Politik

China spielt Schach, Trump wirft mit Steinen – Nobelpreisträger Stiglitz kritisiert US-Präsident Trump

Joseph Stiglitz, Ex-Berater von Präsident Bill Clinton und früherer Chefökonom der Weltbank, warnt vor Trumps Wirtschaftspolitik: Die USA sind nicht mehr verlässlich, China ist längst überlegen. Europa müsse sich neu orientieren – bevor es zu spät ist.
22.05.2025 06:03
Lesezeit: 4 min
China spielt Schach, Trump wirft mit Steinen – Nobelpreisträger Stiglitz kritisiert US-Präsident Trump
Der weltbekannte Ökonom und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz empfindet für Trumps Art Probleme zu lösen kein Verständnis. (Foto: dpa | Jean-Christophe Bott) Foto: Jean-Christophe Bott

Kritik an Trump: „Chaotisch, emotional, selbstbezogen“

Joseph Stiglitz beendet gerade sein Frühstück, während ein Fernsehteam damit beschäftigt ist, Kameras und Scheinwerfer hinter ihm aufzubauen. Die letzten Gäste einer Veranstaltung am Vormittag verlassen den Raum, nachdem der Nobelpreisträger für Wirtschaft von 2001 soeben gesprochen hat.

Eine Ikone der globalen Wirtschaftswissenschaften ist in Dänemark zu Gast – doch beinahe wäre seine Anreise gescheitert.

Selbst in einem Seminarraum der Süddänischen Universität ist die politische Zeitenwende in den USA spürbar: Die Finanzierung des Gastprofessorenprogramms, das bislang von der US-Botschaft getragen wurde und dessen Teil Stiglitz’ Besuch in Odense ist, wurde abrupt eingestellt.

Zunächst wurde von der Universität verlangt, eine Erklärung zu unterzeichnen, wonach die Mittel nicht zur Förderung von Diversität und Inklusion verwendet würden – beides Zielscheiben der politischen Agenda der Trump-Administration. Danach wurde die Finanzierung gänzlich eingestellt. Die Universität musste daraufhin selbst 10.000 Dollar aufbringen, um den Wirtschaftsnobelpreisträger nach Dänemark zu holen.

Es ist kaum anzunehmen, dass der Präsident persönlich entschieden hat, ein akademisches Nachmittagsprogramm in Odense zu stoppen. Doch Donald Trump hätte durchaus Grund, sich eine geringere Sichtbarkeit von Stiglitz’ Ansichten zu wünschen. Der 82-jährige Professor der Columbia University ist ein entschiedener Kritiker des Präsidenten.

„Es ist chaotisch, emotional, voreingenommen und basiert auf Missverständnissen. Er ist ein Egomane – er will einfach nur auf der Weltbühne stehen“, sagt Stiglitz über Trumps Rückkehr ins Weiße Haus.

Stiglitz war einst Berater von Präsident Bill Clinton und Chefökonom der Weltbank. Mit seiner Forschung zählt er heute zu den meistzitierten Ökonomen weltweit.

Verkanntes Ziel, verfehlter Weg

Stiglitz gesteht Trump grundsätzlich zu, mit seiner Kritik an Globalisierung und Freihandel einen berechtigten Punkt zu adressieren. Bereits vor 13 Jahren beschrieb er in seinem Buch „The Price of Inequality“, wie zunehmende Ungleichheit wirtschaftlich schädlich ist und den Aufstieg von Demagogen begünstigt.

„Ein Teil von Trumps Erfolg resultiert aus seiner Abrechnung mit einer Elite, die Wohlstand für alle versprach – und dieses Versprechen nicht einlöste“, so Stiglitz.

Doch Trumps Methoden seien brandgefährlich – etwa, als er vorschlug, Desinfektionsmittel gegen Covid zu trinken. Ähnlich irrational verhalte er sich bei Wirtschaftsthemen.

Trump spreche ständig von Zöllen, verstehe aber nicht, was Handelsdefizite wirklich verursacht. Er fixiere sich auf Warenaustausch, obwohl die US-Wirtschaft dienstleistungsorientiert sei, und denke bilateral, obwohl globale Handelsbilanzen multipolar sind.

„Das Maß an Unverständnis ist erschreckend.“

Industriepolitik mit Illusionen

Zentraler Pfeiler von Trumps Wirtschaftspolitik sind höhere Zölle, mit dem Ziel, die amerikanische Industrie zu schützen. Auch hier zeigt Stiglitz prinzipiell Verständnis: Die industrielle Kapazität der USA müsse gestärkt werden – insbesondere im Hightech-Bereich zur Wahrung nationaler Sicherheit.

„Wir konnten weder Masken noch Covid-Tests herstellen. Diese industrielle Widerstandsfähigkeit müssen wir wieder aufbauen.“

Doch selbst wenn der Industrieanteil am BIP von derzeit zehn auf zwölf Prozent stiege, bliebe das ein kleiner Sektor – und vor allem: Arbeitsplätze würden kaum entstehen.

