Wirtschaft

Dollar unter Druck: Starökonom Rogoff warnt vor globalem Finanzbeben

Kenneth Rogoff, einer der einflussreichsten Ökonomen unserer Zeit, schlägt erneut Alarm – und diesmal geht es um nicht weniger als das Fundament des globalen Finanzsystems. Der schleichende Verlust des US-Dollars als Leitwährung könnte eine weltweite Schuldenkrise auslösen, warnt der frühere IWF-Chefökonom. Besonders brisant: Donald Trumps Politik wirkt dabei wie ein Brandbeschleuniger.
06.05.2025 15:22
Aktualisiert: 06.05.2025 15:22
Lesezeit: 3 min
Dollar unter Druck: Starökonom Rogoff warnt vor globalem Finanzbeben
Starökonom Rogoff vergleicht die Situation mit einem bevorstehenden Herzinfarkt. (Foto: dpa | Jeon Heon-Kyun) Foto: Jeon Heon-Kyun

„Unvernünftiges Privileg“ in Gefahr

Wenn Kenneth Rogoff spricht, hört die Finanzwelt genau hin. Der ehemalige IWF-Chefökonom und Harvard-Professor hat Krisen wie die globale Finanzkrise 2008, die Euro-Krise und das Immobilienbeben in China mit bemerkenswerter Präzision vorausgesehen. Nun richtet er den Blick auf ein drohendes Szenario, das in den Zentren der Macht bislang oft verdrängt wird: den Niedergang des US-Dollars als globale Leitwährung – mit potenziell dramatischen Folgen für die Weltwirtschaft.

Der US-Dollar dominiert das internationale Finanzsystem seit dem Zweiten Weltkrieg – mit all den Vorteilen, die damit einhergehen. Er ist an 90 Prozent aller globalen Devisentransaktionen beteiligt und macht rund 60 Prozent der weltweiten Zentralbankreserven aus. Doch dieses "unvernünftige Privileg", wie es der französische Finanzminister Giscard d’Estaing einst nannte, wankt.

Trump als Brandbeschleuniger eines schleichenden Verfalls

Laut Rogoff habe die globale Bedeutung des Dollars bereits 2015 ihren Höhepunkt erreicht – noch bevor Donald Trump das erste Mal Präsident wurde. Doch unter Trump, besonders in dessen zweiter Amtszeit, habe sich der Niedergang massiv beschleunigt.

„Donald Trump ist ein Beschleuniger. Die Entwicklungen gehen derzeit viel schneller voran, als ich es mir hätte vorstellen können“, so Rogoff im Interview mit der dänischen Wirtschaftszeitung Børsen.

Finanzmärkte unter Druck – Vertrauen schwindet

Die Folgen sind bereits sichtbar: Der Dollar verlor in den letzten Monaten deutlich an Wert, obwohl Zinsen in den USA steigen – ein Paradoxon, das viele Volkswirte irritiert. Doch für Rogoff ist die Erklärung einfach: „Es ist eine Erosion des Vertrauens in die Vereinigten Staaten, die nicht verschwinden wird.“

Das Vertrauen bröckelt – und mit ihm der Zinssatz-Vorteil

Rogoff warnt: Sobald der Dollar nicht mehr als globale Reservewährung dominiert, verlieren die USA einen ihrer größten wirtschaftlichen Vorteile – extrem niedrige Zinsen für Staat und Unternehmen. Aktuell zahlt die US-Regierung rund 0,5 bis 1 Prozentpunkte weniger als andere Länder. Doch dieser Spielraum schwindet.

„Es verschärft eine unhaltbare Situation. Es wird die Zinsen erhöhen und den Tag, an dem die Krise zuschlägt, näher rücken lassen.“

Dollar als Risikofaktor für die globale Ordnung

Rogoff vergleicht die Situation mit einem bevorstehenden Herzinfarkt: "Sie können lange mit hohem Cholesterin leben – aber irgendwann kommt der Zusammenbruch." Dass die USA derzeit jährlich mehr für Schuldzinsen als für ihre Verteidigung ausgeben, sei ein deutliches Warnsignal.

Die politische Klasse in den USA: Unfähig zur Kurskorrektur

Dabei sieht Rogoff das Problem nicht allein bei Trump: „Ich war ein doppelter Hasser. Beide Kandidaten – Trump wie Harris – waren historisch schwach.“ Besonders fatal sei, dass weder Demokraten noch Republikaner eine Strategie zur Defizitreduzierung hätten.

