Frieden in der Ukraine: Direkte Einladung an den Kreml
„Es ergibt keinen Sinn, das Töten weiter zu verlängern. Ich werde Putin am Donnerstag in der Türkei erwarten – persönlich“, erklärte Selenskyj am Montag über die Plattform X (ehemals Twitter). Diese Aussage erfolgte kurz nachdem Trump öffentlich gefordert hatte, dass die Ukraine einem Vorschlag Putins für direkte Gespräche zustimmen solle.
Der russische Präsident hatte am Sonntag angekündigt, am 15. Mai zu Gesprächen nach Istanbul kommen zu wollen. Thema der Unterredung: ein mögliches Waffenstillstandsabkommen. Während Russland auf die öffentliche Zustimmung Selenskyjs bislang nicht reagiert hat, äußerte Trump, dass er ernsthaft in Erwägung ziehe, sich den Gesprächen anzuschließen: „Ich denke darüber nach, wirklich dorthin zu fliegen. Ich glaube, es könnte eine Gelegenheit sein, wenn es aussichtsreich erscheint.“
Druck aus Europa auf Moskau
Unterdessen hat sich auch die europäische Diplomatie in Bewegung gesetzt. Spitzenpolitiker aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Polen forderten Moskau am Wochenende auf, einem bedingungslosen 30-tägigen Waffenstillstand zuzustimmen – als Voraussetzung für direkte Verhandlungen. Der neue deutsche Kanzler Friedrich Merz, der gemeinsam mit europäischen Kollegen Kiew besuchte, machte klar: „Selenskyj hat bedeutende Zugeständnisse gemacht. Jetzt ist Russland am Zug.“
Sollte Moskau nicht einlenken, stellte Berlin neue Sanktionen in Aussicht. Auch der britische Außenminister David Lammy rief Putin dazu auf, „den Ernst der Lage zu erkennen“ und eine Feuerpause zu akzeptieren. Die diplomatische Offensive wurde von der sogenannten „Weimar Plus“-Gruppe koordiniert, die im Februar als Reaktion auf die veränderte US-Politik unter Trump ins Leben gerufen wurde.
Türkei und China bieten Vermittlung an
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan äußerte nach einem Gespräch mit Selenskyj die Bereitschaft, sein Land erneut als Gastgeber und Vermittler anzubieten: „Ein neues Fenster der Gelegenheit hat sich geöffnet. Wir hoffen, es wird nicht verschwendet.“ Auch China signalisierte am Montag seine Unterstützung für einen verbindlichen Friedensprozess und rief die beteiligten Parteien zu Dialog und Verhandlungen auf.
Skepsis gegenüber Putins Absichten
Gleichzeitig bleibt die Skepsis gegenüber Putins Vorstoß groß. Der französische Präsident Emmanuel Macron warf Moskau vor, mit seinem Gesprächsangebot lediglich Zeit gewinnen zu wollen. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas bezeichnete das russische Vorgehen als „Spiel“, bei dem ohne vorherigen Waffenstillstand keine glaubhaften Verhandlungen möglich seien.
Währenddessen berichtete der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha, dass Russland trotz der Friedensinitiativen unvermindert entlang der gesamten Frontlinie angreife. Der Kreml wiederum wies die westlichen Forderungen als „unzulässige Ultimaten“ zurück. „So spricht man nicht mit Russland“, erklärte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag. Auf die Einladung Selenskyjs zu einem persönlichen Treffen äußerte sich Moskau bislang nicht konkret.
Trump zwischen Annäherung und Distanz zu Moskau
Auch Trumps Haltung bleibt ambivalent. Während er in der Vergangenheit als Putin-freundlich galt und mit Selenskyj über Kreuz lag, hat er zuletzt vermehrt Kritik an Russland geäußert. Dennoch bleibt unklar, ob seine mögliche Teilnahme an den Gesprächen der Deeskalation dient – oder ein weiterer geopolitischer Schachzug in Richtung einer Neujustierung der US-Außenpolitik ist.
Fazit
Die diplomatische Bühne rund um den Ukraine-Krieg hat sich binnen weniger Tage deutlich verändert. Die überraschende Gesprächsbereitschaft Selenskyjs, Putins Einladung und Trumps potenzielle Teilnahme markieren eine neue Phase der geopolitischen Dynamik. Doch das Vertrauen in ehrbare Absichten behält ein „Geschmäckle“ – und der anhaltende Beschuss ukrainischer Städte untergräbt jede Hoffnung auf einen nachhaltigen Waffenstillstand. Ob der Gipfel in Istanbul tatsächlich den Wendepunkt bringt oder bloß eine weitere Episode in einem zermürbenden Stellungskrieg bleibt, ist ungewiss. Eines ist jedoch klar: Das Zeitfenster für eine diplomatische Lösung schließt sich rapide.