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Digitaler Produktpass: Was die EU plant und was das für Firmen bedeutet

Die Europäische Union will Ressourcen schonen und Emissionen und Abfälle reduzieren. Dafür plant sie den sogenannten digitalen Produktpass (DPP), der helfen soll, den Wirtschaftskreislauf zu optimieren. In ihm sollen alle produktrelevanten Daten enthalten und für die Beteiligten im gesamten Wirtschaftsprozess transparent gemacht werden. Erfahren Sie hier, was der DPP genau ist, was er für Verbraucher und auch Unternehmen bedeutet, wie die Umsetzung erfolgen soll und was es zu beachten gibt.
23.04.2025 13:16
Aktualisiert: 23.04.2025 13:31
Lesezeit: 6 min
Digitaler Produktpass: Was die EU plant und was das für Firmen bedeutet
Produktbezogene Daten sollen helfen, den Wirtschaftskreislauf von Ressourcen optimieren (Foto: iStock/ Galeanu Mihai). Foto: Galeanu Mihai

Aktuell ist der digitale Produktpass den meisten Unternehmen und auch den Verbrauchern noch nicht bekannt. Er soll aber bei der Umsetzung des sogenannten europäischen Green Deals eine wichtige Rolle spielen. Der Green Deal hat zum Ziel, Ressourcen einzusparen, mehrfach einzusetzen oder durch klimaneutralere Alternativen auszutauschen. Der digitale Produktpass soll dabei alle produktrelevanten Daten liefern und damit eben diese Ziele unterstützen. Allerdings stellen sich bei der Umsetzung in die Praxis eine Reihe von Hürden und Problemen, für die noch Lösungen gefunden werden müssen.

Digitaler Produktpass: Welche Daten soll der digitale Produktpass liefern?

Bereits heute geben einige produktbezogene Regulierungen auf EU-Ebene schon digitale Produktpässe vor, wie beispielsweise die EU-Ökodesign-Verordnung und die EU-Batterieverordnung. Auf dem digitalen Produktpass sollen dann alle relevanten Daten beispielsweise zur Herstellung, zu den Materialien, den Eigenschaften, den Reparaturmöglichkeiten und zur Entsorgung von Produkten gespeichert werden. Dies soll es ermöglichen, dass alle Akteure im Produktlebenszyklus transparente Informationen bekommen, die letztendlich die Ressourcenverwendung optimieren sollen.

Durch die EU-Ökodesign-Verordnung sollen demnächst für verschiedene Produktgruppen in fast allen Branchen neue Anforderungen definiert werden, die die Kreislauffähigkeit der Produkte, ihre Reparaturmöglichkeiten und die Recyclingfähigkeit betreffen. Dafür soll jetzt im April ein erster Arbeitsplan erstellt werden, der zunächst Produkte wie Aluminium, Stahl, Möbel, Bekleidung und Reifen betrifft. Die im Produktlebenszyklus beteiligten Unternehmen sollen dann für diese Produkte in den DPPs alle relevanten Produktinformationen miteinander teilen können, diese digital weiterverarbeiten können und auch um Informationen ergänzen können. Im digitalen Produktpass sollen dann auch alle Informationen von Vorprodukten gespeichert werden. Deshalb werden die Datenmengen auf dem Pass umso umfangreicher, je mehr Komponenten ein Produkt enthält.

Welche Herausforderungen sind mit den DPPs für Unternehmen verbunden?

Damit digitale Produktpässe überhaupt funktionieren können und die Informationen in ihnen zwischen Unternehmen oder Unternehmensbereichen übertragen werden können müssen die DPPs auch kompatibel sein und in den unterschiedlichsten Systemen funktionieren können. Deshalb braucht es hierfür eine klar strukturierte und insbesondere standardisierte Informationserfassung und auch Weitergabe. Ansonsten können nicht alle beteiligten Akteure die Produktinformationen einsehen und dann auch ergänzen. Zunächst einmal muss ein herstellendes Unternehmen den Produktpass mit Informationen befüllen. Ergänzt werden können diese Produktinformationen dann später auch im Wirtschaftskreislauf von Dienstleistern, Händlern oder anderen Akteuren, je nach Berechtigung.

