Unternehmen

4 Tage Woche: Sind neue Arbeitszeitmodelle Rettung oder Untergang der deutschen Wirtschaft?

Lesezeit: 3 min
12.05.2024 10:30
Der Wunsch nach einer 4-Tage-Woche wird bei vielen Arbeitnehmern immer stärker - und das bei vollem Lohnausgleich. SPD-Chefin Saskia Esken und die Gewerkschaften machen sich für neue Arbeitszeitmodelle stark. Doch wer macht die Arbeit, wenn es immer weniger Fachkräfte gibt, die immer weniger arbeiten wollen? Union und FDP befürchten eine Verschärfung des Fachkräftemangels.
4 Tage Woche: Sind neue Arbeitszeitmodelle Rettung oder Untergang der deutschen Wirtschaft?
Trotz akutem Fachkräfte-Mangel wird der Wunsch nach weniger Arbeitszeit immer lauter (Foto: iStockphoto.com/DesignRage).
Foto: DesignRage

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Wird Deutschland zur Teilzeit-Republik?

Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA), der die Arbeiter 2023 aufrief, „mehr Bock auf Arbeit“ zu haben, sagt es kurz und bündig: „Die Arbeitszeit ist zu niedrig.“ Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck mahnt, wir können es uns „im Moment nicht leisten“, für weniger Arbeit zu werben und zu streiken.

Union und FDP setzen auf Steueranreize

Auch für Union und FDP ist klar: Die Deutschen müssen wieder mehr arbeiten. Finanzminister Christian Lindner möchte daher die „Arbeitsanreize“ verbessern. Und Oppositionschef Friedrich Merz hat da schon eine Idee: Steuerrabatte auf Überstunden.

Der Vorschlag sorgt nicht nur für Ärger in der Ampelregierung, denn die meisten Deutschen wollen lieber weniger arbeiten - und denken immer mehr über die Viertagewoche nach. Für den Bayreuther Ökonom David Stadelmann würden die Steuerrabatte genau dieses Risiko bürgen, denn grundsätzlich profitieren nur Vollzeitbeschäftigte von dem Modell. „Es gebe ansonsten Anreiz, in Teilzeitarbeit zu wechseln, um dann steuerbegünstigte Überstunden zu leisten.“

Kritik zur geforderten Mehrarbeit gibt es hingegen vom Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher. Er hält nichts von dieser Debatte. Es werde so viel gearbeitet wie noch nie. In Bezug auf steuerfreie Überstunden warnte er im Deutschlandfunk auch vor einem Rückfall ins traditionelle Familienmodell.

Gewerkschaftler wollen eine bessere Bezahlung

Teile der SPD und der grünen Partei setzen sich weiter gemeinsam mit der Gewerkschaft Ver.di für die 4-Tage-Woche und eine weitere Erhöhung des Mindestlohns ein. Das gemeinsame Ziel: Anstatt 12,41 Euro soll es bald 15 Euro pro Stunde geben.

Sind weniger Arbeitszeit bei gleichem Gehalt volkswirtschaftlich überhaupt machbar? Für viele große Unternehmen, wie Siemens, sind die Forderungen auf Grund der schnell alternden Gesellschaft und dem herrschendem Fachkräftemangel eine völlig falsch geführte Debatte zur falschen Zeit. Dennoch werden die Forderungen nach weniger Arbeitszeit immer lauter. Laut einer Umfrage der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung wünschen sich sogar 81 Prozent eine Vier-Tage-Woche. Mit 73 Prozent der Befragten will das eine deutliche Mehrheit jedoch nur bei gleichem Lohn.

IW-Studie: Vor allem Jüngere wollen weniger und anders arbeiten

Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) ist alarmiert. Laut einer aktuellen IW-Studie wollen Menschen in Deutschland immer weniger arbeiten. Demnach wünschten sich Frauen unter 25 Jahren bei der Befragung 2021 eine Wochenarbeitszeit von 33 Stunden, im Jahr 2007 waren es noch 37 Wochenstunden. Männer zwischen 26 und 40 Jahren gaben im Jahr 2007 noch an, fast 40 Stunden arbeiten zu wollen, 2021 waren es der Studie zufolge im Schnitt noch 36 Stunden.

Das Institut (IW) erklärt, dass Deutschland es sich nicht leisten könne, die Arbeitszeit zu verkürzen. „Diese Entwicklung gefährdet unseren Wohlstand, denn Deutschland altert enorm“, warnte Holger Schäfer vom IW in einer Mitteilung.

