Liebe Leserinnen und liebe Leser,
dieses Juni-Magazin widmet sich einem Land, das mehr kann, als es sich selbst oft zutraut. Es geht nicht um die Mängel, sondern um die Möglichkeiten, die Deutschland noch immer auszeichnen – manchmal leise, oft übersehen. Was Deutschland gut kann, ist weder eine nostalgische Rückschau auf vergangene Industriekraft noch ein blinder Optimismus gegenüber zukünftiger Technologie. Es ist vielmehr die Fähigkeit, Qualität und Fortschritt nicht nur als ökonomische Aufgabe zu begreifen. Es ist das Selbstverständnis, nicht nur auf radikalen Wandel zu setzen, sondern auf langfristige Substanz und nachhaltige Wirkung.
Ingenieurskunst und „Hidden Champions“
In der deutschen Wirtschafts- und Gesellschaftsstruktur spiegelt sich genau das wider. Da ist zum einen die technologische Kompetenz, die tief in der industriellen DNA des Landes verwurzelt ist. Inmitten globaler Unsicherheiten zeigt sich gerade im Mittelstand eine bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit. Es sind die „Hidden Champions“, die oft fernab der Metropolen Weltmarktführer geworden sind, ohne Lautstärke, aber mit Substanz. Ihr Erfolgsmodell basiert nicht auf kurzfristigen Hypes, sondern auf Ingenieurskunst, Qualitätsversprechen und jahrzehntelanger Kundentreue.
Diese technische Exzellenz wird ergänzt durch ein besonderes Bildungssystem, das praktische Erfahrung mit theoretischem Wissen verbindet: die duale Ausbildung. In ihr lebt das Prinzip weiter, dass Wertschöpfung nicht erst im Büro beginnt, sondern oft in der Werkstatt. Deutschland hat mit diesem Modell etwas geschaffen, das gleichermaßen wirtschaftlich wie gesellschaftlich trägt. Ein System, das anderen Ländern als Vorbild dient – und das wir im eigenen Land endlich wieder stärker wertschätzen sollten.
Einfach mal machen
Doch all diese Potenziale geraten unter Druck, wenn das Umfeld nicht stimmt. Wenn Regulierungen Innovationen verhindern, wenn Bürokratie die Kreativität lähmt, wenn Prozesse so komplex werden, dass sie nicht mehr durchdrungen, sondern nur noch ertragen werden. Auch das gehört zur Realität: Der Anspruch, alles rechtssicher, nachvollziehbar und gleich zu machen, hat vielerorts in Deutschland die Fähigkeit verdrängt, Dinge einfach, schnell und mutig zu gestalten. Manchmal braucht es mehr Raum für innovative und wegweisende Entscheidungen.
Dabei – und das könnte möglicherweise etwas überraschend sein – liegt gerade im deutschen Rechts- und Verwaltungsverständnis ein enormer Standortvorteil. Verlässlichkeit, Planbarkeit und Rechtssicherheit sind Werte, die international hoch geschätzt werden. Unternehmen, die langfristig denken und investieren, wählen oft genau aus diesem Grund Deutschland als ihren Standort aus. Zudem, das darf bei all den negativen Nachrichten über die deutsche Wirtschaft nicht vergessen werden, ist Deutschland weiterhin die drittstärkste Volkswirtschaft auf diesem Planeten – nach den USA und China. Mit 80 Millionen Einwohnern schafft es Deutschland, mit den USA (340 Millionen Einwohner) und China (1,4 Milliarden Einwohner) im Wettbewerb zu bleiben.
Die Basis dieses Erfolgs liegt auch im Wissenschafts- und Innovationssystem, das weltweit Maßstäbe setzt – und doch oft unter seinen Möglichkeiten bleibt. Denn zu viele gute Ideen scheitern nicht an ihrer Qualität, sondern an der Umsetzung. Der Transfer von Wissen in wirtschaftliche und gesellschaftliche Wirkung gelingt zu selten. Und doch gibt es sie: die Start-ups aus Forschungsinstituten, die mit neuen Technologien Produktionsprozesse revolutionieren. Die Hochschulen, die Unternehmertum nicht als Gegensatz zur Wissenschaft, sondern als deren konsequente Fortsetzung begreifen. Die Regionen, die durch gezielte Förderprogramme ein Innovationsklima schaffen, das Talente und Unternehmen anzieht, statt sie zu verlieren.
Deutschland ist nicht fertig
Deutschland könnte mehr solcher Orte bieten, wenn es gelingt, die rechtlichen, institutionellen und finanziellen Voraussetzungen zu schaffen. Wenn akademische Freiheit und ökonomische Freiheit nicht als Spannungsverhältnis, sondern als gemeinsame Verantwortung verstanden werden. Wenn Wissenschaft nicht nur analysiert, sondern auch gestaltet.
Und schließlich: Was Deutschland gut kann, ist nicht nur Technik und Organisation. Unternehmen brauchen mehr als Effizienz und Renditeziele. Sie brauchen eine Kultur der Verantwortung, der Transparenz, des Respekts. Und sie brauchen Führungskräfte, die zuhören, einbinden und erklären können. In einer Welt, in der Vertrauen zur knappen Ressource wird, kann Unternehmenskultur ein entscheidender Wettbewerbsvorteil sein – gerade im Vergleich mit den USA, die sich unter US-Präsident Donald Trump immer mehr zu einem wissenschaftsfeindlichen Land entwickeln. „Das kann Deutschland gut“ – das ist kein leerer Slogan, sondern eine Einladung zur Selbstvergewisserung. Eine Erinnerung daran, was dieses Land stark gemacht hat – und was es wieder stärker machen kann. Denn Deutschland ist nicht fertig. Es ist im Werden. Nicht in der Krise, sondern im Wandel. Und wer Wandel gestalten will, muss wissen, worauf er bauen kann.
Dieses Magazin will zeigen, dass es Grund gibt zur Zuversicht. Es will inspirieren, die Zukunft nicht als Bedrohung zu empfinden, sondern als Aufgabe. Denn das, was Deutschland gut kann, ist nicht Vergangenheit.
Wir wünschen viel Unterhaltung bei den folgenden Inhalten – und bleiben Sie zuversichtlich!
Ihr Markus Gentner
DWN-Chefredakteur