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Intel-Fabrik in Sachsen-Anhalt kommt später – oder gar nicht mehr? Magdeburg im Warte-Modus

Intels Chipfabrik in Magdeburg sollte die größte Firmenansiedlung in der Geschichte der Bundesrepublik werden. Jetzt liegen die Pläne auf Eis. Ausgang ungewiss. Mit welchen negativen Auswirkungen die Landeshauptstadt jetzt kämpft.
16.01.2025 17:53
Aktualisiert: 17.01.2025 07:53
Lesezeit: 4 min

Vor fast drei Jahren wurde pompös, mit Drohnenflug über die Magdeburger Innenstadt und Videostatements von Spitzenpolitikern wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die größte Ansiedlung eines ausländischen Unternehmens in Deutschland bekanntgegeben. Magdeburg, die Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt, war im Intel-Fieber: „Happy to be in Magdeburg“, stand als Slogan von Intel auf den Stadionbanden bei Fußballzweitligist 1. FC Magdeburg und auf einem riesigen Mistelzweig als Weihnachtsdeko in der Innenstadt.

Intel verschiebt Bau von Chipfabrik in Magdeburg

Die Sprüche sind inzwischen verschwunden. Die Euphorie auch. Das Team, das die Ansiedlung begleiten sollte, ist es ebenfalls. Mitarbeiter haben Abfindungsangebote des US-Chipherstellers angenommen oder sind in andere Abteilungen des Unternehmens gewechselt, nachdem Intel Mitte September bekanntgegeben hatte, den geplanten Bau mehrerer Giga-Chip-Fabriken in Magdeburg um zwei Jahre zu verschieben und weltweit etwa 15.000 Stellen streichen zu wollen. Aus Mitarbeiterkreisen heißt es dazu: „Bei Intel gibt es nur null oder eins.“ Wie bei Computern: an oder aus. Für die Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt gilt der Zustand nicht. Die Stadt hat ein Problem.

Magdeburg wegen Intel-Pause im Dilemma

„Derzeit müssen wir Unternehmen absagen, die sich gern in Magdeburg ansiedeln möchte“, sagt die Wirtschaftsbeigeordnete der Stadt, Sandra-Yvonne Stieger. Insgesamt habe es rund 30 Anfragen anderer Unternehmen mit Bezug auf Intel gegeben, 27 weitere Anfragen seien es ohne Intel-Bezug gewesen in den vergangenen zwei Jahren. Aber die Stadt habe keine größeren Gewerbeflächen mehr. Das Filetstück, das Industriegebiet „Eulenberg“ – mit 380 Hektar Fläche größer als Monaco und der Vatikanstaat zusammen – wurde an Intel verkauft. Archäologen rückten bereits an und die ersten Bagger für die Zufahrt zum Gelände. Aber Mitte September drückte Intel die Pause-Taste.

Dabei haben sich viele Bereiche der Stadt schon auf die Intel-Ansiedlung eingestellt. Es soll ein Welcome-Center geben, Wohnungen, neue Kitas und Schulen, ein neuer Studiengang an der Universität wurde entwickelt. Gespräche mit Zulieferern weltweit geführt, die sich im Umfeld ansiedeln sollen. Die Stadt hat zwar ein Vorkaufsrecht auf den Rückkauf der Fläche, aber das Gebiet gehört Intel.

Bekanntgabe im März 2022

Lange wurde an der Intel-Ansiedlung in Magdeburg gefeilt. Das Projekt ist zunächst streng geheim. Nur wenige wissen im Rathaus von Magdeburg Bescheid. In internen E-Mails im Rathaus heißt es damals deshalb nur: Projekt Steuben. Wie der preußische General, der 1777 nach Amerika ging und der Armee von George Washington Disziplin beibrachte. In New York wird jedes Jahr mit der Steuben-Parade an ihn erinnert. In seiner Heimatstadt Magdeburg steht ein Denkmal. Ein passender Name für so ein Projekt findet man in der Stadtverwaltung. Auch bei Intel in den USA hat das Projekt ein eigenes Codewort: Dragonfly – Libelle.

Im März 2022, knapp ein Jahr nach dem ersten Kontakt, geben Intel und die Stadt schließlich den Bau der Fabriken offiziell bekannt. 30 Milliarden Euro sollen investiert werden, die Bundesregierung soll zehn Milliarden Euro dazu geben. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht von der größten ausländischen Direktinvestition der deutschen Geschichte. „Mit dieser Investition schließen wir technologisch zur Weltspitze au“, betont er damals.

