Unternehmensporträt

Trade-In-Experte: „Rücknahme ist kein reines Nachhaltigkeitsetikett, sondern ein Business Case“

Gebrauchte Smartphones und mobile Geräte sind unterschätzte Vermögenswerte, vor allem im Mittelstand. Trade-In-Experte Alexander Heß erklärt, wie KMU mit Trade-In-Programmen nicht nur CO2 einsparen, sondern Kosten senken, Bilanzvorteile realisieren und regulatorisch aufholen können.
29.05.2025 11:00
Lesezeit: 7 min
Trade-In-Experte: „Rücknahme ist kein reines Nachhaltigkeitsetikett, sondern ein Business Case“
Wie KMU mit Smartphone-Trade-In CO₂ und Kosten senken (Foto: dpa).

DWN: Herr Heß, Kreislaufwirtschaft gilt oft als moralische Pflicht. Was bringt die Rückführung gebrauchter mobiler Geräte über Trade-In-Modelllösungen Unternehmen wirtschaftlich – gerade im Mittelstand?

Alexander Heß: Wer sich heute mit Kreislaufwirtschaft im Tech-Bereich befasst, kommt an Trade-In bzw. Rücknahmeprogrammen nicht vorbei. Denn wir reden hier nicht über abstrakte Nachhaltigkeitsziele, sondern über ganz konkrete wirtschaftliche Hebel. Es gibt kaum ein Asset, das nach der Erstnutzung noch so viele Optionen bietet – sei es durch Refurbishment-Vermarktung, Weiterverwendung oder als Ersatzteilträger. Rücknahme ist also nicht nur eine ökologische Maßnahme, sondern ein valider Business Case. Wir sprechen über monetarisierbare Restwerte, CO2-Effekte und Compliance-Relevanz. Und das Beste daran: Der Einstieg ist niedrigschwellig – gerade für KMU mit begrenzten Ressourcen.

DWN: Warum fällt es Mittelständlern dennoch schwer, das wirtschaftliche Potenzial hinter Trade-In zu erkennen?

Heß: Weil der Hebel auf den ersten Blick nicht greifbar erscheint. Viele KMU haben Trade-In bisher als Nice-to-Have wahrgenommen – nicht als messbaren Business Driver. Dabei lässt sich mit wenigen Geräten schon ein klarer Value Stream aufbauen, etwa durch Refurbishment-Vermarktung oder gezieltes CO2-Tracking. Ein Gerät, das ungenutzt in der Schublade liegt, ist totes Kapital – wirtschaftlich wie ökologisch. Mit einem professionellen Rücknahmeprozess werden daraus sofort verwertbare Assets. Und der Einstieg ist dank standardisierter Abläufe, für die keine eigene Infrastruktur vorgehalten werden muss, denkbar einfach. Das ist ein unterschätztes Effizienztool, kein CSR-Feigenblatt.

DWN: Sie verantworten bei Assurant Deutschland sämtliche Aktivitäten im Bereich Connected Living. Wie profitieren KMU, wenn sie Trade-In-Programme als Geschäftsmodell nutzen?

Heß: Wenn wir über den konkreten Business Value sprechen, geht es vor allem um eines: Rückführung schafft Handlungsspielraum. Ein Gerät, das zurückkommt, eröffnet Optionen – Wiedervermarktung, Ersatzteilgewinnung, Recycling. Das senkt nicht nur Kosten, sondern verbessert auch ganz konkret die Scope-3-Bilanz. Für Unternehmen heißt das: Sie gewinnen Transparenz über ihre CO2-Auswirkungen und können das in ihre ESG-Strategie integrieren. Gerade bei KMU erleben wir oft, dass durch ein smart aufgesetztes Trade-In-Modell plötzlich CO2-Einsparungen quantifizierbar werden – und das ohne zusätzliche interne Ressourcen.

Und: Diese Programme helfen nicht nur beim Thema Nachhaltigkeit, sondern stärken auch die Kundenbindung und machen Prozesse revisionssicher – ein Faktor, der im Rahmen regulatorischer Anforderungen immer wichtiger wird.

DWN: Welche Rolle übernimmt Assurant dabei?

Heß: Assurant ist ein börsennotierter US-Konzern mit rund 14.000 Mitarbeitenden weltweit und drei strategischen Säulen: Geräteschutz, Garantieverlängerung und Rücknahmelösungen für den Bereich Connected Living, also alles rund um vernetzte Elektronik. Unserer Aufgabe im Trade-In-Bereich ist es, Unternehmen, gerade auch KMU, eine voll integrierbare Lösung anzubieten, die ohne eigene Infrastruktur funktioniert: Wir kümmern uns um Versand & Logistik, DSGVO-konforme Datenlöschung, stellen Löschzertifikate aus und übernehmen Refurbishment oder fachgerechtes Recycling. Im Hintergrund laufen standardisierte und revisionssichere Prozesse, was die Integration einfach und den Nutzen direkt messbar macht.

DWN: Ab wann gilt ein Smartphone eigentlich als „gebraucht“, und wie lange lassen sich solche Geräte wirtschaftlich sinnvoll weiter nutzen?

