Politik

Abschied von Kevin Kühnert: Rede im Bundestag mit Appell an die Demokratie

Im kommenden Bundestag werden einige bekannte Gesichter fehlen. Dazu zählt auch das SPD-Talent Kevin Kühnert. Zum Abschied hinterlässt er seinen Kollegen eine Botschaft.
11.02.2025 16:58
Lesezeit: 3 min

Kevin Kühnert: Letzte Rede im Bundestag

Es ist die letzte Rede einer bemerkenswerten 20. Legislaturperiode im Deutschen Bundestag. Am Pult steht Kevin Kühnert, der zu Beginn der Kanzlerschaft von Olaf Scholz als größte Nachwuchshoffnung der SPD galt. Vier Monate lang war es still um ihn, nachdem er aus gesundheitlichen Gründen als SPD-Generalsekretär zurücktrat. Doch der 35-Jährige möchte dem Parlament noch etwas mit auf den Weg geben: "Schützen wir das, was uns wichtig ist, unsere Demokratie", appelliert er an die Abgeordneten. "Ich werde das künftig von außen tun. Bitte tun Sie es von hier drinnen."

Kühnert wird dem kommenden Bundestag nicht mehr angehören, er kandidiert nicht erneut und führt auch keinen Wahlkampf für seine Partei. Im Oktober musste er sich eingestehen: Es geht nicht mehr. "Die Energie, die mein Amt und ein Wahlkampf erfordern, brauche ich vorerst, um gesund zu werden", schrieb Kühnert damals. Wie es ihm aktuell geht, ist unklar. "Vernünftig", sagte sein persönlicher Freund und Parteichef Lars Klingbeil kürzlich. Sie hätten sich über die US-Wahlen unterhalten - "und da merkt man, er bleibt hochpolitisch".

Kühnert mahnt in Grundsatzrede zur Demokratie

Das wird auch am Rednerpult des Bundestags spürbar. Kühnert spricht zügig, seine Redezeit als letzter Redner ist knapp. Seine Worte hätten gut in die emotional geführte Debatte der vergangenen Wochen gepasst, als die Union es in Kauf nahm, bei Anträgen und einem Gesetzentwurf auf die Stimmen der AfD angewiesen zu sein.

Gut denkbar, dass genau dieser Vorfall Kühnert zu seinem letzten Auftritt bewogen hat. Er spricht von historischer Verantwortung und richtet eine Warnung an die Abgeordneten. Politik müsse das Volk hören, aber nicht nach dem Mund reden, sondern auch unbequeme Entscheidungen treffen. Kanzler wie Konrad Adenauer, Willy Brandt und Helmut Kohl hätten für ihre Werte gestritten. "Viele von Ihnen glauben weiterhin daran, dass man Rechtsradikale ignorieren sollte", sagt der Berliner in Richtung der Abgeordneten. "Das nehme ich Ihnen ab - aber Sie geben den Kampf auf, und das kritisiere ich."

Ein emotionaler Abschied

Es ist der Schlusspunkt einer Debatte, die den Bundestag 12 Tage vor der Wahl tief gespalten hinterlässt. Bundeskanzler Olaf Scholz und sein Hauptkonkurrent Friedrich Merz lieferten sich nochmals eine heftige Auseinandersetzung. Am Ende bleibt die Frage, wie beide Parteien in möglichen Koalitionsverhandlungen wieder einen respektvollen Umgang finden könnten.

Doch die fast vierstündige, letzte Bundestagssitzung vor der Wahl hatte auch bewegende Momente. Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas (CDU) verabschiedete sich unter stehendem Applaus aller Fraktionen außer der AfD sichtlich gerührt von ihrem Platz im Präsidium. Die sächsische CDU-Abgeordnete hatte ihren Rückzug auch mit dem raueren gesellschaftlichen Klima begründet. Beleidigungen, Drohungen, Gleichgültigkeit - das alles habe ihr Kraft gekostet.

Musik statt Mandat

Auch weitere, teils langjährige Abgeordnete schlagen neue Wege ein. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) will nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg 2026 Ministerpräsident Winfried Kretschmann nachfolgen. Özdemir war 1994 erstmals in den Bundestag eingezogen und absolvierte nun seinen vorerst letzten Arbeitstag als Abgeordneter.

