Friedrich Merz ist der neue Bundeskanzler - mit Hilfe von Grünen und Linken
Der heutige zweite Wahlgang wäre eigentlich per Satzung nicht möglich gewesen. Doch eine Sonderklausel sieht vor, dass ein zweiter Wahlgang am gleichen Tag stattfinden kann, wenn eine Mehrheit von zwei Drittel der Stimmen dies befürwortet. Dies war möglich, weil Friedrich Merz und die Union sich an die Linken gewandt haben und diese zugestimmt haben.
Holpriger Amtsantritt für Bundeskanzler Merz
Ein schwerer Einstieg, der nur knapp gutging: Zehn Wochen nach der vorgezogenen Bundestagswahl übernimmt Friedrich Merz als Bundeskanzler das Amt. Der CDU-Vorsitzende folgt auf Olaf Scholz von der SPD, dessen Ampel-Regierung mit Grünen und FDP vor sechs Monaten zerbrach. Selten zuvor war ein Start ins Kanzleramt so instabil wie bei Merz: Erst im zweiten Durchgang wurde er zum Bundeskanzler gewählt. Beim ersten Versuch scheiterte er im Bundestag, es fehlten sechs Stimmen zur Mehrheit. Mindestens 18 Abgeordnete aus Union und SPD verweigerten Merz ihre Zustimmung mit "Ja".
Erleichterung überwog die Freude beim 69-Jährigen, als Bundestagspräsidentin Julia Klöckner das Ergebnis der zähen zweiten Wahl verkündete. Diesmal gewann Merz mit einem knappen Vorsprung von neun Stimmen – obwohl auch jetzt nicht alle 328 Stimmen von Union und SPD für ihn abgegeben wurden. Trotz des Erfolgs bleibt für Merz ein bitterer Nachgeschmack, wenn er an diesen Tag zurückblickt – an jenen, der eigentlich der Höhepunkt seiner Laufbahn sein sollte. Der Verlauf des Tages wirft einen dunklen Schatten auf den Start der Kanzlerschaft.
Startet Merz angeschlagen ins Kanzleramt?
Die Anforderungen an die neue Regierung sind hoch – im Inland ebenso wie international. Die deutsche Bevölkerung setzt auf wirtschaftliche Erholung. Dafür muss rasch ein neuer Haushalt beschlossen werden. Doch Merz beginnt seine Amtszeit angeschlagen. Wird künftig bei jeder Entscheidung die Mehrheit unsicher sein? Nein – Sachentscheidungen werden im Bundestag offen abgestimmt, etwa per Handzeichen oder namentlich. Heimliche Abweichler wie bei der Kanzlerwahl wird es so nicht mehr geben. Wer mit Bundeskanzler Merz oder der Koalition ein Problem hat, muss dies öffentlich machen.
Auch im Ausland wird man den verpatzten Start von Merz wahrnehmen – ihn aber wohl bald abhaken. Europas Partner hoffen darauf, dass Deutschland als führende Wirtschaftskraft wieder voll handlungsfähig wird. Gerade angesichts des US-Kurswechsels unter Trump, der Bedrohung durch Russland und der wachsenden Konkurrenz aus China.
Zweite Chancen kennt Merz gut
Niederlagen gehören zur Karriere von Merz: Nach dem Aufstieg von Angela Merkel zog er sich einst enttäuscht zurück, da er unter ihr keine Zukunft sah. Sein späteres Comeback an die CDU-Spitze gelang ihm erst im dritten Anlauf. Zwei innerparteiliche Wahlen verlor er – doch er blieb hartnäckig. Nun hat er es doch noch ins Kanzleramt geschafft.
Union und SPD haben ambitionierte Pläne und wollen rasch durchstarten. Noch am Abend will Olaf Scholz die Amtsgeschäfte an Merz übergeben. In einigen Ministerien ist das ebenfalls für heute Abend vorgesehen, in anderen für morgen früh. Die erste Kabinettssitzung ist für den späten Abend angesetzt. Erste Maßnahme: die im Koalitionsvertrag vereinbarte Abschaffung diverser Beauftragtenstellen – als Symbol gegen übermäßige Bürokratie.
Strafe oder Misstrauen aus der eigenen Fraktion?
Doch es bleibt die Frage im Raum: Weshalb missglückte der Start so gründlich? Vor der Sitzung rechneten Union und SPD mit geschlossener Unterstützung für Merz. Die SPD bestritt umgehend jede Schuld am Ausgang. "Auf uns ist Verlass", sagte Vizekanzler in spe Lars Klingbeil laut Fraktionskreisen. Die Wahl war jedoch geheim – überprüfbar ist das Abstimmungsverhalten im Bundestag nicht.
CSU-Vorsitzender Markus Söder appellierte an die Abgeordneten: Jetzt sei nicht der Zeitpunkt für persönliche Rechenspiele oder Denkzettel. Es gehe bei der Wahl nicht nur um Merz, sondern um Stabilität und eine funktionierende Regierung.
Wie belastbar ist das Vertrauen in Merz?
Aber auch innerhalb der Union sorgte Merz für Unmut – vor allem, als er kurz nach der Bundestagswahl eine Lockerung der Schuldenbremse für das Verteidigungsbudget ins Gespräch brachte. Dabei hatte seine Partei im Wahlkampf den Eindruck vermittelt, diese strikt einhalten zu wollen.
Seitdem ist die Zustimmung zu Merz in Umfragen rückläufig. Viele Wähler fühlen sich hintergangen, auch intern gab es Kritik. Der neue Bundeskanzler Merz gab offen zu: "Ich weiß, dass ich jetzt einen sehr hohen Kredit in Anspruch genommen habe, auch was meine persönliche Glaubwürdigkeit betrifft." Diesen Kredit muss Merz nun im Kanzleramt einlösen.