Politik

Geheime Kriegsagenda: EU startet 150-Milliarden-Rüstungsfonds

Ohne öffentliche Debatte, ohne Mitsprache des EU-Parlaments: Brüssel aktiviert im Eiltempo ein 150-Milliarden-Euro-Programm zur Aufrüstung – finanziert über Schulden, gesteuert von der Kommission, geöffnet für Drittstaaten. Beginnt jetzt die Militarisierung Europas durch die Hintertür?
30.05.2025 13:12
Lesezeit: 3 min
Geheime Kriegsagenda: EU startet 150-Milliarden-Rüstungsfonds
1. Wer profitiert vom milliardenschweren EU-Rüstungsfonds? (Foto: dpa/KEYSTONE | Peter Klaunzer) Foto: Peter Klaunzer

EU startet 150-Mrd.-Rüstungsfonds ohne Parlament

Mit beispielloser Geschwindigkeit und unter Umgehung des Europäischen Parlaments hat die EU eine Verordnung verabschiedet, auf deren Grundlage nun ein 150 Milliarden Euro schweres Kreditprogramm für gemeinsame militärisch-verteidigungspolitische Beschaffungen in Kraft getreten ist. Und das wirft Fragen auf...

  • Nach welcher Logik wurde das Programm mit dem Namen SAFE konzipiert?
  • Woher will die EU das Geld nehmen?
  • Unter welchen Bedingungen können Mitgliedstaaten Kredite für gemeinsame Rüstungsprojekte erhalten?
  • Und welche Arten von Projekten sollen finanziert werden?

Zielsetzung: Beschleunigung gemeinsamer Rüstungsprojekte

Mit dem SAFE-Programm will die EU nicht nur die kollektive Beschaffung von Verteidigungsgütern beschleunigen, sondern auch die industrielle Rüstungsbasis stärken, Lieferketten absichern und die Produktion hochfahren. Es soll finanzielle Unterstützung für dringend notwendige und umfangreiche öffentliche Investitionen zur Förderung der europäischen Verteidigungsindustrie leisten – so die offizielle Begründung der EU-Kommission. Die Regelung ist befristet und gilt bis Ende 2030.

Ausnahmezustand als Rechtfertigung

Die EU begründet das Verfahren mit einer »dringenden und existenziellen Herausforderung«. Seit Anfang 2025 hätten sich die Sicherheitsbedingungen in der Union deutlich verschlechtert – aufgrund der anhaltenden Bedrohung durch Russland, dessen Umstellung auf Kriegswirtschaft und der Eskalation des Ukraine-Krieges. Zudem erhöhe die geopolitische Lage die Notwendigkeit, die autonome Verteidigungsfähigkeit der EU erheblich auszubauen.

Bedingungen für Kreditvergabe

Mitgliedstaaten können Kredite aus dem SAFE-Programm nur beantragen, wenn ihre Projekte strategischen Zielen dienen – etwa der Umstrukturierung der Verteidigungsindustrie, dem Aufbau neuer oder dem Ausbau bestehender Produktionskapazitäten, der Verkürzung von Lieferfristen, der Einrichtung von Produktionsreserven oder der Schaffung interoperabler Systeme innerhalb der EU.

Parlament ausgeschlossen, Klage angekündigt

Die Kommission hat sich für ein Notfallverfahren gemäß Artikel 122 des EU-Vertrags entschieden – normalerweise vorgesehen bei gravierenden Versorgungsproblemen oder Naturkatastrophen. Damit wurde das Europäische Parlament vom Entscheidungsprozess ausgeschlossen. Eine von diesem angekündigte Klage hat keine aufschiebende Wirkung.

Finanzierung: Kreditaufnahme durch die EU

Die Kommission wird die 150 Milliarden Euro auf den Kapitalmärkten oder bei Finanzinstitutionen aufnehmen. Der Vorteil: Die EU besitzt die Bestnote AAA und kann sich günstiger verschulden als viele Mitgliedstaaten. Die Mittel werden dann in Form von Darlehen an interessierte Länder weitergegeben.

Gemeinsame Beschaffung als Voraussetzung

Als »gemeinsames öffentliches Beschaffungsverfahren« gilt ein Projekt nur dann, wenn mindestens zwei Staaten beteiligt sind – darunter eine EU-Mitgliedstaat mit SAFE-Finanzierung und ein weiterer Partnerstaat aus der EU, dem EWR, der EFTA oder der Ukraine. Auch Drittstaaten mit Sicherheits- und Verteidigungspartnerschaften zur EU – etwa Großbritannien, Japan oder Moldau – dürfen teilnehmen.

Fallbeispiel Großbritannien

Das kürzlich geschlossene Verteidigungspartnerschaftsabkommen vom 19. Mai 2025 berechtigt Großbritannien zur Teilnahme an gemeinsamen Beschaffungsprojekten. Kredite aus SAFE sind jedoch nur für EU-Mitglieder vorgesehen. Um auch britische Hersteller in geförderte Projekte einzubinden, müsste zusätzlich ein bilaterales Abkommen zwischen EU und Vereinigtem Königreich geschlossen werden.

Antragsverfahren und Fristen

Mitgliedstaaten müssen bis spätestens 30. November 2025 einen Förderantrag samt Investitionsplan bei der Kommission einreichen. Diese wird das Vorhaben unverzüglich prüfen und bei positiver Bewertung dem EU-Rat einen Durchführungsbeschluss zur Genehmigung vorlegen. Die Entscheidung soll innerhalb von vier Wochen erfolgen.

