Politik

Trump-Migrationskurs: Furcht und Unsicherheit in Mexiko

Menschen, die nach langer Flucht endlich an der Schwelle zu den USA stehen, treffen auf verschlossene Grenzen. Zugleich setzt Trump auf medienwirksam inszenierte Abschiebungen.
01.02.2025 11:00
Lesezeit: 3 min
Trump-Migrationskurs: Furcht und Unsicherheit in Mexiko
MexiKo: Ein Lastwagen der Grenzpolizei fährt entlang der Grenzmauer (Foto: dpa). Foto: Andres Leighton

In der mexikanischen Stadt Ciudad Juárez, direkt am Grenzfluss zwischen Mexiko und den USA, errichten Arbeiter in einem Aufnahmezentrum Etagenbetten für 2.500 Menschen. Auf dem staubigen Boden des Geländes stehen 13 große weiße Zelte, die für abgeschobene Migranten vorgesehen sind. Dahinter erhebt sich der rostbraune Grenzzaun, der Mexiko von den USA trennt.

Erhöhte Anspannung: Das ist die vorherrschende Stimmung auf der mexikanischen Seite, während die von US-Präsident Donald Trump angekündigten Abschiebungen erwartet werden. Ein massiver Einsatz von US-Soldaten oder großflächige Massenabschiebungen blieben bisher jedoch aus.

"Natürlich muss man vorbereitet sein", sagt Santiago González, Menschenrechtsbeauftragter der Stadtverwaltung von Ciudad Juárez. Die Ankündigungen Trumps nehme man durchaus ernst. Es bleibe jedoch abzuwarten, welche Maßnahmen tatsächlich umgesetzt würden.

Der "American Dream" verblasst

Der "American Dream" in weiter Ferne Ciudad Juárez ist bereits jetzt ein Ort gescheiterter Hoffnungen für Migranten. In der einst gefährlichsten Stadt der Welt stranden Menschen aus Ländern wie Venezuela, Kolumbien und Kuba - darunter auch Yorwin Colina.

Der 26-jährige Venezolaner überquerte zu Fuß den gefährlichen Darién-Dschungel zwischen Süd- und Mittelamerika. Vier Tage kämpfte er sich durch den Regenwald, sah Erwachsene und Kinder in Sümpfen und Flüssen ihr Leben verlieren. Schließlich erreichte er Mexiko, wo es ihm gelang, einen Termin mit der US-Grenzbehörde zu vereinbaren. Der "American Dream" rückte in greifbare Nähe.

Da in Mexiko Drogenkartelle oft Migranten entführen, um Lösegeld zu erpressen, wurden Colina und weitere Asylsuchende mit bestätigten Terminen von mexikanischen Behörden auf den letzten 600 Kilometern zur US-Grenze eskortiert. Doch als Colina in Ciudad Juárez ankam, wurden sämtliche Termine von der US-Regierung gestrichen - am 20. Januar, dem Tag der Vereidigung von Donald Trump. "Das hatte ich nicht erwartet", sagt Colina. "Alle meine Pläne wurden über den Haufen geworfen."

Gefährliche Route nach Norden

Gefährliche Reise gen Norden Die Vergabe von Terminen per App war eine Maßnahme der Vorgängerregierung unter Joe Biden, um Asylsuchende gezielt zu offiziellen Grenzübergängen wie Ciudad Juárez zu leiten und irreguläre Einreisen zu reduzieren. In den USA leben schätzungsweise elf Millionen Menschen, die ohne gültige Dokumente eingereist sind oder deren Visa abgelaufen sind. Drei Millionen von ihnen genießen vorübergehenden Schutz. Früher stellten Mexikaner die größte Gruppe der Migranten, doch mittlerweile kommen mehr Menschen aus Krisengebieten wie Venezuela und Ecuador über Mexiko in die USA.

Viele riskieren auf dem Weg nach Norden ihr Leben: Jährlich sterben Hunderte durch Wassermangel oder Hitze. Andere fallen kriminellen Banden zum Opfer.

Harte Gangart der neuen US-Regierung

Striktere Maßnahmen der neuen US-Regierung Trump betrachtet diese Migranten als Bedrohung. Er spricht von einer "Invasion" an der Südgrenze. Direkt nach seiner Vereidigung verschärfte er die Einreisebestimmungen drastisch. In diesem Zuge wurde auch die Terminvergabe per App, die Colina genutzt hatte, abgeschafft.

Diese Entscheidung hat gravierende Auswirkungen auf den Asylprozess: Viele der Betroffenen reisten ausschließlich wegen ihres Termins nach Ciudad Juárez und sind nun gestrandet – ohne Perspektive. Ohne App sind sie gezwungen, lange auszuharren, um persönlich vorzusprechen. Grenzbeamte dürften unter Trump jedoch strengere Vorgaben erhalten, möglichst viele Asylsuchende abzuweisen, insbesondere wenn sie keinen Termin haben.

