Wirtschaft

Pharma-Aktien: Milliardenjagd der Konzerne nimmt Fahrt auf

Pharma-Unternehmen stehen vor einer Übernahmewelle historischen Ausmaßes: Mit Milliarden an freiem Kapital greifen die Giganten nach jeder innovativen Beute.
13.06.2025 06:03
Lesezeit: 4 min
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Pharma-Aktien: Milliardenjagd der Konzerne nimmt Fahrt auf
Im Visier: Die Konzerne brauchen neues „Blut“ – neue Kandidaten, die Milliarden einbringen und die auslaufenden Blockbuster ersetzen. (Foto: dpa | Roberto Pfeil) Foto: Roberto Pfeil

Pharma-Unternehmen im Visier: Milliardenübernahmen nehmen zu

In den kommenden fünf Jahren laufen die Patente zahlreicher Medikamente aus. Schon jetzt erleben wir eine Welle an Übernahmen. 2025 könnte ein Rekordjahr für Fusionen und Übernahmen im Biotechnologiesektor werden – große Pharmakonzerne schlucken kleinere Entwicklerfirmen zu so hohen Preisen wie nie zuvor. Das berichtet Finance.si.

Laut Bloomberg laufen in den nächsten fünf Jahren Patente für Medikamente aus, deren Jahresumsatz derzeit bei rund 300 Milliarden Euro liegt. Das öffnet den Markt für günstigere Generika und lässt die bisherigen Anbieter große Einnahmeverluste erwarten.

Das Volumen jener Medikamente, die ihren Patentschutz verlieren, ist beispiellos – und genau diese Entwicklung löst bei allen großen Pharmaherstellern eine Jagd auf neue Produkte aus. Die Konzerne brauchen neues „Blut“ – neue Kandidaten, die Milliarden einbringen und die auslaufenden Blockbuster ersetzen.

Während in anderen Industrien noch über die Folgen von Trumps Zöllen spekuliert wird, brodelt es im Biotechsektor vor Übernahmegerüchten: Wer kauft, wer ist Ziel, und wie viel ist man bereit zu zahlen?

Antibiotika günstiger als Süßigkeiten

US-Präsident Donald Trump will die Produktion zurück in die USA holen – zum Nachteil der Generikahersteller. Zollandrohungen „werden kein tragfähiges Geschäft aus etwas machen, das keins ist“, sagte Richard Saynor, CEO des Schweizer Generikakonzerns Sandoz. Amerikanische Konsumenten zahlen bereits deutlich weniger für Generika als Bürger anderer Industriestaaten – ein ohnehin margenschwaches Geschäft. „Zölle auf Generika werden Unternehmen nicht zur Rückverlagerung der Produktion bewegen, sondern sie dazu zwingen, die Lieferung wichtiger Medikamente in die USA einzustellen“, warnt Saynor.

„Ein Antibiotikapaket verkaufen wir in den USA günstiger als eine Packung M&M’s“, fügt er hinzu. „Warum sollte ich also drei, vier oder fünf Milliarden Dollar über drei bis vier Jahre investieren, um ein Produkt herzustellen, mit dem ich keinen Gewinn erziele? Das wird einfach nicht passieren.“

Milliardenschwere Jahresauftakte

Johnson & Johnson eröffnete das Jahr mit einem Paukenschlag: Für 14,6 Milliarden Dollar übernahm man Intra-Cellular Therapies, Hersteller des Medikaments Caplyta gegen Schizophrenie und Depression – zugelassen von der FDA. Die Übernahmeprämie betrug 39 Prozent.

Im Februar kaufte Novartis das private Unternehmen Anthos Therapeutics für 3,1 Milliarden Dollar, im April das börsennotierte Regulus Therapeutics für 1,7 Milliarden Dollar – eine Prämie von 108 Prozent.

Laut Gerüchten könnte Merck bald SpringWorks übernehmen – für rund 3,5 Milliarden Dollar. Das Unternehmen entwickelt Therapien gegen Krebs und seltene Erkrankungen. Merck bestätigte sein Interesse. Über den Preis – rund 47 Dollar pro Aktie – wird noch verhandelt. Da sich der Kurs auf Nasdaq nur knapp unter dieser Marke bewegt, ist Arbitragehandel kaum lukrativ. Parallel dazu wechselten zahlreiche kleinere Biotechfirmen den Besitzer – viele für unter eine Milliarde Dollar. Laut Ernst & Young summierten sich Biotech- und Medtech-Deals im ersten Quartal 2025 auf 43 Milliarden Dollar – 32 Prozent mehr als im Vorjahr. Während 2021 Übernahmen noch 160 Milliarden Dollar erreichten, dann unter 130 Milliarden fielen, könnte 2025 wieder ein Rekordjahr werden.

