Unternehmen

Arbeitsmarkt: „Null-Bock-Tage“ im Job? Auszeiten im Arbeitsalltag – ein Arbeitsmodell für Deutschland?

Der Krankenstand in Deutschland bleibt weiterhin auf einem hohen Niveau. Und das nicht ohne Grund: „Einfach mal durchatmen“ ist für viele im Job unmöglich. „Reset-Tage“ sollen jetzt Erholung ohne Urlaub oder Krankmeldung bringen, was in England schon praktiziert wird – in Deutschland bald auch? Wie Unternehmen vorbeugen und für Regeneration im Arbeitsalltag sorgen können.
24.12.2024 17:14
Aktualisiert: 01.01.2025 09:00
Lesezeit: 3 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
 Arbeitsmarkt: „Null-Bock-Tage“ im Job? Auszeiten im Arbeitsalltag – ein Arbeitsmodell für Deutschland?
„Null-Bock-Tage“: Zu Hause bleiben, ohne einen Urlaubstag zu nehmen oder sich krankmelden zu müssen? Diese Möglichkeit bieten manche Firmen bereits an. (Foto: dpa) Foto: Jose carlos Cerdeno

Die Beschäftigten in Deutschland melden sich immer öfter krank, kehren aber nach relativ kurzer Zeit wieder an ihren Arbeitsplatz zurück. Das ist ein Ergebnis des veröffentlichten Gesundheitsreports des BKK-Dachverbands im Dezember. Demnach sank die Zahl der Krankschreibungen im Jahr 2023 mit 22,4 Fehltagen pro Beschäftigtem zwar im Vergleich zum Vorjahr leicht. Trotzdem verharrt der Krankenstand aber weiterhin auf hohem Niveau. Zudem melden sich immer mehr Beschäftigte wegen psychischen Krankheiten oder Burnouts arbeitsunfähig.

Damit es gar nicht erst zu einer Überbelastung der Mitarbeiter kommt, beugen manche Unternehmen aus dem Big-Tech-Sektor vor und bieten ihren Mitarbeitern sogenannte „Reset-Tage“ an. Ob der guten Erfahrungen werden sie etwa in Großbritannien bereits als neues Arbeitsmodell diskutiert. Machen die „Null-Bock-Tage“ auch hierzulande Schule?

Arbeitstrend: „Null-Bock-Tage“ ohne Urlaub und Krankschreibung

Krank ist man noch nicht. Aber trotzdem fühlt man sich schlapp, ausgelaugt und hat heute wirklich keine Motivation, zu arbeiten. Also bleibt man zu Hause, bekommt aber trotzdem Geld. Sogenannte „Null-Bock-Tage“ oder „Reset Days“ erfahren insbesondere auf Social Media viel Aufmerksamkeit. Dahinter steckt ein Arbeitsmodell, bei dem Mitarbeitende die Möglichkeit haben sollen, sich spontan freizunehmen, wenn sie sich unmotiviert oder erschöpft fühlen, ohne dafür Urlaubstage nutzen oder eine Krankmeldung einreichen zu müssen. Laut der britischen Unternehmensberatung MTD werden diese „Null-Bock-Tage“ unter anderem bei IT-Firmen wie Microsoft und LinkedIn angeboten.

In deutschen Unternehmen wird sich das wohl kaum flächendeckend durchsetzen. Attraktiv scheint es aber dennoch. Denn die Alternative kennen wir vermutlich alle: Man rafft sich auf, setzt sich an den Arbeitsplatz, ist aber dennoch nicht bei der Sache und nur eingeschränkt produktiv. „Antriebslosigkeit führt oft zu Prokrastination – ein Zustand, der nicht nur die individuelle Leistung, sondern auch die Gesamteffizienz des Teams beeinträchtigt“, sagt Teresa Stockmeyer, Trainerin und Beraterin für Teamentwicklung.

Reset-Tage gegen hoher Krankenstand – ein Arbeitsmodell für Deutschland?

Untersuchungen würden zeigen, dass solche unsichtbaren Pausen erhebliche Kosten verursachen: „Fehlzeiten und verminderte Produktivität, die aus mentaler Erschöpfung oder mangelnder Motivation resultieren, gehen für Unternehmen oft unbemerkt in die Millionen“, so Stockmeyer.

Sie rät deshalb, mit Tagen zur Regeneration offen und planbar umzugehen. Erholung werde so gezielt gefördert und in der Organisation verankert, verdeckte Produktivitätseinbußen reduziert. „Mitarbeitende müssen ihre Erschöpfung weder vertuschen noch sich krankmelden, wenn sie eigentlich nur eine kurze Pause zur Aufladung benötigen“, so Stockmeyer.

Alternativen zur Regeneration im Arbeitsalltag

Die Beraterin hat konkrete Ideen, wie sich Auszeiten im Arbeitsalltag realistisch umsetzen lassen. 4 Impulse:

Idee 1: Zeitjoker-Tage

Die Idee: Mit den Zeitjoker-Tagen führt ein Unternehmen ein gesondertes Kontingent an Tagen ein, die nicht in Kombination mit regulären Urlaubstagen genommen werden können – sondern nur als einzelne oder maximal zwei zusammenhängende Tage. „Diese Tage können dann spontan und kurzfristig genommen werden, um durchzuatmen und aufzutanken“, so Stockmeyer.

