Unternehmensporträt

Reichster Ostdeutscher: Wie ein Unternehmer einen kleinen DDR-Betrieb zum globalen Player macht

Rekord-Umsatz trotz Krisen: Der Umsatz von ORAFOL betrug im Jahr 2024 betrug 883 Millionen Euro – ein Rekordjahr trotz Wirtschaftskrise. Wie der Chef des Folienherstellers den Konzern und sein Vermögen nach der Wende aufgebaut. Und wieso der Unternehmer Kritik an der grünen Wirtschaftspolitik übt und er vor einer „Planwirtschaft“ warnt.
26.04.2025 18:48
Lesezeit: 3 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Reichster Ostdeutscher: Wie ein Unternehmer einen kleinen DDR-Betrieb zum globalen Player macht
ORAFOL - Weltmarktführer für Kunststoffveredelung hat gerade wieder einen Rekordumsatz gefeiert von 883 Millionen Euro. Nächstes Jahr könnte die Umsatz-Milliarde erreicht werden. (Foto: dpa)

700 Millionen Euro Vermögen, ein Weltunternehmen mit rund 3000 Mitarbeitern und Produktionsstätten auf der ganzen Welt: Der 74-jährige Holger Loclair ist der reichste Ostdeutsche und hat aus einem kleinen DDR-Betrieb mit einst rund 60 Mitarbeitenden einen globalen Player gemacht.

Die reichsten Deutschen 2024: Platz 314 für den reichsten Ostdeutschen

Zahlreiche heimische Topvermögen basieren auf großen unternehmerischen Leistungen. Einige werden seit Generationen vererbt, andere sind erst jüngst und aus eigener Kraft entstanden, so wie bei Holger Loclair, der 2024 mit einem geschätzten Vermögen von 700 Millionen vom Manager-Magazin auf Platz 314 der reichsten Deutschen geführt wird. Die Besonderheit: Damit ist er der reichste Ostdeutsche beim Vermögensranking.

Er stammt aus Penzin im Landkreis Rostock. In seiner Jugend war er Leistungsturner. Später promovierte er an der Fakultät für Chemische Technologie und Verfahrenstechnik der Technischen Universität in Stettin, Polen.

ORAFOL: Vom DDR-Betrieb zum Weltkonzern

Seine Erfolgsgeschichte begann im brandenburgischen Oranienburg: In den 70er-Jahren stieg er als promovierter Chemiker in den damaligen „VEB Spezialfarben Oranienburg“ ein – einen sogenannten „volkseigenen Betrieb“ (VEB) in der DDR, der auf die Herstellung von Spezialfarben und selbstklebenden Reflexfolien spezialisiert war. Später wurde er dort Betriebsdirektor.

Nach der Wende im Jahr 1991 wurde das Unternehmen durch die Treuhandanstalt privatisiert. Loclair leitete die Privatisierung des Familienbetriebs und wagte den Schritt zum Unternehmer als er den Betrieb übernahm. Unter dem neuen Namen „Orafol“ baute er ihn zu einem internationalen Konzern aus.

Heute ist Orafol das umsatzstärkste familiengeführte Industrieunternehmen in Ostdeutschland und gehört zu den Weltmarktführern in der Kunststoffveredelung.

Spezialfolienhersteller: Materialien für Auto-, Luftfahrt- und Verkehrsindustrie

Das Unternehmen stellt Produkte her, die alle schon mal gesehen oder sogar selbst verwendet habt: nämlich unter anderem selbstklebende Folien, die für Fahrzeugbeklebungen, Werbeschilder oder Fensterdekorationen genutzt werden. Auch viele reflektierende Materialien für Verkehrsschilder, Markierungen an Einsatzfahrzeugen oder Sicherheitskleidung stammen von Orafol. Zudem entwickelt die Firma spezielle Klebebänder, die in der Industrie zum Einsatz kommen, etwa in der Automobil- oder Luftfahrtbranche.

In den vergangenen 20 Jahren hat der Betrieb seine Präsenz unter anderem in den USA erheblich ausgebaut, mit mehreren Tochtergesellschaften und Produktionsstandorten. Die Hauptaktivitäten von Orafol in Amerika werden von Orafol Americas Inc. gesteuert. Im Jahr 2019 wurde ein Standort in Dehli, Indien erschlossen, mit Schwerpunkt auf den Vertrieb von retroreflektierenden Materialien. Seit dem Jahr 2020 gibt es „Orafol Rus Reflective Solutions“ in Pskow, Russland.

Inzwischen ist Orafol in Europa, in Nord- und Südamerika, in Australien und Neuseeland sowie in Asien und Afrika mit 17 Tochtergesellschaften und 30 Standorten präsent. Produktionsstandorte befinden sich in Deutschland, Belgien und Irland sowie in den USA, Mexiko und China.

2024: Rekordjahr trotz Wirtschaftskrise

Der Umsatz von Loclairs Orafol betrug im Jahr 2024 betrug 883 Millionen Euro – ein Rekordjahr trotz Wirtschaftskrise. Damit hat der Spezialfolienhersteller Orafol sein bisher bestes Jahresergebnis erzielt. Und das weltweit tätige Unternehmen bleibt auf Wachstumskurs: Bis 2027 werde Orafol weitere Millionen Euro investieren, kündigte Unternehmenschef Holger Loclair in einem MAZ-Interview an. Die inhabergeführte Gruppe beschäftigt weltweit 3.000 Mitarbeiter, davon 1.300 am Stammsitz in Oranienburg.