Vorfinanzierung möglich

Bis zu 15 Prozent des beantragten Kreditbetrags können vorab ausgezahlt werden, sobald ein gültiger Darlehensvertrag vorliegt. Die Vorfinanzierung kann in einer oder mehreren Tranchen erfolgen.

Steuerliche Vorteile

Beschaffungen, Importe und innergemeinschaftliche Erwerbe von Verteidigungsgütern im Rahmen von SAFE sind von der Mehrwertsteuer befreit. Ein standardisiertes Formular für die Steuerbefreiung wird in der Verordnung mitgeliefert und muss von den nationalen Behörden abgestempelt werden.

Förderfähige Produktkategorien

Die Verordnung definiert zwei priorisierte Produktgruppen:

Erste Kategorie:

  • Munition und Raketen,
  • Artilleriesysteme inkl. Präzisionswaffen,
  • Landkampfsysteme inkl. Ausrüstung für Infanterie,
  • kleine Drohnen (NATO-Klasse 1) und Abwehrsysteme,
  • Schutz kritischer Infrastruktur,
  • Cyberabwehr,
  • militärische Mobilität.

Zweite Kategorie:

  • Luft- und Raketenabwehr,
  • maritime Fähigkeiten (Über- und Unterwasser),
  • größere Drohnen (NATO-Klassen 2 und 3),
  • strategische Unterstützungsressourcen: Lufttransport, Luftbetankung, C4ISTAR-Systeme, Raumfahrttechnologie,
  • Schutz von Weltrauminfrastruktur,
  • Künstliche Intelligenz und elektronische Kriegsführung.

Herkunftsregeln und »europäische Präferenz«

Förderfähig sind nur Beschaffungen, bei denen mindestens 65 Prozent der Komponenten aus der EU, der EFTA im EWR oder der Ukraine stammen. Maximal 35 Prozent dürfen aus Drittländern kommen – und keinesfalls aus Staaten, die den Sicherheitsinteressen der EU zuwiderlaufen.

Neue Ära: Merz kündigt militärisch-industrielle Kooperation mit Ukraine an

Schon vor Inkrafttreten der SAFE-Verordnung hatte Bundeskanzler Friedrich Merz ein neues Kapitel der europäischen Verteidigungspolitik eingeläutet. Am Montag erklärte er, dass Deutschland, Großbritannien, Frankreich und die USA der Ukraine den Einsatz westlicher Langstreckenwaffen auf russischem Gebiet erlaubten. Einen Tag später betonte er in Finnland, dass diese Entscheidung bereits 2024 getroffen worden sei. Merz sagte: »Nur wer militärische Stützpunkte des Aggressors angreifen kann, ist in der Lage, sich zu verteidigen.«

Am Mittwoch kündigte Merz bei einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Berlin die Unterstützung Deutschlands beim Aufbau einer gemeinsamen Langstreckenwaffenproduktion mit der Ukraine an. Dies sei der Beginn einer neuen Form militärisch-industrieller Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Bürgergeld: Union und SPD fordern schärfere Maßnahmen gegen Leistungsverweigerer
04.08.2025

Die Ausgaben für das Bürgergeld steigen – und mit ihnen die politische Debatte um Gerechtigkeit und Sanktionen. SPD und Union verlangen...

DWN
Finanzen
Finanzen Europas Autobranche taumelt: Margen brechen ein, Verluste steigen, Auto-Aktien im Minus – was das für Anleger bedeutet
04.08.2025

Europas Autokonzerne geraten unter Druck: Margen schrumpfen, Zölle beißen, Elektromodelle floppen – und selbst Branchenriesen wie...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis profitiert von schwächelndem Aktienmarkt: Nächstes Ziel 4.000 US-Dollar?
04.08.2025

Der Goldpreis bleibt stabil auf hohem Niveau, während Aktienmärkte wanken, Zinsen fallen und Trump erneut für Chaos sorgt. Anleger...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Eurozone: Sentix-Konjunkturindex überrascht mit Rückgang
04.08.2025

Die wirtschaftliche Stimmung in der Eurozone trübt sich wider Erwarten ein – ein überraschender Rückgang beim Sentix-Konjunkturindex...

DWN
Finanzen
Finanzen Aktien Frankfurt: DAX-Kurs steigt nach Rückschlag – Erholung oder Teil einer ausgewachsenen Korrektur?
04.08.2025

Der DAX-Kurs startet mit einer leichten Erholung in die Woche – doch wie belastbar ist diese Bewegung? Trotz positiver Impulse bleiben...

DWN
Panorama
Panorama Elektronische Patientenakte (ePA): Zugang soll durch leichteres Anmelden und Video-Identverfahren einfacher werden
04.08.2025

Millionen Versicherte besitzen sie bereits – aber nutzen sie kaum: die E-Patientenakte. Dabei verspricht sie mehr Transparenz und...

DWN
Politik
Politik ESG-Bericht: EU-Leitlinien zur freiwilligen Nachhaltigkeitsberichterstattung für KMU
04.08.2025

Die EU verspricht Vereinfachung, doch ihre neue ESG-Empfehlung für KMU entpuppt sich als handfeste Berichtspflicht: 72 Seiten Vorgaben,...

DWN
Politik
Politik Drohnengeld zweckentfremdet: Ukraine deckt Korruptionsskandal im Sicherheitsapparat auf
04.08.2025

Drohnen sollten das Land verteidigen – stattdessen flossen Millionen in die Taschen von Politikern und Militärs. Ein neu aufgedeckter...