Maschinen können viel – aber nicht alles
Stellen wir uns ein einfaches Experiment vor: Zwei Hedgefonds, identisch kapitalisiert. Der eine wird von erfahrenen Analysten, der andere ausschließlich von Algorithmen geführt. Wer schlägt sich besser? Die Antwort ist nicht nur eine Frage der Technik – sondern auch der Zeit.
Die Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz haben in den vergangenen Jahren die Grenze des technisch Machbaren kontinuierlich verschoben. In der Medizin stellen Algorithmen bereits in vielen Bereichen präzisere Diagnosen als Ärzte. In der Sprachtechnologie übersetzen KI-Modelle flüssiger, schneller und günstiger als ein ganzes Team professioneller Übersetzer. Und an der Börse? Auch hier kommen Algorithmen längst in großem Stil zum Einsatz – von der automatisierten Handelsentscheidung bis hin zur fundamentalen Aktienanalyse.
Doch: Wer zu Beginn des Jahres 2019 in aktiv verwaltete Fonds – also in Fonds, die von Menschen geführt werden – investierte, schnitt besser ab als diejenigen, die auf KI-gestützte, rein algorithmische Systeme setzten. Der menschliche Faktor machte sich bezahlt – mit einer deutlich höheren Rendite.
Das klingt nach einem Rückschlag für die Technologiegläubigen. Doch der Teufel steckt im Detail.
Der Zeitfaktor: Eine Frage der Perspektive
Denn wer sich die Performance seit 2010 ansieht, erkennt das Gegenteil: Auf lange Sicht gewinnen die Maschinen. Der Vorsprung der KI-Fonds war über fast ein Jahrzehnt stabil – erst ab 2019 änderte sich das Bild. Ein statistisches Ausreißersignal? Vielleicht. Oder steckt mehr dahinter?
Die wissenschaftliche Literatur bietet interessante Einblicke. Eine vielzitierte Studie von Miguel und Chen mit dem bezeichnenden Titel „Do machines beat humans?“ zeigt, dass menschliche Fondsmanager im Vergleich zu Algorithmen über eine höhere Persistenz bei Überrenditen verfügen – also ihre Gewinne verlässlicher wiederholen können. Maschinen neigen hingegen dazu, schneller und abrupter zu scheitern.
Noch spannender wird es, wenn Mensch und Maschine zusammenarbeiten. In der Untersuchung „From Human vs. Machine to Human + Machine“ wurden Prognosen menschlicher Analysten mit denen eines Deep-Learning-Modells verglichen – sowie eine Kombination beider Methoden getestet. Das Ergebnis ist eindeutig: Der Hybrid-Ansatz war mit Abstand am erfolgreichsten. Die Risiken wurden um bis zu 90 Prozent reduziert. Die Schwächen beider Seiten wurden gegenseitig ausgeglichen – mit enormem Mehrwert für Investoren.
Die entscheidende Erkenntnis: Der Mensch bleibt vorerst unersetzlich
So zeigt sich: Der Kampf „Mensch gegen Maschine“ ist eine Fehleinschätzung. Die wahre Kraft liegt in der Zusammenarbeit. Während KI-Modelle Geschwindigkeit, Rechenleistung und Mustererkennung mitbringen, liefern Menschen Intuition, Kontextverständnis, Kreativität – und eine unverzichtbare Fehlerkultur. Noch sind es die Menschen, die den Rahmen definieren, in dem Algorithmen operieren. Und: Noch sind es Menschen, die beurteilen können, wann ein Modell versagt.
Zugegeben: Niemand weiß, wie lange das noch so bleibt. In zwei oder drei Jahrzehnten könnte sich die Rollenverteilung grundlegend verändert haben. Doch derzeit – und das ist keine triviale Erkenntnis – sind es die Menschen, die an den Finanzmärkten wieder die Nase vorn haben. Nicht trotz, sondern auch wegen der Technologie.
Die eigentliche Herausforderung ist daher nicht die Frage, ob Maschinen uns ersetzen, sondern wie wir sie integrieren. Wer heute klug handelt, setzt auf menschliche Erfahrung, verstärkt durch algorithmische Präzision – nicht umgekehrt.