Unternehmen

Baywa vereinbart Rettungsplan - erste große Schritte

Im Sommer geriet Deutschlands führender Agrarhändler an den Rand der Zahlungsunfähigkeit. Preis der Rettung sind die Schrumpfung und der Verlust vieler Arbeitsplätze.
29.12.2024 12:28
Aktualisiert: 29.12.2024 12:28
Lesezeit: 3 min

Beim hoch verschuldeten Münchner Mischkonzern Baywa stehen die ersten großen Schritte zur erhofften finanziellen Gesundung bevor: Das Unternehmen hat sich mit den wichtigsten Gläubigerbanken und den beiden Hauptaktionären auf den Fahrplan zur Sanierung bis zum Jahr 2027 geeinigt, wie der Vorstand am Wochenende mitteilte.

Die Sanierungsvereinbarung soll demnach bis spätestens Ende April 2025 rechtsverbindlich abgeschlossen sein, einschließlich einer Neuordnung der Finanzierung. Der Konzern war Ende des dritten Quartals mit knapp 5,3 Milliarden Euro bei seinen Gläubigerbanken verschuldet, Erblast einer rapiden Expansion auf Pump im vergangenen Jahrzehnt.

Kapitalerhöhung über 150 Millionen Euro

Die aus der Genossenschaftsbewegung hervorgegangene Baywa ist der größte deutsche Agrarhändler. Der Konzern spielt eine wichtige Rolle für die Landwirtschaft und Lebensmittelversorgung im Süden und Osten Deutschlands. Außerdem ist das 101 Jahre alte Unternehmen in den Geschäftsbereichen Bau und Energie als Dienstleister und Händler tätig.

Ein Bestandteil des Sanierungskonzepts ist die Ausgabe neuer Aktien. Die Barkapitalerhöhung mit Bezugsrecht für die bisherigen Baywa-Aktionäre soll dem Unternehmen 150 Millionen Euro einbringen. Die Einzelheiten sollen im ersten Quartal 2025 festgelegt werden. In den ersten neun Monaten dieses Jahres schrieb der Konzern fast 641 Millionen Euro Nettoverlust.

Große Unternehmensbeteiligung in Österreich wird verkauft

Es beginnt auch die erwartete Verkleinerung der Baywa: Bis Ende März will das Unternehmen seinen knapp 48-prozentigen Anteil an der Raiffeisen Ware Austria (RWA) für 176 Millionen Euro verkaufen, dem österreichischen Pendant der Baywa. Bisher sind die Unternehmen in einer verschachtelten Konstruktion über Kreuz aneinander beteiligt.

Der Baywa-Anteil an der RWA soll nun nach Österreich zurückgehen und von einem Verbundunternehmen der Vermögensverwaltung der RWA-Gruppe übernommen werden. Der dazugehörige Vertrag ist demnach bereits unterschrieben, die kartellrechtliche Genehmigung steht aber noch aus.

Ökostrombeteiligung könnte ebenfalls schrumpfen

Ebenfalls zur Disposition steht die Mehrheitsbeteiligung an einer Gesellschaft, die sich zum größten Klotz am Bein des Konzerns entwickelt hat: die auf Planung und Bau von Solar- und Windkraftanlagen spezialisierte Baywa r.e..

Ausweislich einer Investorenpräsentation hätte der Konzern ohne das Ökostromgeschäft in den ersten neun Monaten sogar noch ein positives Ergebnis vor Steuern und Zinsen erwirtschaftet.

Der Muttergesellschaft Baywa AG gehören 51 Prozent der Baywa r.e., Minderheitsgesellschafterin ist die Schweizer Investmentgesellschaft Energy Infrastructure Partners (EIP).

Die Gesellschafter der Baywa r.e. befänden sich in fortgeschrittenen, aber noch nicht abgeschlossenen Gesprächen über eine weitere Kapitalstärkung, "die zu einem Kontrollwechsel zu Gunsten von EIP" führen könnte, machte der Konzern in einer ergänzenden Mitteilung publik. §Die Parteien verhandeln ergebnisoffen weiter und streben eine Vereinbarung im Laufe des ersten Quartals 2025 an."