Zölle, politische Einflussnahme auf die Zentralbank und ein beispielloser Mangel an wirtschaftlicher Kompetenz gefährden laut Rogoff die Stabilität der US-Währung massiv.

Der globale Umbruch: Vom Dollar zur Tripolarität

Die Zukunft sieht Rogoff in einem „tripolaren System“: Der Dollar bleibt wichtig, aber der Euro und der chinesische Yuan gewinnen rapide an Gewicht. China werde den Yuan stärker internationalisieren, Europa könne seine Rolle festigen – vorausgesetzt, es entwickelt militärische Schlagkraft und politische Geschlossenheit.

Trump als Katalysator für Europas Stärke

„Donald Trump ist wahrscheinlich das Beste, was dem Euro-Projekt seit langem passiert ist“, sagt Rogoff. Denn: Je unzuverlässiger die USA, desto größer die Chance für Europa, wirtschaftlich wie geopolitisch an Einfluss zu gewinnen.

Was auf uns zukommt: Volatilität, Ungewissheit, Systemwechsel

Der Weg zu einer neuen Welt-Finanzordnung wird holprig. Rogoff prognostiziert ein Jahrzehnt massiver Schwankungen bei Zinsen, Währungen und Kapitalströmen.

„Wenn der Welt in Zukunft das Geld ausgeht, muss es nicht mehr nur um Dollars gehen.“

Das Dollar-Zeitalter nähert sich dem Ende – mit offenem Ausgang

Der schleichende Machtverlust des Dollars ist für Kenneth Rogoff keine Frage des Ob, sondern des Wann. Was folgt, ist eine Neuverteilung der globalen finanziellen Kräfte – mit ungewissen Folgen für die USA, aber auch für Europa und China.

Eine Schuldenkrise, so Rogoff, sei nicht nur denkbar – sie sei sehr, sehr wahrscheinlich.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deindustrialisierung: Ostdeutsche Betriebsräte fordern Ende von Habecks Energiewende - Industriestandort gefährdet
11.07.2025

Nach dem Verlust von über 100.000 Industriearbeitsplätzen richten ostdeutsche Betriebsräte einen dramatischen Appell an Kanzler Merz....

DWN
Technologie
Technologie Start-up ATMOS Space Cargo setzt neue Maßstäbe: Deutsche Logistik erobert den Weltraum
11.07.2025

Fracht ins Weltall zu bringen, ist eine Herausforderung. Eine noch größere ist es, sie wieder unversehrt zur Erde zurückzubringen....

DWN
Finanzen
Finanzen JP Morgan-CEO Jamie Dimon rechnet mit Europa ab: „Europa verliert“
11.07.2025

Jamie Dimon, CEO von JP Morgan und einer der mächtigsten Akteure der US-Wirtschaft, warnt europäische Politiker: Der Kontinent droht...

DWN
Immobilien
Immobilien Mietpreisbremse bleibt bestehen: Bundesjustizministerin Hubig kündigt Bußgeldregelung an
11.07.2025

Die Mietpreisbremse wird verlängert – doch ist das genug, um Mieter wirklich zu schützen? Während die Politik nachjustiert, plant das...

DWN
Politik
Politik Trump: Wir schicken Waffen, die NATO zahlt
11.07.2025

Erst Stopp, dann Freigabe: Trump entscheidet über Waffen für Kiew – und kündigt neue Schritte gegen Russland an. Bezahlen will er das...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Shitstorm im Joballtag: Hate Speech am Arbeitsplatz explodiert – was Unternehmen jetzt tun müssen
11.07.2025

Hassrede hat den Mittelstand erreicht – von Social Media bis ins Kundengespräch. Wo endet Meinungsfreiheit, wo beginnt...

DWN
Politik
Politik Milliardenschwere Steuerentlastungen für Unternehmen: Bundesrat macht Weg frei für Wachstumspaket
11.07.2025

Deutschland steht wirtschaftlich unter Druck. Das Wachstumspaket der Bundesregierung soll neue Investitionen anregen und Unternehmen...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell im Plus: Zwischen Zollstreit, Zinspolitik und charttechnischer Entscheidung
11.07.2025

Der Goldpreis schwankt – zwischen geopolitischer Unsicherheit, robuster US-Wirtschaft und charttechnischen Signalen. Anleger fragen sich:...