Wirtschaft

Industrien retten: Hubertus Heils Strategien gegen Konjunkturkrise und Arbeitsplatzverlust

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sieht in der aktuellen Konjunkturkrise eine massive Gefahr für die industrielle Basis Deutschlands. Ganze Industriezweige und Tausende Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel. Um dies zu verhindern, fordert Heil eine aktive Industriepolitik und wirft der Opposition Untätigkeit vor. „Unsere Aufgabe ist es, den Wohlstand und die Zukunft dieses Landes zu sichern“, betonte er in einem Videointerview.
23.12.2024 09:03
Lesezeit: 2 min

Kurzarbeit als Antwort auf die Krise

Viele Firmen schicken wegen wegbrechender Aufträge Teile ihrer Belegschaften derzeit wieder verstärkt in Kurzarbeit, etwa im Maschinenbau, einem Rückgrat der deutschen Industrie. Im September gab es rund 268.000 Kurzarbeitende – laut Heil-Ministerium 76 Prozent mehr als im Vorjahr und fast dreimal so viele wie im September 2022. Die Regierung weitete die Möglichkeit zur Kurzarbeit per Kabinettsbeschluss diese Woche auf 24 Monate aus.

Erneuerung der industriellen Basis: Heils Vision

Seit Monaten deuten die Prognosen auf ein weiterhin schwaches Wachstum und steigen die Arbeitslosenzahlen im Vergleich zum Vorjahr. Heil sagte: „Da geht es um die Automobilwirtschaft, nicht nur die großen Unternehmen wie Volkswagen, sondern die Zulieferindustrie. Es geht um den Maschinenbau, es geht auch um die chemische Industrie, die Grundstoffindustrien.“ Nötig sei, die industrielle Basis und die öffentliche Infrastruktur in Deutschland zu erneuern.

Internationale Vergleiche: Warum Deutschland handeln muss

Zugleich wird hierzulande mit wachsender Sorge beobachtet, dass China und die USA ihre zukunftsträchtigen Industrien mit großen staatlichen Programmen stützen. „Wenn wir in Deutschland zugucken, wie die Basis verschwindet, während in den USA – Stichwort Trump –, aber auch schon bei der Biden-Administration – eine robuste Industriepolitik gemacht wird, mit Steueranreizen, mit Handelsbarrieren, und das Gleiche übrigens in China passiert, dann wären wir in Deutschland, in Europa wirklich verrückt, wenn wir unsere industrielle Basis preisgeben“, sagte Heil.

Gefährdete Branchen: Beispiele aus der Stahlindustrie

„In der Stahlindustrie muss beispielsweise dafür gesorgt werden, dass wir nicht mit Dumpingstahl tatsächlich hier in Europa erleben, dass unsere Stahlindustrie in die Knie geht“, mahnte der Arbeitsminister. Die EU gab es zuletzt immer wieder Befürchtungen, dass chinesische Stahlerzeugnisse zu übermäßig niedrigen Preisen verkauft werden. China hat große Erzeugungskapazitäten aufgebaut, zuletzt war die Nachfrage im Inland eher schwach, weshalb mehr Stahl in den Export ging.

Der SPD-Politiker Heil warnte vor dem Unionskanzlerkandidaten Friedrich Merz (CDU), der derzeit im Umfragerennen vor der geplanten Bundestagswahl deutlich vor Amtsinhaber Olaf Scholz (SPD) liegt. „Wer Friedrich Merz kennt, weiß, dass ihm eine aktive Wirtschaftspolitik und eine aktive Industriepolitik zuwider ist.“ Merz glaube, der Markt regele alles allein. „Es wäre in Zeiten von aktiver Wirtschafts- und Industriepolitik in anderen Teilen der Erde geradezu naiv und fahrlässig, das in Europa und Deutschland genau so zu sehen.“

Staatliche Unterstützung: Bedingungen und Maßnahmen

Heil selbst schweben nach seinen Worten staatlich unterstützte Auswege im Schulterschluss von Betrieben und Belegschaften vor, wenn ein Unternehmen in eine prekäre Lage rutscht. Wichtig seien „gemeinsame Lösungen“. Standorte sollten möglichst gesichert und betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden. Staatliche Hilfe sollte an Bedingungen geknüpft werden und nicht zum Beispiel für veraltete Unternehmenskonzepte fließen.

„Unsere Aufgabe als Staat und Politik ist, mit einer aktiven Industriepolitik das so zu begleiten, dass wir ein starkes Land bleiben.“ Bereits in der Corona-Krise waren unter Heils Regie etwa das Kurzarbeitergeld stark ausgeweitet und mehr Förderinstrumente für die Weiterqualifizierung von Beschäftigten auf den Weg gebracht worden. Das sollte – neben den damaligen direkten Corona-Hilfen – den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern helfen, ihre Belegschaften zu halten und fit zu machen für geänderte Jobprofile. Beim Kurzarbeitergeld übernimmt der Staat einen Teil des Lohns, wenn Unternehmen ihre Leute wegen wegbrechender Aufträge vorübergehend nicht beschäftigen können.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bundesbank: Deutsche Exportwirtschaft verliert deutlich an globaler Stärke
14.07.2025

Die deutsche Exportwirtschaft steht laut einer aktuellen Analyse der Bundesbank zunehmend unter Druck. Branchen wie Maschinenbau, Chemie...

DWN
Immobilien
Immobilien Gebäudeenergiegesetz: Milliardenprojekt für 1,4 Billionen Euro – hohe Belastung, unklare Wirkung, politisches Chaos
14.07.2025

Die kommende Gebäudesanierung in Deutschland kostet laut Studie rund 1,4 Billionen Euro. Ziel ist eine Reduktion der CO₂-Emissionen im...

DWN
Politik
Politik EU plant 18. Sanktionspaket gegen Russland: Ölpreisobergrenze im Visier
14.07.2025

Die EU verschärft den Druck auf Moskau – mit einer neuen Preisgrenze für russisches Öl. Doch wirkt die Maßnahme überhaupt? Und was...

DWN
Technologie
Technologie Datenschutzstreit um DeepSeek: Deutschland will China-KI aus App-Stores verbannen
14.07.2025

Die chinesische KI-App DeepSeek steht in Deutschland unter Druck. Wegen schwerwiegender Datenschutzbedenken fordert die...

DWN
Finanzen
Finanzen S&P 500 unter Druck – Sommerkrise nicht ausgeschlossen
14.07.2025

Donald Trump droht mit neuen Zöllen, Analysten warnen vor einer Sommerkrise – und die Prognosen für den S&P 500 könnten nicht...

DWN
Politik
Politik Wenn der Staat lahmt: Warum die Demokratie leidet
14.07.2025

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warnt eindringlich vor den Folgen staatlicher Handlungsunfähigkeit. Ob kaputte Brücken,...

DWN
Politik
Politik Fluchtgrund Gewalt: Neue Angriffe in Syrien verstärken Ruf nach Schutz
14.07.2025

Trotz Versprechen auf nationale Einheit eskaliert in Syrien erneut die Gewalt. Im Süden des Landes kommt es zu schweren Zusammenstößen...

DWN
Finanzen
Finanzen Altersarmut nach 45 Beitragsjahren: Jeder Vierte bekommt weniger als 1300 Euro Rente
14.07.2025

Auch wer sein Leben lang gearbeitet hat, kann oft nicht von seiner Rente leben. Dabei gibt es enorme regionale Unterschiede und ein starkes...