Parallel dazu kündigte die US-Regierung einen verstärkten Grenzschutz an. Der Weiterbau der Mauer – ein zentrales Versprechen aus Trumps erster Amtszeit – soll beschleunigt werden. Zudem wurden 1.500 zusätzliche Soldaten entsandt, mit der Option auf weitere Verstärkung.

Trumps Maßnahmen live auf dem Handy

Trumps Maßnahmen live auf dem Smartphone Viele der angekündigten Maßnahmen stoßen auf rechtliche und logistische Herausforderungen: Die zuständigen US-Behörden müssen entsprechend instruiert, zusätzliche Ressourcen bereitgestellt und bürokratische Prozesse beschleunigt werden. Menschenrechtsorganisationen bereiten derweil juristischen Widerstand vor. Dennoch ist die Richtung klar.

Neben den erschwerten Einreisebedingungen setzt die US-Regierung verstärkt auf Abschreckung durch mediale Inszenierung. Täglich werden Berichte über die Festnahme von angeblich kriminellen Migranten veröffentlicht.

Viele Gestrandete verfolgen diese Meldungen auf ihren Mobiltelefonen. Die Vereidigung Trumps sei ein "düsterer Tag" gewesen, sagt Rosa María Parra, Mitarbeiterin der Herberge "Casa del Migrante". Menschen hätten geweint und sich gegenseitig getröstet. "Jetzt sehen sie auf ihren Handys, wie Leute abgeschoben werden."

Wirkt die Abschreckung?

Hat die Abschreckung Erfolg? Zwar sind die tatsächlichen Zahlen bislang niedriger als das von Trump im Wahlkampf angekündigte Abschiebeprogramm, doch die Symbolwirkung ist spürbar: Die angestrebte Abschreckung scheint bereits südlich der Grenze Wirkung zu zeigen. Weniger Menschen erreichen Ciudad Juárez – viele ziehen es vor, im Landesinneren zu bleiben und suchen Alternativen, etwa in Mexiko-Stadt.

Das gilt auch für den Venezolaner Colina. "Ich bin etwas niedergeschlagen, aber ich hoffe, dass es eine andere Zukunft für mich gibt", sagt er. "Wenn nicht in den Vereinigten Staaten, dann wünsche ich mir Stabilität in einem anderen Land."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Xi Jinping empfängt deutsche Wirtschaftsbosse: Droht die Abwanderung der Wirtschaft nach China?
13.04.2025

Die Rahmenbedingungen in Deutschland sind für Unternehmen zunehmend unwirtschaftlich: Energiekosten und Steuern sind hoch, die Bürokratie...

DWN
Panorama
Panorama Marine: Erste deutsche Frau als U-Boot- Kommandantin in strategischer Mission unterwegs
13.04.2025

Claudia Neben ist Deutschlands erste U-Boot-Kommandantin: Wochenlang ist sie auf Mission – ohne Verbindung zur Heimat. Mit 35 Jahren...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Eine Geldfrage: Was kann ich tun, wenn ich bei einer Gehaltserhöhung übergangen werde?
13.04.2025

Strategische Verhandlungen sind der Schlüssel zum Erfolg – erfahren Sie hier, wie Sie Ihre Gehaltserhöhung erfolgreich durchsetzen.

DWN
Finanzen
Finanzen Silberpreis aktuell: Der arme Cousin des Goldes – warum die Silber-Preisentwicklung nicht mitzieht
13.04.2025

Während der Goldpreis zuletzt neue Allzeithochs erklomm und Investoren in aller Welt in seinen sicheren Hafen strömten, hat sich der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trump-Zölle treffen Silicon Valley: iPhone für 2.300 Dollar?
13.04.2025

Die von US-Präsident Donald Trump verhängten Zölle haben für gewaltige Verwerfungen im Silicon Valley gesorgt und die Aktien der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Molkerei der Zukunft: Arla fusioniert mit Deutschlands größtem Molkerei-Riesen DMK
13.04.2025

Der dänische Molkereikonzern Arla hat bekanntgegeben, dass er mit der deutschen DMK Group fusionieren wird. Durch die Fusion entsteht...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Schwarzarbeit auf der Baustelle: Razzia bei Baufirmen
13.04.2025

In einer koordinierten Großrazzia ist der Zoll gegen eine mutmaßliche Schwarzarbeitsbande im Baugewerbe vorgegangen. Die Wohn- und...

DWN
Technologie
Technologie Energieversorgung durch „Green Deal“? Europa braucht Sicherheit durch eine gemeinsame Energieunion
13.04.2025

Europas Wettbewerbsfähigkeit steht auf dem Spiel - nicht durch Politik, sondern durch Energie. Warum die EU jetzt eine echte Energieunion...