Stellenabbau und Verkäufe

Die Baywa hatte Anfang Dezember angekündigt, wesentliche Beteiligungen verkaufen zu wollen. Die wichtigsten Beteiligungen neben Baywa r.e. und RWA sind der neuseeländische Apfelproduzent Turners & Growers und die niederländische Agrarhandelsgruppe Cefetra. Zur Zukunft dieser beiden Beteiligungen machte die Baywa am Wochenende aber noch keine Angaben.

Konzern hat sich übernommen

Das Ökostromgeschäft und die Beteiligungen an Cefetra und T&G hatte die Baywa erst im Laufe des vergangenen Jahrzehnts unter der Ägide des früheren Vorstandschefs Klaus Josef Lutz - heute Präsident des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK) - aufgebaut beziehungsweise gekauft. Die Schulden aus dieser kreditfinanzierten Expansion haben sich zum Mühlstein für das Unternehmen entwickelt.

Im September 2025 wäre nach den ursprünglichen Vereinbarungen mit den Gläubigerbanken ein Konsortialkredit mit einem Rahmen von bis zu zwei Milliarden Euro fällig geworden. Abgesehen davon führte der vom Management nicht erwartete rapide Anstieg der Kreditzinsen seit 2022 zu einer Verdreifachung der jährlich fälligen Zinszahlungen.

Bis spätestens Ende April sollen neue Finanzierungsverträge für die Zeit bis zur erhofften finanziellen Gesundung im Jahr 2027 abgeschlossen werden. Laut Baywa unterstützen «nahezu alle der rund 300 Finanzgläubiger» die Sanierungsbemühungen.

Die Belegschaft zahlt den Preis

Preis der missglückten Expansionsstrategie ist aber keineswegs nur die geplante Verkleinerung des Konzerns: Anfang Dezember kündigte die Baywa Stellenabbau in großem Maßstab an. Von den 8.000 Vollzeitstellen der Muttergesellschaft Baywa AG sollen 1.300 gestrichen werden, das entspricht 16 Prozent der Vollzeit-Arbeitsplätze des Konzerns in Deutschland.

Weltweit beschäftigt die in 60 Ländern vertretene Baywa über 23.000 Menschen. Auch die Auslandsbelegschaft wird wegen der angekündigten Verkäufe von Unternehmensteilen schrumpfen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Führungswechsel bei Novo Nordisk: Hoffnungsträger unter Druck
30.07.2025

Novo Nordisk stellt die Spitze neu auf – mit Mike Doustdar übernimmt ein Mann mit Konzernkenntnis, aber vor allem mit enormer...

DWN
Technologie
Technologie Solaranlage auf dem Dach: Warum viele Betreiber kein Geld sehen
30.07.2025

Strom erzeugen und dafür kassieren – das ist die Idee hinter privaten Solaranlagen. Doch wer heute in Deutschland einspeist, muss...

DWN
Politik
Politik Waren die EU-Zusagen von Ursula von der Leyen an Trump leere Versprechen?
30.07.2025

Die EU hat den USA unter Trump Investitionen und Energieimporte in Billionenhöhe versprochen. Doch in Brüssel wächst der Zweifel: Die...

DWN
Panorama
Panorama Deutsche Bahn, Solarstrom, KI: Was sich im August ändert
30.07.2025

Der August bringt spürbare Veränderungen – auf der Schiene, beim Strompreis, im Umgang mit KI. Für Millionen Menschen heißt das: neue...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Regenwetter drückt Umsätze – wie Gastronomen jetzt reagieren sollten
30.07.2025

Der Sommer 2025 hat vielen Gastronomen einen Strich durch die Rechnung gemacht: Statt voller Biergärten und spontaner Hotelbuchungen gab...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Adidas-Aktie: Keine Preiserhöhung wegen Zöllen außerhalb der USA
30.07.2025

Trotz wachsender Unsicherheit durch US-Zölle liefert Adidas starke Halbjahreszahlen – und verzichtet bewusst auf Preiserhöhungen...

DWN
Finanzen
Finanzen Verlockung Bitcoin-Kurs: Doch das Misstrauen wächst mit dem Hype
30.07.2025

Donald Trump will Bitcoin zur Staatsstrategie machen, institutionelle Anleger kaufen in Milliardenhöhe, und der Bitcoin-Kurs...

DWN
Technologie
Technologie GenAI: Wie Unternehmen generative KI sicher einführen können
30.07.2025

Generative Künstliche Intelligenz (GenAI) verspricht höhere Effizienz und geringere Kosten – doch eine unbedachte Einführung kann...