Die Vier-Tage-Woche, ein Lieblings-Modell der jüngeren Generation, bald für alle?

Eine 4-Tage-Woche ohne Lohnausgleich ist für viele Angestellte möglich, das nennt sich einfach "Teilzeit". Damit sind Einschnitte in Bezug auf das Gehalt und später die Rentenhöhe verbunden. Meist ist jedoch das Modell 100-80-100 gemeint, wenn von der 4-Tage-Woche gesprochen wird: 100 Prozent Leistung in 80 Prozent der Zeit - und nur dann gibt es auch 100 Prozent Gehalt.

Führt dieses Modell jedoch zu einer Verdichtung der Arbeit, könnte die Gesundheit der Mitarbeitenden leiden. Viele klagen schon jetzt über zu viel Stress am Arbeitsplatz. Deshalb prüfen Unternehmen, wie sie ihre Strukturen verschlanken, Prozesse vereinfachen und die Arbeitszeit flexibler gestalten können. So hat zum Beispiel die Ekruth-Werbetechnik-Firma aus Dissen (NDS) 2023 die viertägige Arbeitswoche bereits 2023 erfolgreich eingeführt. Nach Angaben der Handwerkskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim war die Firma damit das erste Handwerksunternehmen in der Region, das auf dieses neue Arbeitszeitmodell setzte.

Firmenchef Björn Ekruth und seine Frau ziehen nach etwas mehr als einem Jahr ein positives Fazit. Außerdem läuft aktuell ein erstes Pilotprojekt mit 45 deutschen Unternehmen zur 4-Tage-Woche. DWN wird darüber berichten.

Es scheint, dass Fachkräftemangel, demografischer Wandel und künstliche Intelligenz langsam eine neue Ära in der Arbeitswelt einläuten.

 

                                                                            ***

Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.


Mehr zum Thema:  

 

DWN
Finanzen
Finanzen Boom-Segment aktive ETFs: BlackRock startet fünf neue Fonds
07.09.2024

Blackrocks ETF-Tochter iShares erweitert ihr Angebot in Europa um fünf neue aktive ETFs. Ziel der Fonds ist es, Anlegern kostengünstige...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Flexible Arbeitszeiten: Sind Vollzeitjobs ein Auslaufmodell?
07.09.2024

Eine repräsentative Befragung der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass nur noch eine Minderheit eine Stelle mit festen Arbeitszeiten...

DWN
Finanzen
Finanzen Derivate Erklärung: So funktionieren Zertifikate, CFDs und Optionsscheine
07.09.2024

Derivate wie Futures, Optionen, Zertifikate, Optionsscheine, Swaps und CFDs sind heftig umstritten. Einige sehen darin notwendige...

DWN
Technologie
Technologie Wasserstoffprojekt in Namibia könnte KZ-Gedenkstätte gefährden
07.09.2024

Deutschland unterstützt ein Großprojekt zur Herstellung von grünem Wasserstoff in Lüderitz. An diesem Ort befand sich einst das erste...

DWN
Immobilien
Immobilien Tag des offenen Denkmals: 7 ungewöhnliche Monumente in Deutschland
07.09.2024

Ob Schloss Neuschwanstein oder Siegessäule: Viele Denkmäler in Deutschland sind international bekannt. Hier werfen wir einen Blick auf...

DWN
Technologie
Technologie Stromerzeugung aus Windkraft: Die Dynamik nimmt ab
07.09.2024

Im vergangenen Jahr war Windkraft erstmals die Hauptquelle der hiesigen Stromerzeugung, weit vor Kohle. Doch in diesem Jahr ist eine...

DWN
Politik
Politik Trump-Erfolg im Schweigegeld-Prozess: Urteil erst nach US-Wahl
07.09.2024

Im New Yorker Prozess wegen Schweigegeldzahlungen von Ex-Präsident Donald Trump wird das Strafmaß erst nach der Präsidentschaftswahl...

DWN
Panorama
Panorama Studie: Ungesunde Ernährung bereits bei Kleinkindern weit verbreitet
07.09.2024

Laut einer aktuellen Studie ernähren sich bereits Kleinkinder zu süß und ungesund. Wie das Max Rubner-Institut (MRI) in Karlsruhe, ein...