plus 3,4 Prozent). Auch die Zahlen der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im dualen System sind zum Vorjahr um 3 Prozent (2.000) gestiegen – auf 489.200. Die Bewerberzahlen für einen Ausbildungsplatz stiegen sogar erstmals seit 2018, und zwar um 17.700 auf 515.600 (plus 3,6 Prozent).

Dennoch im Vergleich zum Ausbildungsniveau vor der Pandemie, gibt es noch einen deutlichen Abstand (minus 6,8 Prozent im Vergleich zu 2019). Das zeigt der aktuelle Berufsbildungsbericht, der die Situation des vergangenen Ausbildungsjahrs 2023/24 abbildet und auf Daten des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) beruht.

Angebotssituation: offene Stellen, unversorgte Bewerber

Auch wenn der Ausbildungsmarkt 2023 nach Zahlen stabil war, zeigt die Zusammenführung von betrieblichen Ausschreibungen und Ausbildungssuchenden, dass sowohl der Anteil der unbesetzten Stellen als auch der Anteil unversorgter Bewerber weiter gestiegen sind: Die Zahl der unbesetzten Stellen stieg um 6,6 Prozent auf 73.400 (Vorjahr: 68.900), die Zahl der unversorgten Bewerber stieg um 16,3 Prozent auf 26.400 (Vorjahr: 22.700). Dies ist – abgesehen vom Corona-Jahr – der höchste Wert an unversorgten Bewerbern seit 2008. Warum finden Stelle und Suchender nicht zusammen – trotz steigender Bedarfe?

Diskrepanz Ausbildungsmarkt: Ursache und Wirkung

In Bezug auf die Schwierigkeiten bei der Zusammenführung von offenen Ausbildungsstellen und unversorgten Bewerbern sind die Ergebnisse der aktuellen Ausbildungsumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) hochinteressant:

  • 47 Prozent aller IHK-Ausbildungsbetriebe konnten im vergangenen Jahr nicht alle angebotenen Ausbildungsplätze besetzen.
  • Von diesen 47 Prozent unbesetzten Ausbildungsplätzen, haben 37 Prozent keine einzige Bewerbung erhalten, das betrifft 30.000 Ausbildungsbetriebe und ist ein Anstieg um rund 11 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
  • Die Betriebe, die Bewerbungen erhalten, aber die Stelle dennoch nicht besetzen, haben die Bewerbungen meistens als nicht passend (69 Prozent) eingeschätzt.

Diese Ergebnisse lassen die Schlussfolgerung zu, dass das Angebot auf dem Ausbildungsmarkt nicht zusammenpasst. Die Bewerber passen nicht zum Ausbildungsberuf und die Stellenausschreibungen sind unattraktiv oder zu wenig bekannt. Das hat dazugeführt, dass im vergangenen Jahr rund jeder zweite IHK-Ausbildungsbetrieb (49 Prozent) nicht alle Plätze besetzen konnte. Das ist ein neuer Negativrekord.

Als Konsequenz wollen acht von zehn Unternehmen ihr Engagement in der beruflichen Orientierung an Schulen ausbauen. Dazu bieten 61 Prozent der Unternehmen künftig mehr Praktikumsplätze an.

Azubi-Suche: Wie kann es besser laufen?

Die Studie "Azubi-Recruiting-Trends 2024" bestätigt die Aussagen der DIHK-Ausbildungsumfrage: Nach Einschätzung der Ausbildungsverantwortlichen ist die Zahl der Azubi-Bewerbungen in den vergangenen fünf Jahren vor allem bei den kaufmännischen Berufen und im gewerblich-technischen Bereich deutlich zurückgegangen. Hier verzeichneten sie ein Viertel beziehungsweise ein Fünftel weniger Bewerbungen. In handwerklichen Berufen verringerten sich die Bewerbungen um rund acht Prozent.

Die Hauptursachen für unbesetzte Ausbildungsstellen und unversorgte Bewerber sind mangelnde Berufsorientierung sowie das schlechte Image der dualen Ausbildung. Weitere Gründe sind die zu hohen Anforderungen der Firmen an den Bewerber und dass die Stellenanzeigen nicht da geschaltet werden, wo die Zielgruppe erreichbar ist. Die mit Abstand wichtigste Plattform für junge Menschen sind Google sowie die gängigen Social-Media-Kanäle.

Der Ausbildungsmarkt ist und bleibt kandidatenorientiert. Die Arbeitgeber müssen beim Recruiting selbst aktiver und attraktiver werden.

Bewerbungsprozess: Digitales Recruiting

Auch Fehler im Recruiting-Prozess können die Ursache dafür sein, dass Unternehmen ihre Ausbildungsplätze nicht besetzen können. So haben nur ein Drittel der für den Azubi-Report 2024 des Informationsportals Ausbildung.de den Bewerbungsprozess, den sie durchlaufen haben, als einfach bewertet. 47 Prozent beurteilen ihn weder als einfach noch als kompliziert, 22 Prozent haben ihn sogar als kompliziert, 17 Prozent als chaotisch und 12 Prozent als unprofessionell wahrgenommen.