Heß: Technisch ist ein Gerät ab dem Moment der Erstnutzung gebraucht – aber das sagt wenig über seinen realen Wert aus. Die meisten Smartphones in Europa werden nach rund zweieinhalb Jahren ausgetauscht, sind aber oft noch in Top-Zustand. Dank längerer Updatezyklen – bei Android teils sieben Jahre – lässt sich die Nutzung deutlich strecken. Wir sehen, dass solche Geräte in Refurbishment-Kanälen oder auf Sekundärmärkten – etwa in Südostasien oder Afrika – problemlos ein zweites, drittes oder sogar viertes Leben bekommen. Das ist gelebte Kreislaufwirtschaft mit globaler Wirkung und ein wirtschaftlich hochattraktives Modell für Unternehmen, die Restwerte sichern und Ressourcen schonen wollen.

DWN: Wirtschaftlich hochattraktiv ist ein gutes Stichwort: Welche finanziellen Vorteile ergeben sich für Unternehmen, wenn sie Altgeräte professionell zurückgeben?

Heß: Der wirtschaftlich sichtbarste Hebel liegt im Werterhalt. Ein Gerät, das zurückkommt, generiert sofortigen Cashflow – entweder direkt oder als verrechenbarer Gutschriftwert. Gleichzeitig sinken die Entsorgungs- und Beschaffungskosten. Ganz nebenbei sinkt auch die TCO, also die Total Coast of Ownership, weil Neuanschaffungen gezielter geplant werden können.

Darüber hinaus entstehen geldwerte Vorteile in ganz unterschiedlichen Formen: Rückkauf als Gutschrift, Auszahlung- Kostenvorteile im Rahmen von Leasingmodellen oder –garantierter Rücknahmepreise. Konkret bieten wir hier auch Forward Trade-In-Modelle an – das heißt: Unternehmen kennen den Rücknahmepreis bereits beim Kauf. Das schafft Planungssicherheit, reduziert Restwert-Risiken und hilft bei der Bilanzierung. Gerade in Kombination mit Versicherungs- oder Serviceverträgen entsteht so ein geschlossenes, steuerbares System. Gerade für kleinere Unternehmen wird so Liquidität planbar, weil sie mit fixen Rückflüssen kalkulieren können. Das bringt auch bilanzielle Vorteile und erhöht die Investitionssicherheit.

DWN: Wie strategisch ist das Thema Trade-In inzwischen für Netzbetreiber, Händler oder Hersteller?

Alexander Heß: In den USA ist ein Rückkaufbonus längst gesetzt – wer kein Trade-In anbietet, verliert Kundinnen und Kunden. Es geht hier nicht nur um Nachhaltigkeit, sondern auch um eine neue und effiektive Vertriebslogik: Kundenbindung, Upselling, Differenzierung. Ein gut integriertes Rücknahmeprogramm verlängert die Kundenbeziehung deutlich, wir sprechen von echten Lifecycle-Konzepten. Und: Es entstehen neue Touchpoints, etwa für Zubehör, Versicherungen oder digitale Services. Das schafft Marge und steigert den Customer Lifetime Value. Viele unserer Partner nutzen Trade-In inzwischen als zentrales Argument in der Akquise, darunter auch einer der führenden Netzbetreiber hierzulande.

DWN: Warum ist Trade-In in Deutschland noch nicht so etabliert wie in den USA – und wie unterscheiden sich die Modelle für Konzerne und KMU?

Heß: Wir haben hierzulande keine ausgeprägte Rückgabekultur. Im Festnetzbereich gehört die Rückgabe von Hardware wie Routern längst zum Standard – bei mobilen Geräten wie Smartphones ist das bislang nicht etabliert. Zudem fehlen häufig einfache Rückgabeprozesse. Genau da setzen wir an.

Die Grundlogik hinter Trade-In ist zwar dieselbe, aber der Umfang variiert deutlich. Großunternehmen integrieren solche Programme oft direkt in ihre IT- und Beschaffungsprozesse, mit eigenen Dashboards und Schnittstellen. Im Mittelstand braucht es eher Plug-and-Play: ein standardisiertes Setup, klar definierte SLAs und wenig internen Aufwand. Wichtig ist: Auch kleinere Stückzahlen lassen sich wirtschaftlich darstellen – etwa über modulare Modelle oder Rahmenverträge mit Partnern. Die Grundlogik ist dieselbe, aber der Umfang variiert. Großunternehmen integrieren solche Programme oft direkt in ihre IT- und Beschaffungsprozesse. KMU profitieren von schlanken Plug-and-Play-Modellen, bei denen wenig eigener Aufwand entsteht. Wichtig ist: Auch bei kleineren Stückzahlen lohnt es sich – etwa über Rahmenverträge mit Partnern.

DWN: In der Praxis stoßen viele Mittelständler auf Hürden bei der Einführung – was bremst den Einstieg konkret?

