Ein aus bestimmten Stammzellen entwickeltes „Stammzell-Herzpflaster“ könnte Patienten mit schwerer Herzschwäche eine neue Hoffnung bieten. Dies geht aus einem Machbarkeitsnachweis hervor, der im Fachmagazin „Nature“ veröffentlicht wurde und den Ansatz unter der Leitung der Uniklinik Göttingen erstmals am Menschen testete. Den Forschenden zufolge könnten rund 200.000 Menschen in Deutschland von dieser innovativen Stammzell-Therapie profitieren.
Herzschwäche betrifft Millionen in Deutschland
Herzschwäche, auch als Herzinsuffizienz bekannt, betrifft in Deutschland etwa zwei Millionen Menschen. Dabei verliert das Herz zunehmend an Pumpleistung, häufig verursacht durch Erkrankungen wie koronare Herzkrankheit, Bluthochdruck oder Herzmuskelentzündungen. Zu den typischen Symptomen gehören geringe Leistungsfähigkeit und Atemnot. Derzeit kommen Medikamente sowie Empfehlungen zu regelmäßiger Bewegung und gesunder Ernährung zum Einsatz.
Herzmuskelgewebe aus Stammzellen gezüchtet
Ein neuer Therapieansatz für Menschen mit schwerer Herzschwäche wurde nun von dem Team um Wolfram-Hubertus Zimmermann vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie an der Uniklinik Göttingen entwickelt. Dieser basiert auf der Umwandlung von Körperzellen in induzierte pluripotente Stammzellen (iPS), die sich in verschiedene Zelltypen, einschließlich Herzmuskelzellen, differenzieren können.
Für das „Stammzell-Herzpflaster“ wird aus diesen iPS-Zellen Herzmuskelgewebe erzeugt, das sowohl Herzmuskel- als auch Bindegewebszellen enthält. Der Prozess dauert etwa drei Monate. Das Implantat, das eine Fläche von etwa 100 Quadratzentimetern hat, wird auf den geschwächten Herzmuskel aufgebracht, um dessen Pumpleistung zu steigern.
Erste Tests an Tieren erfolgreich
Zuerst wurde das „Stammzell-Herzpflaster“ an Ratten und Rhesusaffen getestet. Diese Versuche, die über einen Zeitraum von drei bis sechs Monaten liefen, zeigten, dass die Implantate mit 40 bis 200 Millionen Herzzellen die Herzfunktion signifikant verbesserten. „Wir konnten im Tiermodell nachweisen, dass die Implantation von Stammzell-Herzpflastern die Reparatur des Herzmuskels bei Herzinsuffizienz ermöglicht“, wird Zimmermann zitiert. Nach diesen vielversprechenden Ergebnissen genehmigte das Paul-Ehrlich-Institut den weltweit ersten Test des „Pflasters“ am Menschen.
Steigerung der Herzfunktion durch Implantat
In „Nature“ wird von einer 46-jährigen Patientin berichtet, die an einer fortgeschrittenen Herzschwäche leidet und zusätzlich an Typ-2-Diabetes sowie Bluthochdruck erkrankt ist. Nach einem Herzinfarkt im Jahr 2016 entwickelte sie eine Herzinsuffizienz und erhielt im Sommer 2021 ein „Stammzell-Herzpflaster“ mit 400 Millionen Herzzellen implantiert. Als sie sich im folgenden Oktober einer Herztransplantation unterzog, wurde ihr Herz mit dem Implantat untersucht. Bereits nach drei Monaten war die Pumpleistung der linken Herzkammer von 35 auf 39 Prozent gestiegen, während der Normalwert bei etwa 60 Prozent liegt.
„Diese Ergebnisse zeigen erstmals, dass eine Reparatur des Herzmuskels durch Wiederaufbau auch beim Menschen möglich ist“, sagt Zimmermann. Auf Grundlage dieser Resultate wurde die Dosis des Implantats auf 800 Millionen Herzzellen erhöht.
Erweiterung der klinischen Studie
Die klinische Studie wurde inzwischen auf weitere Patienten ausgeweitet. Laut der Uniklinik haben bereits 15 Personen das „Stammzell-Herzpflaster“ erhalten. Insgesamt sollen 53 Menschen behandelt werden, und erste klinische Ergebnisse werden bis Ende 2025 erwartet.
Das Implantat soll den Patienten helfen, die Zeit bis zu einer möglichen Herztransplantation zu überbrücken, als Alternative zu mechanischen Pumpen. Zimmermann kann sich jedoch auch eine dauerhafte Anwendung des Pflasters vorstellen. Trotz der Notwendigkeit, nach dem Eingriff lebenslang Immunsuppressiva zu nehmen, sieht er keine Hinweise auf größere Nebenwirkungen oder ein erhöhtes Tumorrisiko. Bisherige Nachbeobachtungen reichen bis zu vier Jahre.
200.000 Menschen in Deutschland könnten profitieren
Laut Zimmermann könnte etwa jeder zehnte Patient mit Herzinsuffizienz von der Stammzell-Therapie profitieren, was in Deutschland etwa 200.000 Menschen entspricht. Derzeit wird eine Zulassungsstudie vorbereitet, die möglicherweise bereits 2026 starten könnte. Zudem wird eine Ausnahmegenehmigung beantragt, die es ermöglichen würde, Patienten auch vor der offiziellen Zulassung zu behandeln.
Zukünftig könnten auch andere Erkrankungen wie Parkinson, Typ-1-Diabetes oder Netzhauterkrankungen von solchen Stammzell-Therapien profitieren.