„Diese Art der Produktion übernehmen heute Roboter – gebraucht werden Ingenieure in weißen Hemden, nicht Fabrikarbeiter in blauen Overalls“, so Stiglitz.

Chinas strategischer Vorteil

In den letzten Wochen hat sich Trumps Handelskrieg in eine Phase der Deeskalation verwandelt. Nach einer Einigung mit Großbritannien hat Washington auch mit China einen Teil der Strafzölle zurückgenommen.

Warum der Rückzug nach nur vier Monaten im Amt? Für Stiglitz ist klar: Die USA mussten einsehen, dass China in der besseren Position ist.

Peking exportiere zwar dreimal so viel in die USA wie umgekehrt – aber entscheidend sei nicht die Menge, sondern die Art der Güter.

„Mineralien und Seltene Erden aus China sind kurzfristig nicht ersetzbar. Selbst bei Produkten wie iPhones würde eine Verlagerung Jahre dauern. Die USA sind also abhängig.“

Umgekehrt könne China amerikanische Exportgüter wie Sojabohnen problemlos anderweitig beziehen.

Zudem wachse innerhalb der republikanischen Partei der Unmut: Ein führender Republikaner habe ihm bei einem Abendessen in London gesagt, die Handelskriege müssten rasch beendet werden, um nicht die Zwischenwahlen zu verlieren.

„Viele in Trumps Partei sehen die ökonomischen Folgen als äußerst schädlich.“

Systembedrohung durch Aushöhlung der Institutionen

Trotz aller ökonomischen Bedenken ist für Stiglitz ein anderer Aspekt noch alarmierender: Trumps Angriffe auf die rechtsstaatlichen Institutionen der USA.

„Die größte Bedrohung ist sein Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit“, betont er. Für wirtschaftlichen Wohlstand seien verlässliche Institutionen essenziell – ohne diese Grundlage gehe das Vertrauen in den gesamten internationalen Ordnungsrahmen verloren.

Besonders bedenklich: Trumps Auffassung, er könne Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs übergehen, wenn es „im besten Interesse des Landes“ sei.

„Das ist diktatorisch. Es untergräbt unser demokratisches Rechtssystem.“

Auch Trumps Vorgehen gegen Universitäten wie Harvard oder Columbia, denen Bundesmittel eingefroren wurden, weil sie angeblich zu wenig gegen Antisemitismus tun, sieht Stiglitz als Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit:

„Wenn Professoren aus Angst vor Repression nicht mehr frei sprechen, ist das ein Angriff auf den Rechtsstaat.“

Irreversibler Vertrauensverlust

Wie dauerhaft ist der Schaden, den Trump der internationalen Glaubwürdigkeit der USA zufügt? Für Stiglitz steht fest:

„Der Schaden ist dauerhaft.“

Corona und Trump hätten gleichermaßen gezeigt, dass nationale Grenzen wieder zählen – und dass man sich nicht mehr auf internationale Regeln verlassen kann.

„Man kann den USA nicht mehr trauen. Dass er ein zweites Mal gewählt wurde, zeigt, dass Europa die Lektion nicht verstanden hat.“

Als Beispiel nennt Stiglitz das Handelsabkommen USMCA, das Trump zunächst selbst aushandelte, nur um es jetzt mit neuen Zöllen zu konterkarieren. Kein Republikaner kritisiere ihn dafür.

„Sie schweigen selbst zu seiner Trump-Coin – einer der korruptesten Aktionen überhaupt.“

Europa muss Verhältnis zu China neu bewerten

Abschließend äußert sich Stiglitz zur Debatte um China. Der frühere Maersk-Chef Nils Smedegaard Andersen warnte zuletzt, die Bedrohung durch Peking werde unterschätzt, weil Trump zu sehr im Fokus stehe.

Stiglitz stimmt zu – vor allem aus europäischer Sicht.

In Zeiten enger US-EU-Allianzen habe Europa im Gegenzug zur US-Sicherheitsgarantie die US-Position gegenüber China gestützt. Diese Sicherheitsgarantie gelte nun nicht mehr – Europa müsse daher das Verhältnis zu China eigenständig überdenken.

Dabei könne auch Zusammenarbeit bei Klimapolitik, Gesundheit und Technologie in den Fokus rücken.

China sei heute nicht mehr nur die „Fabrik der Welt“, sondern Innovationsführer: mehr Patente, mehr Investitionen in Forschung, mehr Ingenieure.

Und: Chinas Erfolg bei E-Mobilität sei nicht allein staatlicher Subvention geschuldet, sondern klarer industriepolitischer Weichenstellung.

„Wenn China sagt: Autos müssen elektrisch sein, dann ist das ein eindeutiges Signal an den Markt. Solche Klarheit fehlt im Westen.“

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