Zunächst einmal brauchen also die herstellenden Unternehmen die technische Ausstattung, um die digitalen Produktpässe erstellen, nutzen und auch verändern zu können. Auch müssen die Produktinformationen in einer digitalen Form vorliegen. Zusätzlich müssen auch digitale Daten zu den Vorprodukten bereit stehen. Hier können herstellende Unternehmen wenig Einfluss ausüben, denn sie sind davon abhängig, wie ihre Zulieferer digitale Daten zu den Vorprodukten liefern. Sie müssen dann auch in der Lage sein, diese Daten strukturiert weiterzuverarbeiten. Ihre eigenen Herstellerdaten müssen sie dann erst einmal selbst digital erstellen, um alle Daten dann im Anschluss funktionierend kombinieren zu können. Erst dann kann ein digitaler Produktpass angelegt werden.

Allerdings stellt das die meisten Unternehmen vor große Herausforderungen. Befragungen in den vergangenen Jahren haben gezeigt, dass nur jedes dritte Unternehmen bereits insofern vorbereitet ist, dass es eigene digitale Produktinformationen zur Verfügung hat und mit diesen arbeiten kann. Zwei Drittel aller Unternehmen sind auf diese digitalen Prozesse also nicht vorbereitet und würden mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, selbst digitale Produktdaten zur Verfügung stellen zu können und empfangene Daten weiterverarbeiten zu können. Auch die unterschiedlichen Datensysteme sind ein Problem. Sollen Unternehmen Daten miteinander austauschen, arbeiten aber in Systemen, die nicht miteinander kompatibel sind, ist eine Weiterverarbeitung nur schwerlich zu bewerkstelligen.

Wie ist der aktuelle technische Stand für DPPs in Deutschland?

Das Thema digitaler Produktpass ist bei den meisten deutschen Unternehmen noch gar nicht angekommen. Das ist problematisch, denn der digitale Produktpass soll bald für eine Reihe von Branchen verpflichtend eingeführt werden. In einer Umfrage des Instituts für deutsche Wirtschaft aus dem Herbst 2024 kannten zwei Drittel der befragten 1087 Unternehmen den digitalen Produktpass noch gar nicht oder hielten ihn für nicht relevant. Nur ganze 4 Prozent der befragten Unternehmen haben bereits Maßnahmen zur Einführung ergriffen und weitere 11 Prozent wollen sich zumindest damit befassen. 17 Prozent der Unternehmen kennen zwar das Konzept des digitalen Produktpasses, wollen sich jedoch auch in Zukunft damit nicht befassen.

Immerhin 19 Prozent der Unternehmen aus der Grundstoffindustrie beschäftigen sich allerdings mit den DPPs. Damit ist schon einmal ein Anfang gemacht, denn die Grundstoffindustrie ist ein wichtiger Partner bei der Erstellung der DPPs, sie stehen am Anfang der Wertschöpfungskette. Wenn sie bereits standardisierte digitale Produktdaten liefern können, ist es auch für weiterverarbeitende Unternehmen einfacher im späteren Produktionsprozess einfacher diese digital erkenn zu können und sie dann weiterzuverarbeiten.

Wenig Interesse zeigten in der Umfrage die unternehmensnahen Dienstleister. Sie sehen die DPPs mehrheitlich als unbedeutend für ihr eigenes Geschäftsmodell. Der Umstand, dass im Rahmen des gesamten Produktlebenszyklus auch ihre Dienstleistungen betroffen sind, ist bei den meisten noch nicht im Bewusstsein angekommen.

Können Unternehmen überhaupt standardisierte digitale Daten liefern?

In der deutschen Unternehmensrealität sieht es aktuell nicht gut aus mit standardisierten digitalen Daten, unabhängig von Vorbereitungen für einen digitalen Produktpass. Aktuell stellen nur die Hälfte der befragten Industrieunternehmen schon digitale Daten ihren Geschäftspartnern oder auch Kunden zur Verfügung – und davon liefern nur 18 Prozent auch standardisierte Daten, wie man sie für die DPPs braucht. Relativ gut sieht es dabei im verarbeitenden Gewerbe aus, hier liefern immerhin schon 3 von 5 Unternehmen digitale Daten an Partner, 25 Prozent davon in standardisierter Form. Die großen Unternehmen stehen dabei deutlich besser da als kleinere. Bei den ganz kleinen Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten werden nur bei einer knappen Hälfte der Unternehmen digitale Daten bereitgestellt.

Welche Anforderungen gibt es bei den digitalen Produktpässen für Verbraucher?

