Verbraucher wählen die dreisteste Mogelpackung: Granini Trinkgenuss Orange
Verbraucher fühlen sich getäuscht: Der "Granini Trinkgenuss Orange" wurde von der Verbraucherzentrale Hamburg zur "Mogelpackung des Jahres 2024" gekürt. In einer Online-Abstimmung stimmten mehr als 32.000 Konsumenten über fünf nominierte Produkte ab. Fast die Hälfte der Stimmen (48,4 Prozent) entfielen auf den Granini-Saft. Der Grund für den Ärger: Die Rezeptur des beliebten Fruchtsafts wurde im Frühjahr 2024 geändert, wodurch sich der Orangensaftanteil pro Flasche halbierte. Der Preis jedoch blieb unverändert.
Besonders empörend für Verbraucher: Die Veränderung wurde nicht klar gekennzeichnet. Zwar fehlt inzwischen die Angabe "100 Prozent Fruchtsaft" auf dem Etikett, doch eine transparente Kennzeichnung mit "50 Prozent Fruchtsaft" sucht man vergeblich. Die Flasche sieht der bisherigen Version fast identisch, was die Kunden im Glauben lässt, dass es sich um das gleiche Produkt handelt. Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg kritisiert: "Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben Eckes-Granini zu Recht einen Denkzettel verpasst. Der Anbieter hat seinen hundertprozentigen Orangensaft gestreckt und auch noch versucht, dies zu vertuschen."
Mogelpackung: Granini-Hersteller verteidigt sich mit Rohstoffpreisen
Eckes-Granini rechtfertigt die Rezepturänderung mit den gestiegenen Rohstoffpreisen. In einer Stellungnahme heißt es, dass eine Kombination aus einer geringeren Ernte und einer steigenden Nachfrage die Preise für Orangensaftkonzentrat drastisch erhöht habe. Um den Preis stabil zu halten, habe man daher auf Orangennektar mit nur noch 50 Prozent Fruchtgehalt umgestellt.
Auch die Verbraucherzentrale bestätigt, dass Ernteausfälle durch den Klimawandel sowie eine Pflanzenkrankheit bei Orangenbäumen die Rohstoffpreise steigen ließen. Doch statt Shrinkflation und Skimpflation sei mehr Transparenz gefordert. Valet fordert: "Wir brauchen mehr Preisklarheit und -wahrheit!"
Shrinkflation und Skimpflation: Wie Hersteller tricksen
Shrinkflation bedeutet, dass die Füllmenge eines Produkts reduziert wird, während der Preis gleich bleibt. Skimpflation hingegen beschreibt eine Verschlechterung der Produktqualität, indem wertvolle Zutaten durch günstigere ersetzt werden.
Neben dem "Granini Trinkgenuss Orange" schafften es vier weitere Produkte in die Negativliste der Verbraucherzentrale Hamburg:
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Platz 2: Lebensbaum Tomaten-Gewürzsalz – Die Packungsgröße sank von 150 auf 80 Gramm, der Preis stieg um einen Euro.
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Platz 3: Cremissimo Bourbon Vanille von Unilever – Die Packung schrumpfte von 1.300 auf 900 Milliliter bei gleichem Preis.
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Platz 4: Dove Duschcreme – Unilever bewarb das Produkt als "neu", obwohl die Inhaltsstoffe fast identisch blieben, jedoch mit weniger Inhalt und höherem Preis.
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Platz 5: Biscotto Waffelblättchen von Aldi – Die Packungsgröße wurde halbiert, der Preis blieb gleich.
Konsumenten zahlen bei Mogelpackungen versteckte Preiserhöhungen
Die Verbraucherschützer warnen vor immer raffinierteren Tricks der Hersteller. Shrinkflation betrifft alle Produktkategorien, von Lebensmitteln über Kosmetik bis hin zu Haushaltsprodukten. Beispiele sind der "Lays Bugles Paprika Style Mais-Snack", dessen Füllmenge von 95 auf 75 Gramm schrumpfte, oder die "Listerine Total Care"-Mundspülung, deren Inhalt von 600 auf 500 Milliliter sank – bei gleichzeitig erhöhtem Preis.
Laut einer aktuellen Studie empfinden 81 Prozent der Verbraucher versteckte Preiserhöhungen als bewusste Täuschung. Vor allem Markenhersteller profitieren von der Strategie, da sie Preisschwellen psychologisch geschickt umgehen. "Viele Kunden wollen nicht mehr als 1,99 Euro für ein Produkt zahlen. Statt den Preis sichtbar zu erhöhen, reduzieren Hersteller einfach den Inhalt", erklärt Ina Bockholt von Stiftung Warentest.
Forderung nach klaren Kennzeichnungspflichten
Die Verbraucherzentrale fordert gesetzliche Regelungen für eine bessere Kennzeichnung von Mogelpackungen. In anderen Ländern gibt es bereits entsprechende Vorschriften. In Ungarn und Frankreich müssen Supermärkte solche Produkte mit einem Hinweis versehen, in Brasilien sind sogar Warnhinweise auf den Verpackungen Pflicht.
Die Verbraucherschützer setzen sich für folgende Maßnahmen ein:
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Hersteller sollen Verpackungen bis zum Rand befüllen, um unnötigen Verpackungsmüll zu vermeiden.
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Eine Kennzeichnung der alten und neuen Füllmenge auf der Verpackung soll verpflichtend werden.
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Falls der Inhalt verringert wird, muss auch die Verpackung verkleinert werden.
Bisher gibt es in Deutschland jedoch kaum gesetzliche Vorgaben, um Mogelpackungen einzudämmen. Ein 2023 erarbeitetes Eckpunktepapier des Bundesministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz liegt noch immer ungenutzt in der Schublade.
Verbraucherinteresse an Mogelpackungen bleibt hoch
Das Interesse am Thema "Mogelpackung des Jahres" ist so groß wie nie zuvor. Die Teilnehmerzahl an der Abstimmung stieg um 50 Prozent gegenüber 2023. Gleichzeitig ist die Anzahl der von der Verbraucherzentrale entdeckten Mogelpackungen leicht gesunken: 2024 wurden 67 Produkte als Mogelpackung eingestuft, im Vorjahr waren es noch 104. Doch die Preiserhöhungen fielen drastischer aus. Während sie 2023 durchschnittlich 23,5 Prozent betrugen, stiegen sie 2024 auf 31,5 Prozent.
Der Negativpreis "Mogelpackung des Jahres" zeigt deutlich: Verbraucher wollen sich nicht länger täuschen lassen. Doch ohne gesetzliche Änderungen dürften Hersteller weiterhin versuchen, versteckte Preiserhöhungen durchzusetzen – auf Kosten der Konsumenten.