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen (CDU) sah seinerzeit die Ansiedlung als ersten Schritt im Rahmen des EU-Chips-Act. Bis 2030 sollen 20 Prozent der weltweiten Mikrochips in Europa produziert werden. Aber im September 2024 verkündet Intel die Verschiebung der Ansiedlung – und zuvor eine riesige Sparwelle. Auch Intel-Chef Pat Gelsinger, der die Ansiedlung in Europa maßgeblich vorantrieb, ist nicht mehr im Unternehmen.

Negative Auswirkungen auf Universität, Arbeitsagentur, Städtebau

Eng in die Intel-Ansiedlung eingebunden war auch die Regionaldirektion der Arbeitsagentur. „Wir haben jetzt erst einmal die Stand-by-Taste für zwei Jahre gedrückt“, sagt der Chef der Regionaldirektion, Michael Behrens. „Wir haben mit der Ausbildung im Bereich der Mikrotechnologie begonnen, das läuft erstmal weiter, aber wir werden sicherlich nicht im nächsten Jahr weitere Auszubildende beginnen lassen.“ Wegen der Intel-Ansiedlung hatte die Behörde laut einem alten MDR-Bericht zum Beispiel ermöglicht, gelernte Mechatroniker zu Mikrotechnologen umzuschulen. Auch im Bereich der Qualifizierung werde man erst einmal nicht einsteigen, weil es den Bedarf zunächst nicht gebe. „Aber wir gehen davon aus, dass es auf dem Gelände um Intel herum weitere Investitionen und Investoren gibt.“

Für die Universität hat es vor allem finanzielle Auswirkungen. Intel habe für den Aus- und Aufbau der Studienangebote und der Reinraumstrukturen finanzielle Mittel zugesagt, die jetzt wegfielen, sagte Universitätssprecherin Katharina Vorwerk. Dennoch würden die Bemühungen in Richtung der Mikrotechnologie grundsätzlich fortgesetzt: „Weil die Uni Magdeburg im Bereich der Halbleiter, ob mit Intel oder ohne, ein zukunftsträchtiges Feld sieht.“ Die Hochschule ist inzwischen Teil eines bundesweiten Verbundprojekts für ein Halbleiter-Netzwerk.

Ausblick: Manche Planungen laufen weiter

Auf die weiteren Entwicklungen setzt auch Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU). Der geplante Hightech-Park mit Intel als Kern soll trotz der Pause weiter entwickelt werden. „Wir haben nicht vor, zwei Jahre lang zu warten.“ Man hoffe weiter auf Intel, sei aber im internationalen Wettbewerb. Die Flächen des Hightech-Parks würden daher auf Messen weiter angeboten.

Entsprechend gehen auch die Planungen für die Wasserversorgung für das Industriegebiet weiter. Diese werde unabhängig von der Intel-Ansiedlung fortgesetzt, teilte die Trinkwasserversorgung Magdeburg (TWM) mit. Und auch der Wohnungsmarkt in der Landeshauptstadt entwickelt sich weiter. Im Süden von Magdeburg plant ein türkischer Investor den Bau von rund 2.000 Wohnungen. Daran werde auch festgehalten, teilte Projektleiter Christian Müller-Hagen mit. Die Standortbewertung sei bereits vor Intel durchgeführt worden, insofern ändere sich jetzt nichts.

Für alles andere heißt es warten. Abzuwarten bleibt auch, welchen Einfluss die Präsidentschaft von Donald Trump in den USA auf die weitere Entwicklung hat.

OB Borris glaubt weiter an Intel-Ansiedlung

Magdeburgs Oberbürgermeisterin Simone Borris geht davon aus, dass der US-Chiphersteller Intel weiter an Plänen für Fabriken in Magdeburg festhält. „Mein Eindruck ist, dass Intel das Projekt in Magdeburg noch nicht aufgegeben hat“, sagte Borris im Interview mit der Magdeburger Volksstimme. „Die Botschaft ist, dass sie den Standort nicht aufgeben, sondern schauen, wie ihre wirtschaftliche Entwicklung in den USA vorangeht“, so die parteilose Borris weiter. Intel brauche Zeit, um sich zu sanieren.

Borris betonte im Interview aber, dass sie sich nicht wünsche, zwei Jahre lang auf die Entscheidung Intels warten zu müssen. „Nicht zuletzt brauchen wir ja auch Gewerbesteuereinnahmen, die für die Entwicklung der Stadt enorm wichtig sind.“ Würde sich Intel doch zurückziehen, habe sie Hoffnung auf einen anderen Großinvestor.

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