Politik

Migration: Nancy Faeser sieht eigene Migrationspolitik als Erfolg

Während SPD und Union über eine mögliche Koalition verhandeln: Die geschäftsführende Innenministerin Faeser präsentierte heute Zahlen, die wie eine Werbeaktion für die Ampel-Migrationspolitik wirken: Rückgänge bei Asylanträgen, ein Plus bei Rückführungen und Fachkräftezuwanderung, dazu gesteigerte Integrationsangebote.
01.04.2025 18:22
Lesezeit: 3 min
Migration: Nancy Faeser sieht eigene Migrationspolitik als Erfolg
Innenministerin Faeser betont auf der Pressekonferenz: „Wir sind heute ein Land, das mehr in Integration investiert und attraktiver ist für talentierte und qualifizierte Arbeits- und Fachkräfte aus aller Welt.“ (Foto: dpa) Foto: Kay Nietfeld

Weniger Asylanträge, mehr Abschiebungen: Faeser zufrieden

Was hat sich in der Migration geändert unter der scheidenden Regierung? Innenministerin Faeser jedenfalls ist zufrieden mit ihrer eigenen Bilanz. Doch da stimmen nicht alle zu.

Die geschäftsführende Bundesinnenministerin Nancy Faeser ist zufrieden mit ihrer Bilanz. "Unser Ziel war es, die Zuwanderung von Arbeits- und Fachkräften zu stärken, die irreguläre Migration wirksam zu begrenzen und die Schleusungskriminalität wirksam zu bekämpfen. In allen drei Bereichen sind wir stark vorangekommen", sagte sie in Berlin im Rückblick auf ihre Amtszeit. Zudem habe Deutschland mehr als 1,2 Millionen Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine Schutz geboten, darunter fast ein Drittel Kinder und Jugendliche.

Asylanträge

Die Zahl der Menschen, die in Deutschland Schutz suchen, ist seit 2021 gestiegen, 2024 dann aber wieder gesunken. Die Zahl der Erstanträge ging im Vergleich zum Vorjahr um 30,2 Prozent zurück. Noch deutlicher fiel der Rückgang bei der Gesamtzahl der Anträge aus. Faeser sieht das als Erfolg ihrer Politik: "Wir haben Asylverfahren beschleunigt und digitalisiert, und wir haben das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration personell weiter gestärkt." Vor allem sei die Zahl der unerlaubten Einreisen gesunken, auch dank Grenzkontrollen und einem härteren Vorgehen gegen Schleuser.

... und was Experten dazu sagen

Eine Hauptursache für den Rückgang ist nach Einschätzung des Chefs des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Hans-Eckhard Sommer, dass Serbien im November 2023 die Flüchtlingsroute nach Ungarn faktisch gesperrt habe. Ob dies dauerhaft so bleiben werde, sei offen. Faeser sagte dazu, sie selbst habe sich für eine bessere Zusammenarbeit mit Serbien eingesetzt, das nun die Schleuserkriminalität entschiedener bekämpfe.

Die stellvertretende Vorsitzende des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR), Birgit Glorius, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Sicherlich haben die Grenzkontrollen an den deutschen Grenzen insbesondere zu Polen und Tschechien für einen Rückgang der irregulären Einreisen gesorgt." Hinzu kämen Befestigungen der EU-Außengrenze im Osten und EU-Abkommen mit Staaten entlang von Zugangsrouten zur Bekämpfung des Schleuserwesens. Sie nannte auch die Wiedereinführung der Visumpflicht für Inder und Tunesier sowie mehr Migration von Afrika auf die Kanarischen Inseln statt nach Italien.

"Das bedeutet allerdings nicht, dass der weltweite Fluchtdruck nachgelassen hat", sagte Glorius. So flüchteten Menschen im Sudan. "Auch die Lage in Gaza ist extrem prekär, und die politische Situation in der Türkei erfordert ebenfalls erhöhte Aufmerksamkeit hinsichtlich der Effekte auf das Fluchtgeschehen."

Grenzkontrollen

In der Ausweitung der Grenzkontrollen sieht Faeser einen wichtigen Grund für den Rückgang der irregulären Migration. Im Oktober 2023 hatte sie feste Kontrollen, die es zuvor nur an der Landgrenze zu Österreich gab, auch für die Grenzen zur Schweiz sowie zu Polen und Tschechien angeordnet. Inzwischen wird an allen deutschen Landgrenzen kontrolliert.

Seit Oktober 2023 habe die Bundespolizei im Rahmen der Kontrollen etwa 86.000 unerlaubte Einreisen festgestellt und etwa 50.000 Mal Menschen zurückgewiesen, so Faeser. Unklar ist allerdings, wie viele dieser Menschen später oder an anderer Stelle doch eingereist sind. Wer an der Grenze Asyl beantragt, dessen Antrag auf Schutz wird geprüft.

Wenn es nach der Union geht, wird es unter einer wahrscheinlichen künftigen schwarz-roten Bundesregierung mehr Zurückweisungen geben. Die SPD will das allerdings dabei nur im Einvernehmen mit deutschen Nachbarländern tun.

Schleuserkriminalität

Bei den Kontrollen hat die Bundespolizei nach Faesers Angaben ab Oktober 2023 mehr als 2.000 Schleuser festgenommen. "2024 hat die Bundespolizei 10.000 geschleuste Menschen festgestellt. 2023 waren es noch 40.000", sagte sie. Laut Gewerkschaft der Polizei (GdP) bezahlen mehr als 90 Prozent der irregulären Migrantinnen und Migranten Schleuser beim Versuch, Europa zu erreichen. Es brauche mehr Ermittlungsbefugnisse, Geld und Personal, um relevante Geldströme zu verfolgen, verlangt die GdP.

Dauer von Asylverfahren

Faeser lobte, Asylverfahren seien "beschleunigt und digitalisiert" und das Bamf personell gestärkt worden. Doch tatsächlich ist die Dauer der Asylverfahren gestiegen. Wer in Deutschland einen Asylantrag stellt, wartet auf eine Entscheidung im Schnitt 8,7 Monate. Die Bearbeitung beim Bamf dauerte im vergangenen Jahr so lange wie seit 2017 nicht mehr. Damals vergingen von der Antragstellung bis zum Bescheid 10,7 Monate. Das mag teilweise damit zusammenhängen, dass komplizierte Altfälle 2024 bearbeitet wurden.

Abschiebungen

Die Zahl der Abschiebungen ist während der Ampel-Zeit erheblich gestiegen, von knapp zwölf Tausend im Jahr 2021 auf mehr als zwanzig Tausend im vergangenen Jahr. Dazu dürften Verschärfungen beigetragen haben. So wurde die gesetzliche Höchstdauer des Ausreisegewahrsams von bislang zehn Tagen auf 28 Tage verlängert. Außerdem dürfen Behördenvertreter in Gemeinschaftsunterkünften nun auch andere Räume betreten als nur das Zimmer des Abzuschiebenden. Der CDU-Abgeordnete Christoph de Vries wirft Faeser Schönrederei vor: Die Zahl der Rückführungen liege immer noch unter jener des letzten Vor-Corona-Jahres 2019.

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