"Das ist ein eigenartiges Gefühl. Ich habe ja viel Zeit im Bundestag verbracht, erst in Bonn, dann hier in Berlin", sagte der 59-Jährige. Etwas wehmütig blickte der Grünen-Politiker auf eine verpasste Gelegenheit: "Nach der Rede von Kevin Kühnert dachte ich, eine Abschiedsrede wäre vielleicht doch angebracht gewesen", sagte er. Seine Parteikollegin Renate Künast will mit 69 Jahren jüngeren Politikern Platz machen.

Der dienstälteste Abgeordnete, Peter Ramsauer von der CSU, sagt nach 34 Jahren im Bundestag "Servus". Ihn zieht es zur Musik, verriet er der Deutschen Presse-Agentur. "Mein Klavierzimmer ist fertig, der Konzertflügel ist instand gesetzt. Jetzt steht den 32 Beethoven-Sonaten und der gesamten Chopin-Literatur nichts mehr im Wege."

Petra Pau von den Linken verlässt mit 61 Jahren nach 27 Jahren den Bundestag - bleibt aber politisch aktiv. Gegenüber der dpa kritisierte sie die Verrohung der Debattenkultur. "Das hat sich in den letzten sechs, sieben Jahren sowohl im Parlament als auch in der Gesellschaft verändert." Auch persönliche Anfeindungen, Diffamierungen und Aufrufe zu Konfrontationen hätten zugenommen. Auch Ramsauer sieht eine zunehmend aggressive Atmosphäre. "Was man sich alles gefallen lassen muss an Beleidigungen, an Drohungen, an Grenzüberschreitungen - da braucht man ein sehr dickes Fell."

Nächster Bundestag schrumpft

Weitere Abgeordnete können nur vermuten, dass dies womöglich ihre letzte Bundestagssitzung war. Das hängt auch mit der Verkleinerung des Parlaments zusammen. Die erste Sitzung des neuen Bundestags wird spätestens 30 Tage nach der Wahl stattfinden - dann mit weniger Abgeordneten. Das neue Wahlrecht begrenzt die Größe auf 630 Mandate - statt zuletzt 736.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Panorama
Panorama Sommerferien 2025: Wer früher startet, erlebt mehr Sonne – wer später reist, profitiert anders
02.08.2025

Sommerferien sind heiß ersehnt – doch wann ist der beste Zeitpunkt für den Urlaub? Früh oder spät starten, Sonne oder Schnäppchen,...

DWN
Finanzen
Finanzen Lebensversicherung verkaufen: Wie Sie die Lebensversicherung zu Geld machen können
02.08.2025

Bei einem Verkauf der Lebensversicherung erhält man in aller Regel mehr Geld als bei einer Kündigung des Vertrags. Während der...

DWN
Technologie
Technologie LinkedIn ist das professionelle soziale Netzwerk: Doch etwas ist im Wandel
02.08.2025

LinkedIn galt lange als letzte seriöse Bastion im Netz – ein Ort für Karrieren, Netzwerkpflege und Fachlichkeit. Doch jetzt häufen...

DWN
Finanzen
Finanzen Warum nur 1 von 25 Aktien echten Wohlstand schafft
02.08.2025

Nur vier Prozent der Aktien schaffen es, den Markt nachhaltig zu schlagen – der Rest vernichtet langfristig Vermögen. Was Anleger jetzt...

DWN
Finanzen
Finanzen Immobilien-Crowdfunding-Falle: Anleger warnt vor Reinvest24
02.08.2025

Ein Investor schlägt Alarm: Zinsen bleiben aus, Geld verschwindet, Auskünfte gibt es keine. Der Fall der Plattform Reinvest24 zeigt, wie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Fahrermangel in Europa: Fast die Hälfte der europäischen Lkw-Fahrer steht kurz vor der Pensionierung
02.08.2025

Europa droht eine stille Krise, die alle trifft: Hunderttausende Lkw-Fahrer gehen bald in Rente – doch kaum jemand will nachrücken....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chef des Superfonds Eifo zur chinesischen Windkraft-Offensive: „Ich bin besorgt“
02.08.2025

Chinas Windkraftkonzerne drängen mit Macht auf globale Märkte – und bedrohen nun auch Europas Energiewende. In Lateinamerika, Afrika...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gefahr für Trumps Zollpolitik: Klagen eingereicht – entscheidender Prozess hat begonnen
01.08.2025

Trumps Zollpolitik steht vor dem juristischen Kollaps: Fünf US-Firmen und zwölf Bundesstaaten klagen gegen die Sondervollmacht, auf deren...