44 Prozent der befragten Auszubildenden haben ihr Smartphone oder Tablet für die Bewerbung verwendet – dies ist ein deutlicher Anstieg von mobilen Endgeräten im Vergleich zur Umfrage 2022 (14 Prozent). Eine nicht mobil optimierte Karriereseite kann daher für diese Zielgruppe eine unüberwindbare Hürde darstellen. 61 Prozent haben schon einmal eine Online-Bewerbung abgebrochen, weil sie sich nicht registrieren konnten (11 Prozent), ihre Unterlagen nicht hochladen konnten (20 Prozent) oder sich mit ihrem Endgerät nicht bewerben konnten (8 Prozent).

Doch auch jenseits der Technik sollten Unternehmen ihre Recruiting-Prozesse hinterfragen. Manche sind nicht schnell genug. Über die Hälfte aller Bewerberinnen und Bewerber ist nach spätestens einer Woche in den Bewerbungsprozess eingestiegen, der sie zu ihrem heutigen Ausbildungsplatz geführt hat.

Erfolgreicher Ausbildungseinstieg: Onboarding

Der Wechsel von der Schulbank ins Unternehmen fällt nach wie vor vielen jungen Menschen schwer: Jeder vierte Ausbildungsvertrag wird in Deutschland vorzeitig aufgelöst. Um das zu vermeiden, kann eine „Onboarding-Phase“ helfen, die neuen Auszubildenden erfolgreich und zielgerichtet ins Unternehmen zu integrieren. Das Onboarding, ein Konzept aus dem Personalmanagement, nutzt dafür Maßnahmen, die es Mitarbeitenden erleichtern sollen, sich „an Bord“ des neuen Unternehmens zurechtzufinden.

Da der erste Eindruck zählt, lohnt es sich gleich am ersten Tag mit dem Prozess zu starten. Einige Unternehmen gestalten den Onboarding-Tag mit einem gemeinsamen Begrüßungsfrühstück, einer anschließenden Führung durch Unternehmen und einem bereits eingerichteten und geschmückten Arbeitsplatz – mit Blumen oder kleinen Willkommensgeschenken.

Onboardingtrends am Arbeitsplatz

Die neuen Auszubildenden sollten heutzutage auch am Arbeitsplatz in „ihrer Welt“ abgeholt und in „ihrer Sprache“ angesprochen werden. Diese Online-Tools sind gerade im Trend:

Corporate Blogs (Mitarbeiterportale) für bessere Integration

Dort kann sich das Unternehmen mit seinen Themen und Werten präsentieren und die Mitarbeiter einladen, aktiv an der Firmencommunity teilzuhaben. Mitarbeiter schreiben über ihren beruflichen Alltag und plaudern über Privates. Der Blog macht die Menschen und das Unternehmen lebendig und hilft bei der ersten Identifikation.

Interaktive Mitarbeiterportale erleichtern die Einarbeitung

Immer mehr Unternehmen setzen auf interaktive Arbeitgeber-Portale. Zum Standard gehören Software-Anwendungen, die den Auszubildenden die wichtigsten Checklisten, Leitfäden und Termine bereitstellen. Vereinzelt ist die Teilnahme an webbasierten Trainingsprogrammen auch verpflichtend.

Videoclips mit den wichtigsten Infos

Stark im Kommen ist der Einsatz von Videoclips, auf denen sich die neuen Mitarbeiter die wichtigsten Informationen zum Unternehmen und zu ihrem Aufgabengebiet ansehen können. So wie hier Youtube als Vorbild dient, geht der Trend allgemein dahin, den Look & Feel der sozialen Medien für die firmeneigenen Mitarbeiterportale zu nutzen.

Vorbild Facebook – firmeninternen Networking-Tools

Die interaktive Plattform sollte eine attraktive und nutzerfreundliche Bedienungsoberfläche bieten: Mitarbeiter können sich ein persönliches Profil anlegen, anderen Kollegen folgen, fremde Inhalte liken oder teilen und eigenen Content online stellen. Für junge Berufseinsteiger ein vertrauter Schritt.

Für ein gutes und vor allem anhaltendes Ausbildungs- und Arbeitsverhältnis sind die ersten Wochen und Monate entscheidend. Es ist eine Zeit der Bewährung für den Auszubildenden, um den Übergang von der Schule ins Berufsleben zu meistern. In dieser Phase sollte der Ausbilder auf seine Auszubildenden zugehen und mögliche Probleme offen ansprechen. Allein diese offensive – möglichst systematisch angelegte – Ansprache sorgt dafür, dass die „Neuen“ Wertschätzung erfahren und sich so im wahrsten Sinne des Wortes willkommen im Unternehmen fühlen.

Langfristig ist es für beide Seiten eine Win-win-Situation: Der Arbeitgeber gewinnt einen neuen Mitarbeiter für die Zukunft – und der Azubi eine Qualifikation fürs Leben.

 

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Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.


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