Fundamentale Kennzahlen von Novo Nordisk sprechen eine andere Sprache
Der Absturz kam schnell und hart: Binnen weniger Monate verlor die Aktie von Novo Nordisk, einst Europas wertvollstem Unternehmen, rund 40 Prozent an Wert. Die Gründe reichen von gescheiterten Medikamentenstudien über den Erfolg des US-Konkurrenten Eli Lilly bis hin zu geopolitischen Spannungen mit den USA. Doch bei genauer Betrachtung zeigt sich: Der Kursverfall spiegelt keineswegs einen fundamentalen Niedergang des Unternehmens wider – sondern eine überzogene Reaktion nervöser Märkte.
Im Geschäftsjahr 2024 steigerte Novo Nordisk seinen Umsatz um 25 Prozent und erzielte einen Gewinnzuwachs von 21 Prozent auf insgesamt 101 Milliarden Dänische Kronen. Die operative Stärke bleibt beeindruckend: Die Eigenkapitalrendite liegt bei 80 Prozent – ein Wert, den kaum ein börsennotierter Konzern erreicht.
Für das laufende Jahr erwarten Analysten einen weiteren Umsatzanstieg auf 345 Milliarden Kronen sowie einen Gewinn von rund 119,2 Milliarden Kronen – jeweils ein Plus von 18 Prozent. Die Nettomarge von über 34 Prozent signalisiert weiterhin außergewöhnliche Rentabilität.
Der Markt reagiert emotional – nicht rational
Trotz dieser soliden Zahlen befindet sich die Aktie tief im roten Bereich. Auslöser war vor allem die Meldung, dass Eli Lilly ein orales Abnehmmedikament erfolgreich getestet hat – ein Produkt, das Novo Nordisk eigentlich als erstes auf den Markt bringen wollte. Diese Nachricht, gepaart mit Drohungen aus den USA, künftig europäische Pharmaprodukte mit hohen Zöllen zu belegen, führte zu einem massiven Kursverfall.
Dabei übersieht der Markt entscheidende Details: Auch Novo Nordisk hat mittlerweile einen Zulassungsantrag für sein orales Wegovy-Präparat bei der US-Arzneimittelbehörde FDA eingereicht. Eine Entscheidung wird in Kürze erwartet. Parallel dazu expandiert das Unternehmen in den digitalen Vertrieb und arbeitet mit US-Telemedizinplattformen wie Hims & Hers Health, Ro und Life MD zusammen – ein Schritt, den Eli Lilly ausdrücklich ablehnt.
Handelskrieg als latente Gefahr
Die handelspolitischen Spannungen mit den USA könnten sich als Belastungsfaktor erweisen. Donald Trump hat mehrfach angedeutet, 25-Prozent-Zölle auf Medikamente aus Europa erheben zu wollen. Während die Pharmaindustrie in früheren Zollrunden weitgehend verschont blieb, sind die jüngsten Aussagen des Ex-Präsidenten deutlicher denn je.
Laut Daten von Reuters importieren die USA jährlich Arzneimittel im Wert von 203 Milliarden US-Dollar, davon stammen rund 73 Prozent aus Europa. Sollte es tatsächlich zu Strafzöllen kommen, würde das nicht nur Novo Nordisk, sondern die gesamte europäische Pharmabranche empfindlich treffen. Gleichzeitig stellt sich jedoch die Frage, ob ein derartiger Schritt wirtschaftlich vertretbar wäre – denn er würde auch die Preise für US-Patienten massiv erhöhen.
Ist die Überreaktion eine Chance?
Die aktuelle Bewertung des Unternehmens hat sich deutlich reduziert. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) fiel parallel zum Kurs, obwohl der Gewinn weiterhin steigt. Dies deutet darauf hin, dass es sich primär um eine Bewertungsanpassung, nicht um eine reale Verschlechterung der Geschäftslage handelt.
Mit dem nächsten Quartalsbericht am 7. Mai erwartet der Markt neue Hinweise auf die künftige Entwicklung. Sollte Novo Nordisk erneut positiv überraschen – wie bereits in den beiden vorangegangenen Quartalen – könnte dies eine Trendumkehr einleiten.
Fazit: Kurzfristiger Druck, langfristige Perspektive
Novo Nordisk bleibt trotz der aktuellen Turbulenzen ein hochprofitables Unternehmen mit globaler Marktstellung, vor allem im Bereich der Diabetes- und Adipositas-Therapien. Der Rückgang des Aktienkurses scheint weniger durch fundamentale Schwäche als durch politische Unsicherheit und Konkurrenzdruck motiviert.
Wer den Absturz als Panik wertet, übersieht das Potenzial. Wer jedoch auf eine strukturelle Verschiebung des Pharmamarktes setzt – etwa durch technologische Disruption oder protektionistische Maßnahmen – sieht hier möglicherweise den Beginn eines längeren Abwärtstrends.In jedem Fall zeigt der Fall Novo Nordisk: Auch die stärksten Unternehmen Europas sind den Launen geopolitischer Machtspiele nicht entkommen.