Finanzen

Doppelsitz in der Eurozone: Warum Revolut eine zweite Banklizenz will

Revolut investiert Milliarden in Paris – und kündigt eine zweite EU-Zentrale an. Während Frankreich feiert, wächst in Litauen die Sorge um Einfluss, Einnahmen und Fachkräfte. Der Streit um Lizenzen offenbart ein strukturelles Dilemma Europas im Ringen um digitale Finanzmacht.
30.05.2025 11:04
Lesezeit: 3 min
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Doppelsitz in der Eurozone: Warum Revolut eine zweite Banklizenz will
Während Revolut von nachhaltiger Doppelstruktur spricht, hinterfragt halb Europa dieses Vorgehen. (Foto: dpa) Foto: Monika Skolimowska

Paris feiert – Vilnius sorgt sich

Die Entscheidung von Revolut, in Paris eine zweite kontinentaleuropäische Zentrale zu eröffnen, wurde vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron mit Begeisterung aufgenommen: Über eine Milliarde Euro an Investitionen und 200 neue Arbeitsplätze sollen entstehen. Doch während Frankreich jubelt, wachsen im restlichen Europa Zweifel am langfristigen Engagement des britischen Fintechs.

Revolut, das seine Banklizenz seit 2018 in Litauen hält, verfolgt nun ein Modell mit zwei Hauptsitzen in der Eurozone: Vilnius und Paris. In Frankreich will Revolut eine eigene Banklizenz beantragen. Offiziell betont das Unternehmen, dass Litauen weiterhin das Zentrum für Wachstum in Europa bleiben werde und dass die neue Struktur keine Auswirkungen auf die dortige Geschäftstätigkeit haben werde. Die Zentrale in Paris soll Kunden in mehreren westeuropäischen Ländern bedienen.

Antoine Le Nalas, Head of Growth & Marketing bei Revolut, erklärte in einer Mitteilung, man wolle „die größte Bankengruppe Europas“ werden und „den Kunden in allen 30 EWR-Ländern die fortschrittlichsten Finanzdienstleistungen anbieten“. Der neue Modellansatz mit zwei Hauptsitzen sei ein strategischer Schritt, um das Produktportfolio zu erweitern und einen sicheren, zuverlässigen Bankbetrieb zu gewährleisten.

Banklizenz in Frankreich: regulatorische Absicherung oder Rückzugsstrategie?

Litauen war bislang für Revolut ein optimaler Standort, um von dort aus mit einer einzigen Lizenz europaweit tätig zu sein – über Zweigstellen, ohne in jedem Land eine eigene Zentrale einrichten zu müssen. Das machte die UAB Revolut Bank zum größten Akteur am litauischen Bankenmarkt nach Vermögenswerten, mit über 600.000 Kunden im Land und mehr als 33 Millionen in Europa – die größten Märkte sind Rumänien, Polen, Frankreich, Spanien und Irland.

Warum also eine zweite Banklizenz? Revolut argumentiert, sein Geschäftsmodell sei „nicht traditionell“, ebenso wenig wie das Wachstum. Laut Revolut-CEO Joe Heneghan ist Frankreich die größte und zugleich am schnellsten wachsende Revolut-Marktregion in Europa, mit über 5 Millionen Kunden – 1,6 Millionen davon allein im letzten Jahr.

Laut dem Portal Verslo Zinios begründete das Unternehmen den Lizenzantrag damit, dass man enger mit den lokalen Regulierungsbehörden zusammenarbeiten und besser auf die Bedürfnisse der französischen Kunden eingehen wolle. Die frühere Leiterin der litauischen Finanzmarktaufsicht, Jekaterina Govina, mutmaßt zudem, dass Frankreich auf mehr Kontrolle über Banken vor Ort drängt: „Sie wollen die Bankleitung auch selbst auf den Teppich bitten können – nicht über die EZB, sondern direkt.“

Revolut betont zugleich, dass Litauen als wichtiger Standort erhalten bleibe. Man wolle dort weiter wachsen, neue Mitarbeiter einstellen und ab diesem Jahr sogar erstmals Immobilienkredite anbieten.

Doch Finanzmarktexperten zeigen sich skeptisch. Darius Klimašauskas, CEO der Finanzberatung Talisman, sieht wenig ökonomischen Sinn in zwei Lizenzen unter der Aufsicht der EZB. Der Branchentrend gehe klar in Richtung Filialisierung, um regulatorische Lasten zu minimieren. Auch SEB plant, seine Hauptniederlassung nach Tallinn zu verlagern. Regulatorische Anforderungen verursachen zusätzliche Kosten und verstärkte Kontrolle.

Deutschland und Europa: Gefahr für kleinere Standorte?

Auch für Deutschland könnte der Schritt signalhaft sein. Denn der Verlust von Revoluts Europazentrale wäre für Litauen nicht nur ein Prestigeproblem, sondern hätte auch spürbare fiskalische Folgen: Wo künftig Gewinne konsolidiert und versteuert werden, wo hochqualifiziertes Personal sitzt, wo strategische Entscheidungen fallen – das alles könnte sich zugunsten Frankreichs verschieben.

Govina warnt, dass Frankreich versuchen werde, die Kompetenzbasis und Schlüsselpersonen in Paris zu konzentrieren. Wenn Vilnius zur bloßen Zweigstelle wird, verliert Litauen nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch Know-how, das für andere Unternehmen wertvoll wäre.

Derzeit beschäftigt Revolut in Litauen über 250 Personen, mehr als 100 davon bei der UAB Revolut Bank. In Frankreich sind es rund 300 Mitarbeitende.

Nicht wenige sehen in der neuen Struktur eine vorbereitende Maßnahme für einen Rückzug. „Man wird keine doppelten Kosten tragen wollen“, sagt Govina. „Es ist einleuchtend, dass man in Litauen dann mittelfristig reduziert.“

Dazu kommt die jüngste Auseinandersetzung mit der litauischen Zentralbank: Diese verhängte im April eine Geldbuße von 3,5 Millionen Euro gegen Revolut Bank – die bislang höchste Strafe für das Unternehmen im Land. Hintergrund waren Verstöße gegen Geldwäscheprävention. Die Geldstrafe entsprach 0,38 % der Jahreseinnahmen des Unternehmens.

Offiziell weist Revolut einen Zusammenhang zurück: „Wir kommentieren unsere Beziehungen zur Aufsicht nicht, aber die Entscheidung für Paris steht in keinem Zusammenhang mit der litauischen Zentralbank. Unsere Zusammenarbeit ist professionell und konstruktiv“, betonte CEO Heneghan.

Fazit: Ein strategischer Doppelschritt mit möglichen Folgen

Die Entscheidung, zwei Bankzentralen zu führen, ist ein strategisches Signal – und wirft grundsätzliche Fragen auf: Wie lange bleibt Litauen wichtig? Wird Paris der neue europäische Dreh- und Angelpunkt? Und welche Lehren sollten andere EU-Staaten daraus ziehen?

Wenn internationale Fintechs wie Revolut beginnen, regulatorisch zu „shiften“, müssen kleinere Finanzzentren wie Vilnius – oder perspektivisch Frankfurt – über langfristige Standortstrategien nachdenken. Der technologische Vorsprung allein reicht nicht aus, wenn finanzpolitische Rahmenbedingungen nicht attraktiv bleiben. Revoluts Schritt ist ein Lehrstück über Europas Binnenwettbewerb – und über die geopolitische Ökonomie digitaler Finanzmacht.

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