Wirtschaft

Deutschlands Finanzmacht schlägt Japan – aber zu welchem Preis?

Deutschland hat Japan als größten Gläubigerstaat der Welt überholt – ein Triumph mit Schattenseite. Während Milliarden ins Ausland fließen, bröckelt die Heimat.
28.05.2025 06:04
Lesezeit: 2 min
Deutschlands Finanzmacht schlägt Japan – aber zu welchem Preis?
Deutschlands neuer Reichtum braucht einen neuen Kurs. (Foto: dpa | Jens Büttner) Foto: Jens Büttner

Nach 34 Jahren: Japan verliert den Spitzenplatz

Japan ist nicht länger der größte Auslandsgläubiger der Welt. Nach 34 Jahren muss das Land diesen Titel an Deutschland abgeben, wie die Dagens Industri berichtet. Laut neuen Zahlen des japanischen Finanzministeriums stiegen Japans Nettoauslandsvermögen im vergangenen Jahr auf umgerechnet rund 3,35 Billionen Euro. Das entspricht einem Anstieg im siebten Jahr in Folge. Wesentliche Faktoren sind eine schwache Landeswährung Yen sowie eine anhaltend hohe Nachfrage japanischer Unternehmen nach Übernahmen im Ausland.

Deutschland steigt zum größten Kreditgeber der Welt auf

Trotz dieses Zuwachses hat Japan die Spitzenposition als weltweit größter Kreditgeber eingebüßt – erstmals seit 34 Jahren. Deutschland führt nun das globale Ranking an. Auf Platz drei folgt China. Der japanische Finanzminister Katsunobu Kato zeigt sich dennoch unbeeindruckt von der Verschiebung: „Da auch Japans Nettoauslandsvermögen stetig zunehmen, sollte die neue Platzierung nicht als Zeichen einer gravierenden Veränderung der Position Japans gewertet werden“, zitiert das Blatt.

Symbolträchtiger Führungswechsel mit wirtschaftlicher Sprengkraft

Der Wechsel an der Spitze ist ein ökonomischer Meilenstein mit weitreichender Symbolkraft und wirtschaftspolitischer Relevanz. Das Ranking basiert auf den Nettoauslandsvermögen eines Landes, also dem Saldo aus Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland. Dass Deutschland nun an der Spitze steht, ist Ausdruck seiner anhaltend hohen Exportüberschüsse, seiner internationalen Investitionen sowie der kontinuierlichen Kapitalbildung im Inland.

Finanzstärke auf Kosten der heimischen Investitionen?

Hinter diesem Erfolg verbirgt sich jedoch ein ambivalentes Bild. Einerseits unterstreicht der neue Spitzenplatz Deutschlands Rolle als globale Finanzmacht. Deutsche Unternehmen, Banken und institutionelle Investoren sind international stark engagiert und verfügen über umfangreiche Forderungen gegenüber anderen Staaten, Konzernen und Finanzinstituten. Andererseits zeigt die Verschiebung auch, dass in Deutschland selbst zu wenig investiert wird. Während das Kapital ins Ausland abfließt, bleiben im Inland große Investitionslücken – etwa in Infrastruktur, Digitalisierung, Energiewende und Bildung. Die Rekordhöhe der Nettoauslandsvermögen ist daher auch ein Indiz für strukturelle Schwächen im deutschen Wirtschaftsmodell.

Internationale Kritik an deutschen Überschüssen dürfte zunehmen

Zudem dürfte die neue Position Deutschlands die internationalen Debatten um globale Ungleichgewichte neu entfachen. Bereits in der Vergangenheit wurde Berlin wegen seiner chronischen Leistungsbilanzüberschüsse regelmäßig kritisiert – insbesondere von den USA und der EU-Kommission. Diese Überschüsse gelten als symptomatisch für ein globales Ungleichgewicht, da sie mit Defiziten in anderen Ländern einhergehen und damit das Weltfinanzsystem unter Spannungen setzen können.

Strategische Chance oder riskantes Spiel?

Gleichzeitig eröffnet der Status als größter Gläubigerstaat auch neue Chancen. Deutschland verfügt über beträchtliche finanzielle Hebel, die gezielt eingesetzt werden könnten, um außenwirtschaftliche Interessen zu stärken, geopolitische Abhängigkeiten zu reduzieren und wirtschaftliche Resilienz zu fördern. In Zeiten wachsender Unsicherheiten, von geopolitischen Spannungen bis hin zu globalen Lieferkettenkrisen, könnte das strategisch platzierte Kapital im Ausland eine wertvolle Rückversicherung darstellen.

Deutschlands neuer Reichtum braucht einen neuen Kurs

Letztlich ist Deutschlands neue Spitzenposition kein Selbstzweck. Sie sollte als Anstoß verstanden werden, um den wirtschaftspolitischen Kurs zu überdenken: Weniger sparen, mehr investieren – nicht nur im Ausland, sondern vor allem im eigenen Land. Nur so lässt sich der finanzielle Reichtum in nachhaltige wirtschaftliche Stärke ummünzen.

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