Politik

Wehrpflicht kommt zurück nach Deutschland: Verteidigungsminister Pistorius sieht Einführung noch 2025

Nach Bildung der neuen Regierung: Der geschäftsführende Verteidigungsminister Boris Pistorius will die Einführung des neuen Wehrdienstmodells sofort umsetzen. Freiwilligkeit gilt dann nur – solange genug Soldaten gefunden werden. Allerdings gebe es nicht genügend Kapazitäten in den Kasernen. Es fehlt das Notwendigste: Betten, Kasernen, Ausbilder und Material. Militärischer Bauvorhaben werden deshalb priorisiert und bekommen Vorfahrt.
12.04.2025 19:23
Lesezeit: 3 min
Wehrpflicht kommt zurück nach Deutschland: Verteidigungsminister Pistorius sieht Einführung noch 2025
Einführung Wehrpflicht 2025: Verteidigungsminister Pistorius sagte, Ziel sei es, noch in diesem Jahr mit dem neuen Wehrdienst zu beginnen: „Wir wollen das Vorhaben Wehrdienst schnell aufs Gleis setzen." Foto: Klaus-Dietmar Gabbert

Der geschäftsführende Verteidigungsminister Boris Pistorius erwartet Tempo bei der Einführung eines neuen Wehrdienstmodells. „Wir haben in den letzten Monaten weiter an den entsprechenden Grundlagen gearbeitet, sodass die nächsten Schritte gleich nach Bildung der nächsten Regierung folgen können“, sagte der SPD-Politiker der DPA in Berlin.

Pistorius: Schritte für neuen Wehrdienst gleich möglich

Pistorius, der nach den Koalitionsverhandlungen seiner Partei mit der Union als gesetzt für eine weitere Amtszeit gilt, sagte, dass die Wiederaufnahme der Wehrerfassung und Wehrüberwachung erste geplante Schritte seien. „Sobald das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen ist, können wir die ersten Wehrdienstleistenden aufnehmen und ausbilden“, sagte er.

Wehrpflicht: Freiwilligkeit gilt – solange genug Soldaten gefunden werden

Union und SPD wollen ein neues und zunächst auf Freiwilligkeit basierendes Wehrdienstmodell einführen. So steht es im Koalitionsvertrag. „Wir gehen wir davon aus, dass wir mit einem attraktiven Wehrdienst genügend Freiwillige gewinnen werden. Sollte das eines Tages nicht der Fall sein, wird zu entscheiden sein, junge Männer verpflichtend einzuberufen“, sagte Pistorius dazu.

Die Wehrpflicht war in Deutschland im Juli 2011 nach 55 Jahren ausgesetzt worden. Das kam einer Abschaffung von Wehr- und Zivildienst gleich, denn es wurden auch alle nötigen Strukturen aufgelöst, obwohl die Wehrpflicht für Männer wieder auflebt, wenn der Spannungs- und Verteidigungsfall eintritt.

Pistorius: haben in Gesetzgebung „ein halbes Jahre verloren“

Pistorius sagte, Ziel sei es, noch in diesem Jahr mit dem neuen Wehrdienst zu beginnen. „Wir wollen das Vorhaben Wehrdienst schnell aufs Gleis setzen“, sagte er. „Wir haben durch das Vorziehen der Bundestagswahl ein halbes Jahr verloren, um das Gesetz durchs Parlament zu bringen. An dem Vorhaben haben wir intern aber weitergearbeitet.“

SPD und Union seien sich einig, dass es einen Aufwuchs der Bundeswehr sicherzustellen gelte. „Damit sind nicht nur die stehenden Streitkräfte gemeint, also die rund 180. 000 Männer und Frauen, sondern auch die Reserve“, so Pistorius.

Allerdings gebe es nicht mehr die gleichen Kapazitäten wie vor 30 Jahren. Es fehlen Betten, Kasernen, Ausbilder und Material. „Wir werden im ersten Jahr vermutlich rund 5.000 Wehrdienstleistende zusätzlich haben“, so Pistorius.

Der SPD-Politiker machte deutlich, dass er in dem Koalitionsvertrag eine gute Grundlage für die Bundeswehr sieht. Es werde der notwendige Spielraum eröffnet. Der Erfolg werde sich jedoch in der Regierungspraxis zeigen müssen.

Wehrpflicht: Schneller werden mit Beschaffung und Infrastruktur

Er kündigte an, dass Gespräche mit dem Bundestag über die künftige Parlamentsbeteiligung bei Rüstungsvorhaben geführt werden sollten. Mit sogenannten „25-Mio-Vorlagen“ wird vor allem der Haushaltsausschuss ab dieser Finanzschwelle an beteiligt.

Pistorius plädiert für eine Erhöhung der Schwelle. Er sagte: „Ich habe ein Interesse daran, dass wir mit dem Parlament einvernehmlich zu einer Lösung kommen, aber das muss in Ruhe besprochen werden.“

Auch bei Bauvorhaben müsse das Militär trotz einiger Fortschritte noch schneller werden. Infrastruktur sei eine entscheidende Voraussetzung für zentrale Fähigkeiten der Bundeswehr: auf eine größere Zahl von Soldaten anzuwachsen oder neue Waffen unterzubringen.

Pistorius: Brauchen Vorfahrtsregeln für die nationale Sicherheit

Union und SPD hätten sich deswegen im Koalitionsvertrag darauf verständigt, das Genehmigungs- und das Vergaberecht und viele zeitaufwändige Vorgaben für die Bundeswehr zu vereinfachen. „Dabei geht es auch um die Priorisierung militärischer Bauvorhaben“, sagte Pistorius. „Wir brauchen Vorfahrtsregeln für Fragen der nationalen Sicherheit und der Verteidigungsfähigkeit, die es uns erlauben, schneller und unkomplizierter zu bauen.“

Es sei „das gemeinsame Ziel aller europäischen Alliierten, dass wir mehr auf eigene Rüstungsproduktion und auch Entwicklung setzen müssen“, sagte Pistorius. Das stärke die eigene Verteidigungsfähigkeit und den eigenen Wirtschaftsstandort.

Nicht immer nur nach Washington schauen

„Eine völlige Unabhängigkeit von den USA ist in den nächsten zehn Jahren weder vorstellbar noch gewünscht. Wir halten an der Nato und dem transatlantischen Bündnis fest“, sagte er. Deutschland werde in Europa als größter Nato-Partner eine wichtige Rolle spielen.

„Es hilft uns nicht, immer nur nach Washington zu schauen. Wir hätten gut daran getan, schon früher mehr Selbstständigkeit zu zeigen“, sagte er. Und: „Wir stehen vor einem Jahrzehnt der Bewährung: Gelingt es uns, in den kommenden Jahren glaubhafte Abschreckung und Verteidigung zu gewährleisten oder nicht.“

Militärischer Abschirmdienst bekommt erweiterte Befugnisse

Pistorius begrüßte die Übereinkunft mit der Union, den für die Sicherung der Bundeswehr und Spionageabwehr zuständigen Militärischen Abschirmdienst (MAD) zu stärken und das MAD-Gesetz zu modernisieren. Spätestens mit der Aufstellung der Brigade Litauen und der dauerhaften Stationierung deutscher Soldaten an der Nato-Außengrenze veränderten sich die Sicherheitsanforderungen. Pistorius sagte: „Es geht um erweiterte und neue Befugnisse auch in Regionen, denen wir bislang nicht waren.“

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