Orafol investiert Millionen Euro am Stammsitz

Vorgesehen sei diese Summe hauptsächlich für den Kauf von Maschinen und Automatisierungstechnik für bereits bestehende Hallen auf dem Gelände im Industriepark Nord in Oranienburg. „Für Orafol wäre das ein Riesen-Schub für die Effizienz der Produktion“, sagt Holger Loclair. Deshalb hofft er auf eine neue Regierung, die Bürokratie abbaut und die Wirtschaft entlastet. „Der Mittelstand wird vernachlässigt. Und das gibt mir zu denken.“ Das Genehmigungsverfahren für die zuletzt errichtete neue Halle hat fast vier Jahre gedauert.

Holger Loclair: „Der Mittelstand wird vernachlässigt.“

Der Chef des Folienherstellers kritisiert die Wirtschaftspolitik der Grünen und sieht bessere Bedingungen für Unternehmer in den USA. „Als energieintensives Industrieunternehmen habe ich nicht mehr den Eindruck, vorbehaltlos am Standort Deutschland willkommen zu sein. Und das, obwohl wir ein großer Steuerzahler sind“, sagte Loclair dem Spiegel Oktober letzten Jahres.

„Ich störe mich, natürlich auch mit Rückblick auf meine Biografie, wenn politisch versucht wird, in unternehmerische Wettbewerbs- oder Leistungsprinzipien einzugreifen. Ich warne davor, dass unsere Wirtschaft wieder in eine Planwirtschaft kippt“, kritisierte der gebürtige Ostdeutsche Loclair. An den USA reize ihn die unternehmerische Freiheit. „Ich kann nicht nur schnell entscheiden, sondern auch schnell umsetzen. Der Faktor Zeit wird in Deutschland völlig außer Acht gelassen.“

Seit Ende 2024 kooperiert Orafol mit dem belgischen Spezialfolienhersteller Michiels Advanced Materials. Das Ziel: im großen Stil in die Produktion und Vermarktung von Klimafolien einzusteigen. Die metallisch beschichteten Folien, die Räume oder Fahrzeuge im Sommer kühl und im Winter wärmer halten, sollen in der neuen Halle veredelt werden.

Die Gründungsgeschichte der ORAFOL reicht zurück in das Jahr 1808: Eine Familie gründet das Unternehmen unter dem Namen Wibelitz-Farbenwerkstatt und wird exklusiver Hersteller von Poststempelfarben für das Königreich Preußen. Ein Jahrhundert später beginnt das Unternehmen mit der Herstellung von Farben und Lacken.

Anzeige
DWN
Finanzen

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

Mirell Bellmann

Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Vom Pflichttermin zum Strategiewerkzeug: Jahresgespräche im Wandel
08.10.2025

Was lange als lästige Pflicht galt, entwickelt sich zum strategischen Machtfaktor: Jahresgespräche sollen nicht mehr nur Protokoll...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU kämpft mit Umweltabgaben und Wettbewerbsdruck in der Düngemittelindustrie
08.10.2025

Die europäische Düngemittelindustrie steht unter erheblichem Druck. Hohe Produktionskosten, steigende Emissionsabgaben und der wachsende...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis klettert über 3.450 Euro: Zahl neuer Goldkäufer in Deutschland vervierfacht sich
08.10.2025

Der Goldpreis erreicht ein Rekordhoch nach dem anderen, auch in Euro, trotz ruhiger Märkte. Auch immer mehr Anleger in Deutschland...

DWN
Politik
Politik Regierungskrise in Frankreich - Premier ringt um Kompromiss
08.10.2025

Frankreich steht mitten in einer Regierungskrise vor einer Entscheidung. An diesem Mittwochabend endet eine Frist, die Präsident Emmanuel...

DWN
Panorama
Panorama Ukraine-Krieg heizt Klimakrise an - 237 Millionen Tonnen CO₂
08.10.2025

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat nicht nur Zehntausende Menschen das Leben gekostet und Millionen in die Flucht...

DWN
Politik
Politik „Koalitionsausschuss der Ergebnisse“: Gelingen Durchbrüche bei Bürgergeld & Infrastruktur?
08.10.2025

Kanzler Friedrich Merz (CDU) und seine schwarz-rote Koalition haben sich für den Herbst einiges vorgenommen – und die Erwartungen sind...

DWN
Technologie
Technologie Wero soll PayPal Konkurrenz machen – und Europa weiter vom Bargeld entfernen
08.10.2025

Der europäische Bezahldienst Wero steht kurz vor dem Start im Online-Shopping. Noch in diesem Herbst sollen Kundinnen und Kunden erstmals...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Elektromobilität: Europas Nachfrage beflügelt Chinas Hybridfahrzeugindustrie
08.10.2025

Die Nachfrage nach Hybridfahrzeugen wächst in Europa rasant. Während klassische Verbrenner an Marktanteilen verlieren, setzen immer mehr...