Auf Entwicklerebene bietet der digitale Produktpass aber auch eine Reihe von Herausforderungen in Bezug auf die Verbraucherfreundlichkeit. Die Informationen, die hierbei zur Verfügung gestellt werden sollen, sollen auch für Verbraucher anwenderfreundlich sein.- und das auch für komplexe Produkte. Sie müssen einfach zugänglich und verständlich sein, damit Verbraucher die für sie richtigen Entscheidungen in ihrem Alltag treffen können. Ein Ansatz hierfür ist die Entwicklung von bestimmten Labels oder auch Scores. Zusätzlich müssen aber auch tiefergehende Informationen über konkrete Wirkungen und ähnliches zur Verfügung gestellt werden.

Ein großes Thema bleibt auch der Datenschutz, denn sowohl unternehmensspezifische Daten als auch Verbraucherdaten sind sensibel. Deshalb bleibt auch hier die Frage, wer auf welche Daten zugreifen darf und wer die Daten bearbeiten darf. Hierbei müssten zumindest personenbezogene Daten von Verbrauchern nur mit einer Einwilligung überhaupt hinzugefügt, angezeigt, bearbeitet oder auch gelöscht werden.

Es müssen also zielgruppengerechte Zugriffsrechte von Anfang an definiert werden. Das alles muss im Spannungsfeld zwischen Datenschutz, wichtiger Datenkontrolle durch die Unternehmen und der beabsichtigten Nachhaltigkeit bewältigt werden. Wenn im finalen Modell also auch Verbraucherdaten erhoben werden sollen, die die Nutzung, Reparatur oder ähnliche Funktionen eines Produkts betreffen, ist eben auch eine besondere datenschutzrechtliche Konstruktion des Passes notwendig.

Welcher Herausforderungen müssen bei der Entwicklung des digitalen Produktpasses insgesamt bewältigt werden?

Klar ist schon einmal, dass der digitale Produktpass von einer Vielzahl von Wirtschaftsteilnehmern genutzt werden soll. Dabei müssen die verschiedenen Akteure in unterschiedlichen Versionen Zugriff auf die Informationen in den Pässen haben. Hier müssen zunächst einmal die unterschiedlichen Rollen der Nutzer definiert werden. Dies können beispielsweise Hersteller, Konsumenten, staatliche Aufsichtsorgane, Recyclingunternehmen und andere sein.

Jedoch braucht es für die Bewerkstelligung erst einmal eine grundlegende Infrastruktur, die den rechtlichen Rahmenbedingungen genüge tut. Und es braucht eine Standardisierung dabei, die es ermöglicht, dass alle Akteure innerhalb ihrer Berechtigungen auf Daten zugreifen können, diese verarbeiten können, weiterleiten können oder auch bearbeiten oder löschen können. Dabei muss es vertrauliche und öffentliche Bereiche geben und eine konkrete Definition von Zugriffsrechten.

Ist eine baldige Umsetzung des digitalen Produktpasses realistisch?

Wie aus der Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft hervorgeht, gibt es in Bezug auf den digitalen Produktpass insbesondere bei den deutschen Unternehmen nicht nur große Informationslücken, sondern auch wenig Engagement in diese Richtung. Da aktuell auch noch keine regulatorischen Anforderungen an Produkte in Bezug auf ihre Kreislauffähigkeit vorliegen, besteht in den Unternehmen auch kein akuter Handlungsbedarf. Deshalb ist das Thema insgesamt eher nachrangig.

Auch sind die Vor- und Nachteile, die die Einführung des digitalen Produktpasses bietet, noch nicht ausreichend kommuniziert. Das Schaffen der notwendigen Infrastruktur für die digitalen Produktpässe kann für die Unternehmen sowohl zeit- als auch kostenintensiv sein, aber die entstehende hohe Transparenz für Produktinformationen und die digitalen Möglichkeiten für eine Vernetzung bieten den Unternehmen auch neue Chancen.

Aktuell erfüllen die meisten Unternehmen noch nicht die digitalen Infrastrukturvoraussetzungen um eine Umsetzung des digitalen Produktpasses möglich zu machen. Zunächst einmal muss aber die EU eine praktikable Lösung für die Anlage der digitalen Produktpässe finden. Dabei werden Datenstandards, die global und offen sind, eine zentrale Rolle spielen, damit der digitale Produktpass überhaupt ins Leben gerufen werden kann.

 

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