Heß: Die größte Herausforderung ist meist organisatorischer Natur – nicht technischer. Viele KMU fragen sich zu Beginn: Wer übernimmt das intern? Wie läuft der Versand? Was passiert mit den Daten? Und wie viel Aufwand bedeutet das wirklich? Genau da setzen wir mit einem standardisierten Setup an: Versand und Logistik, DSGVO-konforme Löschung, Tracking, Nachweisdokumentation – alles ist vorkonfiguriert. Wichtig ist, dass die Einstiegshürde niedrig ist. Niemand muss dafür ein eigenes Projektteam aufbauen. Und über unser Partnernetzwerk erhalten die Unternehmen auf Wunsch weitere Unterstützung, etwa bei der Integration in bestehende IT-Systeme oder bei der Kommunikation gegenüber Mitarbeitenden. Wir sagen oft: Das Entscheidende ist, überhaupt loszulegen – der Rest ergibt sich Schritt für Schritt.

DWN: Sie bieten auch Forward Trade-In-Modelle an – also garantierte Rücknahmepreise beim Gerätekauf. Was bringt das konkret für Unternehmen?

Heß: Das zentrale Stichwort lautet Planungssicherheit. Unternehmen kennen den Rücknahmepreis bereits beim Kauf und können den Lifecycle betriebswirtschaftlich durchplanen. Das reduziert Unsicherheiten beim Restwert, verbessert die Liquiditätssteuerung und schafft Investitionsklarheit. Für viele KMU ist das besonders attraktiv, weil sie auf diese Weise Rückflüsse konkret einplanen und bilanzwirksam abbilden können. Gleichzeitig stärkt es das Nachhaltigkeitsprofil, weil der Kreislaufgedanke von Anfang an mitgedacht wird. Und wenn das Modell mit Versicherungs- oder Servicekomponenten kombiniert wird, entsteht ein geschlossenes, steuerbares Paket. So wird aus einem Altgerät kein Entsorgungsproblem sondern ein planbarer Rückflussfaktor.

DWN: Assurant hat mit „Carbon IQ“ ein Analyse-Tool entwickelt, das CO2-Einsparungen durch Wiederverwertung messbar macht. Wie genau unterstützt es Unternehmen bei ihren Nachhaltigkeitszielen?

Heß: Carbon IQ™ von Assurant ist unser patentiertes Analyse-Tool zur Quantifizierung von CO2-Einsparungen entlang des gesamten Gerätelebenszyklus – von der verlängerten Nutzung über die Wiederaufbereitung bis hin zum Recycling. Die Grundlage ist ein standardisiertes Modell, das wir gemeinsam mit Partnern aus Industrie und Nachhaltigkeitszertifizierung entwickelt haben – made in Germany und made by Assurant. Das Besondere: Die Einsparungen lassen sich nicht nur schätzen, sondern valide und auditierbar belegen. Unternehmen können sie direkt in ihrer Scope-3-Bilanzierung verwenden – ein echter Fortschritt im ESG-Reporting. Gerade für mittelständische Unternehmen, die in Ausschreibungen ESG-Kriterien nachweisen müssen oder aktiv an Nachhaltigkeitsstrategien arbeiten, ist das ein strategischer Hebel. Viele nutzen Carbon IQ, um konkrete Zahlen zu bekommen, die intern steuerbar und extern kommunizierbar sind – etwa gegenüber Stakeholdern oder in der öffentlichen Beschaffung. Die Akzeptanz steigt enorm, sobald CO2-Effekte sichtbar und vergleichbar gemacht werden können.

DWN: Akzeptanz ist eine gute Überleitung zur abschließenden Frage: Welche politischen Rahmenbedingungen würden helfen, den Markt in Deutschland zu beschleunigen?

Heß: Frankreich ist da Vorreiter. Dort sind Unternehmen verpflichtet, 30 Prozent ihrer IT aus gebrauchten Geräten zu beziehen – das schafft Nachfrage, Dynamik und vor allem Markttransparenz. Wir sehen also: Sobald der Gesetzgeber klare Anreize setzt, steigt die Adoptionsrate massiv. Denkbar wären steuerliche Abschreibungsmodelle für wiederverwendete Hardware, Förderprogramme für Rücknahmesysteme oder eine verbindliche Quote bei öffentlichen Ausschreibungen. Auch einheitliche Standards zur Bewertung und Rückführung würden helfen, Vertrauen zu schaffen – sowohl bei Unternehmen als auch bei Endkunden. Wichtig ist: Es braucht einfache, anschlussfähige Prozesse und nachvollziehbare Wirkung. Denn am Ende zählt nicht das Label, sondern der tatsächliche Impact – ökonomisch wie ökologisch.

DWN: Herr Heß, vielen Dank für das Gespräch.

Info zur Person: Alexander Heß ist Country Manager Germany bei Assurant, einem weltweit führenden Anbieter von Lifestyle- und Connected-Living-Lösungen. In dieser Rolle verantwortet er alle nationalen Aktivitäten im Bereich Trade-In, Refurbishment und Geräteschutz. Gemeinsam mit einem länderübergreifenden Team entwickelt er marktspezifische Rücknahme- und Absicherungsmodelle für Netzbetreiber, Händler und mittelständische Unternehmen. Zuvor war Heß unter anderem bei AXA Partners, R+V und Chubb in leitenden Funktionen tätig.

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