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Russland-Ukraine-Friedensverhandlungen: Was kann in Istanbul erreicht werden?

Russland und Ukraine starten in Istanbul neue Friedensverhandlungen – doch wie realistisch sind Fortschritte? Welche Rolle spielen internationale Akteure und wie reagieren die politischen Führungspersönlichkeiten?
16.05.2025 08:55
Lesezeit: 3 min
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Russland-Ukraine-Friedensverhandlungen: Was kann in Istanbul erreicht werden?
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist bei den Russland-Ukraine-Friedensverhandlungen nicht dabei - auch Putin und Trump glänzen durch Abwesenheit (Foto: dpa). Foto: Stephanie Lecocq

Russland und Ukraine: Friedensverhandlungen in Istanbul

In Istanbul sollen Russland und die Ukraine heute einen erneuten Versuch starten, direkte Friedensverhandlungen zur Beendigung des Krieges zu führen. Das erste bilaterale Treffen dieser Art seit drei Jahren wird für diesen Freitag zusammen mit türkischen Vertretern vorbereitet, wie das Außenministerium in Ankara mitteilte. Laut Aussagen des russischen Chefunterhändlers Wladimir Medinski erwartet die Delegation aus Moskau die ukrainischen Vertreter um 10.00 Uhr (9.00 Uhr MESZ).

Der Verhandlungsführer im Auftrag von Kremlchef Wladimir Putin betonte, dass Russland in Istanbul "zu direkten bilateralen Gesprächen ohne Bedingungen" bereit sei. Damit wären es die ersten Friedensverhandlungen auf türkischem Boden seit drei Jahren. Der Versuch einer Einigung war 2022 gescheitert. Am Donnerstag blieb es den ganzen Tag über unklar, ob sich beide Seiten begegnen würden – trotz türkischer Vermittlung kam es zunächst nicht zu einem Treffen.

US-Außenminister Rubio in Istanbul erwartet

Geplant sind auch multilaterale Friedensverhandlungen zwischen den USA, der Ukraine und der Türkei sowie zwischen Russland, der Türkei und der Ukraine, berichteten türkische Quellen. Ob es zusätzlich ein Vierertreffen mit den USA, Russland, der Ukraine und der Türkei geben wird, ist derzeit noch offen. Die US-Delegation wird von Außenminister Marco Rubio angeführt. Rubio erklärte, er werde mit dem ukrainischen Außenminister sowie der Delegation der Ukraine sprechen. Zudem sagte er: "Ein Mitglied unseres Teams wird an den Gesprächen mit Russland teilnehmen."

Am Abend hatte sich der türkische Außenminister Hakan Fidan im Dolmabahce-Palast in Istanbul mit der russischen Seite getroffen. Medinski berichtete von konstruktiven Gesprächen und erläuterte Fidan die russische Perspektive auf den Konflikt mit der Ukraine. Laut Moskauer Quellen wartete die russische Delegation vergeblich auf das Eintreffen der ukrainischen Vertreter.

Moskau verteidigt Zusammensetzung seiner Delegation

Das russische Außenministerium wies Vorwürfe zurück, man habe nur eine zweitrangige Delegation zu den Friedensverhandlungen entsandt. Sprecherin Maria Sacharowa sagte gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur Tass, es seien ausschließlich hochqualifizierte Experten angereist. Diese seien befähigt, alle relevanten Themen bei den Gesprächen zu behandeln: "Völkerrecht – kein Problem, Lage vor Ort – kein Problem, militärische Fragen – kein Problem", so Sacharowa.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hingegen hatte die russische Delegation als "nicht ausreichend" bezeichnet und mehrfach eine direkte Beteiligung Putins gefordert. Dieser blieb jedoch fern. Medinski, der schon 2022 an erfolglosen Friedensgesprächen beteiligt war, gilt als wenig einflussreich. Trotzdem erklärte Medinski, dass seine Delegation vollständig bevollmächtigt sei, um einen dauerhaften Frieden zu verhandeln. Man sei offen für konstruktive Gespräche und auch zu Kompromissen bereit, so der Politiker, der zugleich dem Schriftstellerverband Russlands vorsitzt.

Rubio zeigte sich im Vorfeld skeptisch: "Wir erwarten nicht viel von morgen. Und ehrlich gesagt glaube ich, dass ein Durchbruch derzeit nur zwischen Präsident Trump und Präsident Putin möglich ist", sagte er am Donnerstag. Wo und wann ein solches Treffen stattfinden könnte, wisse er nicht – "aber momentan ist das unsere einzige Chance", erklärte Rubio gegenüber Fox News. Auch Trump hatte sich ähnlich geäußert.

Der US-Präsident schloss einen Besuch in der Türkei nicht aus, sollte es relevante Entwicklungen geben. Heute beendet er seine Golfstaatenreise mit einem Besuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Während seiner Nahost-Reise sagte er: "Wenn etwas Entscheidendes passiert, werde ich am Freitag in Istanbul sein – falls das angebracht ist." Ohne Putin und Selenskyj gelten erfolgversprechende Friedensverhandlungen jedoch als unwahrscheinlich.

Selenskyj benennt Delegation für Friedensgespräche

Per Erlass hat Selenskyj ein zwölfköpfiges Team für die geplanten Friedensgespräche mit Russland zusammengestellt. Geleitet wird die Delegation vom Verteidigungsminister Rustem Umjerow. Weitere Mitglieder sind laut Dekret hochrangige Geheimdienstvertreter, Stabsoffiziere sowie ein Berater des Präsidentenstabs.

Kiew erklärte, das Ziel sei ein "gerechter und dauerhafter Friedensschluss". Die genauen Anweisungen an die Delegation bleiben geheim. Umjerow war bereits kurz nach Kriegsbeginn in die Verhandlungen mit Russland eingebunden, allerdings noch als einfacher Abgeordneter.

Kanzler Merz kritisiert Abwesenheit Putins

Friedrich Merz (CDU) äußerte Unverständnis über Putins Fernbleiben bei den Friedensverhandlungen in Istanbul. In der ZDF-Sendung "Maybrit Illner" sagte Merz: "Selenskyjs Reise war ein deutliches Signal der Kompromissbereitschaft." Die Verantwortung für das Scheitern trage daher allein Putin.

Merz kündigte für kommenden Dienstag ein neues Sanktionspaket der EU an: "Es ist fertig vorbereitet und wird in Brüssel beschlossen." Die Maßnahmen treten sofort in Kraft, betonte er. Weitere Sanktionen seien in Planung.

EPG-Gipfel berät über Frieden in der Ukraine

In Tirana steht der Ukraine-Konflikt ebenfalls auf der Agenda – beim sechsten Gipfel der Europäischen Politischen Gemeinschaft. Es werden rund 50 Staats- und Regierungschefs erwartet. Im Fokus stehen die Friedensverhandlungen und Bemühungen um ein Ende des russischen Angriffskrieges. Auch Kanzler Merz wird vor Ort sein – sein erster großer Gipfel seit seinem Amtsantritt. Selenskyj plant, Merz und andere Staatschefs über die aktuellen Gespräche mit Russland zu informieren und das weitere Vorgehen zu diskutieren.

Das Gesprächsformat geht auf Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zurück. Eingeladen sind 47 Länder, darunter alle EU-Staaten, Großbritannien, die Schweiz, die Ukraine und Georgien. Auch Nato-Generalsekretär Mark Rutte wird erwartet.

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