Panorama

Privatpatienten: Ist die Bevorzugung bei der Terminvergabe nur ein Mythos?

Die Terminvergabe beim Arzt stellt für viele gesetzlich Versicherte eine Herausforderung dar. Lange Wartezeiten sorgen für Frust. Der Bundesrat hat nun eine Initiative gestartet, um eine gerechtere Verteilung von Terminen sicherzustellen.
24.03.2025 05:58
Lesezeit: 2 min
Privatpatienten: Ist die Bevorzugung bei der Terminvergabe nur ein Mythos?
Blick in ein Behandlungszimmer in einer Arztpraxis: Werden Privatpatienten bei der Terminvergabe tatsächlich bevorzugt? (Foto: dpa). Foto: Daniel Vogl

Welche Forderungen stellt der Bundesrat?

Auf Antrag Niedersachsens prüft die Länderkammer, ob Kassenpatienten gegenüber Privatpatienten benachteiligt werden. Ziel ist es, dass gesetzlich Versicherte ebenso zügig Termine erhalten wie Privatpatienten. Dazu werden neue Regelungen diskutiert.

Die niedersächsische Regierung erwägt etwa eine Mindestquote für gesetzlich Versicherte oder finanzielle Anreize für Ärzte, die vermehrt Kassenpatienten behandeln. Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD) betonte: "Alle Bürgerinnen und Bürger müssen unabhängig von Einkommen, Wohnort oder der Art ihrer Krankenversicherung gleichberechtigten Zugang zu hochwertiger medizinischer Versorgung haben."

Laut Eugen Brysch von der Stiftung Patientenschutz erhöht diese Initiative den Druck, "die bestehende Ungleichbehandlung zu minimieren".

Sind Privatpatienten Schuld an langen Wartezeiten?

Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, verneint dies. Angesichts der Tatsache, dass rund 90 Prozent der Deutschen gesetzlich versichert sind, stelle sich die Frage kaum. "Der größte Anteil der Termine entfällt automatisch auf sie", so Gassen. "Hinzu kommt, dass Privatpatienten durchschnittlich seltener Ärzte aufsuchen."

Der Orthopäde bezeichnet den Vorschlag aus Niedersachsen als "Augenwischerei": Nicht vorhandene Termine oder unbezahlte Leistungen ließen sich nicht gesetzlich herbeiführen. Dagegen sieht der GKV-Spitzenverband eine "Diskriminierung der gesetzlich Versicherten bei der Terminvergabe", erklärt Vorstandsvize Stefanie Stoff-Ahnis.

Wie lang sind die Wartezeiten?

Eine Auswertung der Termin-Servicestellen unter der Rufnummer 116 117 zeigt: 2023 dauerte es im Schnitt 12 Tage, um einen Facharzttermin zu erhalten. Hausarzttermine wurden im Schnitt innerhalb von 4 Tagen vermittelt, während Kinderärzte 9 Tage, Augenärzte 11 Tage und Hautärzte 14 Tage beanspruchten. Endokrinologie- und Diabetologie-Termine wiesen mit durchschnittlich 26 Tagen die längste Wartezeit auf.

Laut einer repräsentativen Umfrage von 2024 im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes empfindet fast jeder dritte gesetzlich Versicherte (31 Prozent) die Wartezeit auf einen Facharzttermin als zu lang. Jeder Vierte wartet sogar über 30 Tage. Hausarzttermine schneiden dabei besser ab: Nur 12 Prozent der Befragten empfinden die Wartezeiten dort als problematisch.

Welche Herausforderungen sehen Ärzte und Krankenkassen?

KBV-Chef Gassen fordert eine verbindliche Terminvergabe für alle Beteiligten. Ein Problem sei, dass viele Patienten nicht zu vereinbarten Terminen erscheinen. Ärzte müssten daher für jeden Termin gesetzlich Versicherter eine Vergütung erhalten: "Ein Arzttermin ist nicht wie ein Friseurtermin, sondern Teil einer medizinischen Versorgungskette."

Der GKV-Spitzenverband setzt auf digitale Terminvergabe. Ärzte sollen je nach Fachrichtung eine festgelegte Stundenzahl ohne Unterscheidung zwischen Privatpatienten und gesetzlich Versicherten bereitstellen. "Wahre Gleichbehandlung bedeutet, dass der Versicherungsstatus bei der Terminvergabe keine Rolle spielt", so Stoff-Ahnis. "Ich hoffe, dass die neue Bundesregierung dies aufgreift und nicht wieder nur mit finanziellen Anreizen für Ärzte zu lösen versucht."

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