Scheinbare Erholung verschleiert strukturelle Schwächen
Daten des Analyseunternehmens QuantCube Technology, das auf Echtzeit-Indikatoren wie Online-Bestellungen, Logistikdaten und Satellitenbilder zurückgreift, zeigen zwar ein BIP-Wachstum von über fünf Prozent im ersten Quartal 2025. Doch dieser Zahl stehen zunehmend alarmierende Signale gegenüber.
Der Konsum zieht an, insbesondere in den Bereichen Wohnen und Freizeit. Auch die Industrieproduktion hat sich stabilisiert. Doch diese Erholung ist trügerisch. Denn sie geht nicht mit einem Beschäftigungswachstum einher. Im Gegenteil: Der Arbeitsmarkt steht unter massivem Druck.
Noch bevor die US-Regierung unter Donald Trump neue Zölle von bis zu 145 Prozent auf chinesische Waren verhängte, begann die Zahl der Stellenangebote zu sinken. Nun verschärft sich die Lage dramatisch: QuantCube prognostiziert einen Rückgang der offenen Stellen um fast 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr – ein klares Warnsignal.
Besonders betroffen: der Dienstleistungssektor und das Baugewerbe. Trotz steigender Bautätigkeit, wie ein 29-prozentiger Anstieg der Baggerverkäufe im März belegt, werden kaum neue Arbeitskräfte eingestellt. Die offiziellen PMI-Daten belegen: Die Beschäftigungsindikatoren zeigen wieder nach unten.
Zölle treffen Chinas Exporte – Millionen Arbeitsplätze gefährdet
Die Auswirkungen der US-Zölle auf den chinesischen Export könnten verheerend sein. Schätzungen von Goldman Sachs zufolge hängen bis zu 20 Millionen chinesische Arbeitsplätze – also rund drei Prozent der Bevölkerung – direkt oder indirekt von den USA als Absatzmarkt ab. In Städten könnten Exporte in die USA bis zu neun Millionen Jobs sichern. Doch der Zugang zu diesem Markt wird durch Zölle auf Waren im Wert von über 500 Milliarden US-Dollar zunehmend versperrt.
Ein Teil der Wirtschaft zeigt sich dennoch überraschend optimistisch. Ein aktueller Stimmungsindex der Cheung Kong Graduate School of Business, der auf Umfragen unter privaten Unternehmen basiert, erreicht den höchsten Wert seit fast zwei Jahren. Unternehmer berichten von besserem Zugang zu Krediten, gestiegenem Umsatz und stabileren Lagerbeständen.
Doch dieser Stimmungswandel hat (noch) keine realwirtschaftlichen Konsequenzen. Die Beschäftigung bleibt schwach. Viele Unternehmen zögern mit Neueinstellungen – zu groß ist die Unsicherheit über die weitere Entwicklung im Handelskonflikt.
Verbraucher bleiben zurückhaltend – Vertrauen bleibt aus
Auch die chinesischen Konsumenten halten sich zurück. Der Verbraucherstimmungsindex von Morning Consult zeigt weiterhin ein niedriges Niveau – trotz fiskalischer Anreize und Bemühungen, die Binnennachfrage zu stimulieren. Die Realität: Die Maßnahmen verpuffen bisher wirkungslos.
Dabei wird genau dieser Binnenkonsum jetzt zur zentralen Stellschraube. Denn sollte der US-Markt dauerhaft wegbrechen, könnte Chinas BIP um bis zu drei Prozent einbrechen – so die Einschätzung von Bloomberg Economics.
Zentralbank hält still – Schulden steigen
Die chinesische Zentralbank bleibt vorerst passiv. Weder Zinssenkungen noch eine Lockerung der Mindestreserveanforderungen wurden beschlossen. Die Hoffnung ruht nun auf der Fiskalpolitik. Bereits im Februar erreichte die Emission neuer Schuldtitel ein Rekordhoch von über 200 Milliarden US-Dollar – fast dreimal so viel wie im Vorjahr. Die Zeichen stehen klar auf schuldenfinanzierte Infrastrukturprogramme.
Ein kleiner Hoffnungsschimmer: Die Entscheidung der US-Regierung, Smartphones, Computer und andere Schlüsseltechnologien vorerst von der Zoll-Liste zu streichen. Betroffen wären Exporte im Wert von über 100 Milliarden US-Dollar. Doch ob dies ausreicht, um den Druck auf den Gesamtmarkt zu lindern, ist fraglich.
Fazit: China droht die nächste große Krise – und der Westen wird mitgerissen
Chinas Wirtschaft wächst – aber auf tönernen Füßen. Der Arbeitsmarkt schwächelt, das Vertrauen der Konsumenten fehlt, und der wichtigste Exportmarkt steht auf der Kippe. Die Regierung steht vor einer schweren Entscheidung: Entweder sie handelt entschlossener – oder das Land steuert auf eine Rezession zu.
Für den Westen ist dies keine gute Nachricht. Ein wirtschaftlich geschwächtes China könnte die globale Konjunktur ins Wanken bringen. Die Risiken sind längst nicht mehr auf Asien begrenzt. Die nächste weltweite Krise könnte schon begonnen haben – diesmal mit Ursprung in Washington und einem Epizentrum in Peking.