Denkbar sei auch, eine gewisse Anzahl an halben Tagen zu vergeben, damit ein Arbeitstag später begonnen oder früher beendet werden kann. Solche Tage können Unternehmen zum Beispiel im Rahmen von Zeitkonten vergeben. Etwa, indem alle Beschäftigten jede Woche eine Stunde geschenkt bekommen. Wer acht Stunden gesammelt hat, kann sie für einen Zeitjoker-Tag nutzen.

Ein anderer Weg: Unternehmen nutzen die Tage, um Mitarbeitende zu belohnen, etwa, wenn sie wenig oder keine Fehlzeiten durch Krankheit hatten oder durch besondere Leistung aufgefallen sind.

Idee 2: Meetingfreie Zeiten im gesamten Unternehmen

Meeting, Meeting, Meeting: Sind Arbeitstage derart durchgetaktet, steigen Stress und Erschöpfung schnell an. Meetingfreie Zeiten, die unternehmensweit gelten, können diesem Effekt vorbeugen. Die Motivation bleibt konstanter, Null-Bock-Tage sind seltener.

Einige Unternehmen schränken laut Stockmeyer zusätzlich das Senden und Weiterleiten von E-Mails nach Feierabend und am Wochenende ein. Das könne man auch auf Messenger- und Chatdienste ausweiten.

Idee 3: Ich mache heute, worauf ich Lust habe

Den Quartals- oder Jahresabschluss bezwungen, ein Event erfolgreich über die Bühne gebracht, ein großes Projekt abgeschlossen: „Gerade nach großer Anspannung ist es wichtig, dass die Anspannung abfallen darf – und es ok ist, mal etwas unproduktiver zu sein“, sagt Teamexpertin Stockmeyer.

Dann sollte es das Angebot und die Offenheit geben, dass sich Beschäftigte ein paar Tage lang mit „leichtgewichtigen Aufgaben“ beschäftigen dürfen. Mails aufräumen, die Ablage sortieren, in die Recherche gehen etwa.

Auch Weiterbildung kann eine willkommene Abwechslung sein, so die Coachin. Fachartikel lesen, an einem Webinar teilnehmen oder Tutorials anschauen. Hier könnten Unternehmen ebenfalls ein Zeitkontingent zur Verfügung stellen, schlägt Stockmeyer vor – verknüpft mit der Aufforderung, Erfahrungen und Erkenntnisse im Rahmen eines kleinen Impulsvortrags mit dem Team zu teilen.

Idee 4: Spaziergang und Mittagsschlaf

Simpel, aber effektiv: Sei es ein Spaziergang oder ein Mittagsschlaf im Ruheraum oder Homeoffice: Beides helfe der Regeneration und beuge Antriebslosigkeit vor. Diese Idee könnte und sollte daher in Unternehmen viel offener angeboten und praktiziert werden, rät Stockmeyer.

Wir alle haben Tage, an denen wir angeschlagen sind oder die Motivation im Keller ist: Hilfreich ist es für beide Seiten, wenn Unternehmen darauf flexibel eingehen und Alternativen bieten, um einen hohen Krankheitsstand oder Mitarbeiterschwund vorzubeugen.

 

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

Mirell Bellmann

Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.

DWN
Finanzen
Finanzen Steuerlast: Wie Deutschland Durchschnittsverdiener abzockt und Spitzenverdiener entlastet
09.08.2025

Deutschland hat die zweithöchste Abgabenlast weltweit – aber nur für Normal- und Geringverdiener. Ein OECD-Vergleich zeigt, dass...

DWN
Technologie
Technologie Zwei Jahre für einen neuen Funkmast: Warum Deutschland beim Netzausbau hinten liegt
09.08.2025

Trotz hoher Netzabdeckung kämpfen Unternehmen hierzulande mit Funklöchern und hohen Kosten. Eine Ericsson-Studie zeigt, wie stark...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinas Milliardenpläne in der Arktis: Konkurrenz für Suez- und Panamakanal
09.08.2025

China und Russland treiben gemeinsam ein Milliardenprojekt in der Arktis voran, das den Suez- und Panamakanal umgehen könnte. Die...

DWN
Finanzen
Finanzen So werden Sie reich mit Autos: Warum Oldtimer besser sind als Aktien
09.08.2025

Oldtimer als Kapitalanlage? Zwei Autoprofis erklären, warum Klassiker und Supersportwagen echte Geldmaschinen sind – und welche Modelle...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Zölle treiben Afrika in Chinas Einflusszone
09.08.2025

Afrikas Exporte geraten ins Fadenkreuz von Trumps Zollhammer – doch für China öffnet sich ein geopolitisches Zeitfenster. Wie der...

DWN
Politik
Politik Haushaltsplan: Sondervermögen Infrastruktur – wohin fließt das Geld eigentlich?
09.08.2025

Nach viel Hin und Her haben sich Union und SPD auf einen Haushaltsplan 2025 und folgend bis 2029 geeinigt. Neben hohen Investitionen in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Umbau der US-Verteidigung stellt Milliardenprojekte infrage
09.08.2025

Donald Trump krempelt die US-Verteidigung radikal um: Alte Kampfjets werden verschrottet, Milliarden in neue Tarnkappenbomber investiert....

DWN
Politik
Politik 50 Jahre Abkommen von Helsinki – ein Pakt ohne Erbe
09.08.2025

Vor 50 Jahren versprach das Abkommen von Helsinki eine neue Weltordnung aus Kooperation und Respekt. Heute, im Zeitalter hybrider Kriege,...