Wirtschaft

Wie China europäische Unternehmen vom Markt verdrängt – und Brüssel zuschaut

China überschwemmt Europa mit Billigwaren, während europäische Exporte nach Peking einbrechen – und Brüssel steht hilflos daneben. Der Handelsüberschuss Chinas erreicht Rekordhöhe, deutsche Industrien verlieren rasant Marktanteile. Wird Europa zum Spielball im Wirtschaftskrieg zwischen den Supermächten?
20.05.2025 13:22
Lesezeit: 2 min
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China flutet Europa – Brüssel unter Druck

Die Europäische Union droht zum unbeabsichtigten Opfer des eskalierenden Handelskonflikts zwischen den USA und China zu werden. Jüngste Daten zeigen: In den ersten vier Monaten des Jahres 2025 erreichte der chinesische Handelsüberschuss mit der EU den historischen Rekordwert von 90 Milliarden US-Dollar.

Während chinesische Exporte nach Europa weiter steigen, geht der Import europäischer Waren nach China kontinuierlich zurück – eine Entwicklung, die das Handelsungleichgewicht vertieft und in Brüssel zunehmend Besorgnis auslöst. EU-Beamte warnen, dass Europa zum Absatzmarkt für chinesische Produkte werden könnte, die aufgrund höherer US-Zölle nicht mehr in den Vereinigten Staaten verkauft werden können.

Angesichts neuer Zollschranken auf dem US-Markt sucht Peking nach alternativen Absatzmärkten, um seine globale Exportdominanz zu sichern. Zwar fließen zunehmend Waren in Länder Lateinamerikas und Südostasiens – doch Europa rückt dabei verstärkt ins Visier. Maxime Darmet, Ökonom bei Allianz Trade, warnt: „China wird seinen Marktanteil dort ausbauen, wo es auf weniger Widerstand trifft.“

Zwar haben Washington und Peking in Genf ein Übergangsabkommen zur Zollsenkung vereinbart, dennoch liegen die US-Zölle auf chinesische Produkte derzeit rund 30 Prozentpunkte höher als zu Jahresbeginn – und verschärfen den Druck auf die EU. Diese muss nun entscheiden, wie sie sich im Zeitalter des globalen Protektionismus positioniert.

Daten der chinesischen Zollbehörden belegen: Die Exporte in die EU verharren nahe historischen Höchstständen – übertroffen nur noch vom Jahr 2022, als der Welthandel nach der Pandemie kurzfristig explodierte. Gleichzeitig sinkt der EU-Export nach China – sichtbar sowohl in der Gesamtheit der Union als auch in bilateralen Handelsbeziehungen, etwa mit Deutschland.

China erzielt Rekordüberschuss gegenüber Deutschland

Noch 2020 verzeichnete Deutschland einen Handelsüberschuss von 18 Milliarden US-Dollar im Austausch mit China. Bereits 2024 drehte sich das Verhältnis – die Volksrepublik verbuchte eine positive Handelsbilanz von 12 Milliarden US-Dollar. Die aktuellen Zahlen für Anfang 2025 deuten darauf hin, dass dieser Überschuss bis Jahresende die Marke von 25 Milliarden Dollar überschreiten könnte – ein neuer Höchstwert.

Eine Schlüsselrolle spielt die Automobilbranche. Zwischen 2019 und 2024 verzeichnete China einen 17-fachen Anstieg seiner Autoexporte in die EU, während europäische Fahrzeugexporte nach China stetig zurückgingen. Zwar bremsten EU-Zölle den Import chinesischer Elektrofahrzeuge, doch Peking kompensierte dies durch verstärkte Lieferungen von Hybrid- und Verbrennerfahrzeugen.

Ein zusätzlicher Wettbewerbsfaktor: der Wechselkurs. Der Yuan fiel gegenüber dem Euro auf den niedrigsten Stand seit über einem Jahrzehnt – ein Preisvorteil, der chinesische Produkte für europäische Abnehmer noch attraktiver macht. Zugleich sinken die chinesischen Bestellungen europäischer Produkte – auch, weil lokale Hersteller zunehmend die ausländische Konkurrenz verdrängen.

Brüssel sucht Schutz für die eigene Industrie

Obwohl sich die EU bislang um einen konfrontationsfreien Kurs gegenüber China bemüht hat, mehren sich die Stimmen, die stärkeren Schutz für heimische Industriezweige fordern. EU-Handelskommissar Maros Sefcovic kündigte kürzlich an, die Kommission beobachte genau das Risiko sogenannter Handelsumlenkungen – erste Ergebnisse der Analyse sollen Mitte Mai veröffentlicht werden.

Für Alicia Garcia Herrero, Chefvolkswirtin der französischen Investmentbank Natixis, ist klar: „In Zeiten des Protektionismus funktioniert freier Handel nicht – er zerstört die eigene Industrie.“ Die EU müsse daher nicht nur die Automobilbranche, sondern alle strategisch wichtigen Sektoren gezielt schützen.

Die Handelsbeziehungen zwischen Brüssel und Peking sind ohnehin angespannt – etwa wegen europäischer Zölle auf chinesische E-Autos und Pekings Vergeltungsmaßnahmen gegen europäische Produkte wie französischen Cognac. Für Donnerstag ist ein Treffen zwischen Chinas Vizepremier He Lifeng und französischen Regierungsvertretern in Paris geplant. Zeitgleich beraten die EU-Handelsminister in Brüssel über die künftige Ausrichtung der China-Strategie.

Beobachter sind sich einig: Europa kann es sich nicht länger leisten, passiv zu bleiben. Auch wenn Brüssel selbst keine Zollerhöhungen vornimmt – die wirtschaftlichen Folgen des Handelskriegs zwischen den USA und China schlagen immer deutlicher auf den alten Kontinent durch.

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