Der durchschnittliche Dealwert liegt aktuell bei 1,27 Milliarden Dollar – 27 Prozent mehr als 2024. Auch die Ausgangsbewertung der Übernahmeziele ist gestiegen – von teils unter 500 Millionen auf rund 750 Millionen Dollar. Die Prämien liegen bei 75 Prozent im Schnitt.

Kapital liegt bereit

Laut Frühjahrsreport von Ernst & Young verfügen große Pharmakonzerne über 1,3 Billionen Dollar an liquiden Mitteln zur Übernahme von Entwicklungsfirmen. Neue Zielgruppen rücken ins Visier: chinesische Biotechfirmen und künstliche Intelligenz. So übernahm Recursion Pharmaceuticals im August 2024 den KI-Entwickler Exscientia für 700 Millionen Dollar – ein Betrag, den künftige Transaktionen womöglich bereits übertreffen.

Zwei Großdeals an einem Tag

Dass sich die Prognosen bewahrheiten, zeigen zwei Abschlüsse der Vorwoche: Der französische Pharmariese Sanofi kündigte die Übernahme von Blueprint Medicines für 9,1 Milliarden Dollar an – 129 Dollar je Aktie, was einer Prämie von 27 Prozent entspricht. Blueprint entwickelt Medikamente gegen seltene Immunerkrankungen.

Wenige Stunden später verkündeten Bristol-Myers Squibb (BMS) und Biontech eine Partnerschaft. Biontech ist als Mitentwickler des Covid-Impfstoffs Comirnaty bekannt, fokussiert sich jedoch auf mRNA-basierte Krebstherapien.

Gemeinsam wollen BMS und Biontech nun das Medikament BNT327 entwickeln und vermarkten – mit geteilten Kosten und Erträgen. BMS zahlt sofort 1,5 Milliarden Dollar, weitere 2 Milliarden folgen innerhalb von drei Jahren, zusätzlich bis zu 7,4 Milliarden bei Erreichen regulatorischer Meilensteine. Gesamtwert des Deals: 10,9 Milliarden Dollar – für 50 Prozent potenzieller Erlöse eines Wirkstoffs, der sich in der Endphase klinischer Studien für vier Krebsarten befindet, mit weiteren zehn Studien in Phase 1 und 2.

Neuer Blick auf Biontech

Biontech-Aktien sprangen nach Bekanntgabe binnen zwei Tagen um 17 Prozent – womöglich zu wenig, denn das potenzielle BMS-Paket entspricht 40 Prozent der aktuellen Marktkapitalisierung. Neben BNT327 besitzt Biontech noch weitere Projekte, die der Markt möglicherweise nicht ausreichend bewertet.

Auch unternehmerisch zeigt sich Biontech geschickt: BNT327 wurde im November durch den Kauf des chinesischen Unternehmens Biotheus erworben – für 800 Millionen Dollar plus 150 Millionen in Aussicht. Also deutlich weniger als BMS nun zahlt – und das in nur gut einem halben Jahr.

Damit positioniert sich das deutsche Unternehmen laut Ernst & Young an der Spitze: mit Fokus auf China-Kooperationen und Künstliche Intelligenz. Bereits 2023 kaufte Biontech das KI-Startup InstaDeep aus Großbritannien und Tunesien für 500 Millionen Euro.

Ein aufmerksames Jahr und eine zweite Chance für Biontech

Zwei Erkenntnisse lassen sich ziehen: Erstens, Biotech-Investoren blicken auf ein außergewöhnliches Jahr. Doch Vorsicht ist geboten – über Übernahmen wird öfter gesprochen als sie stattfinden. Zweitens: Ein neuer Blick auf Biontech könnte sich lohnen. Der Deal mit BMS ist ein Goldstandard – ein Beweis, dass das Portfolio weit über Covid hinausreicht.

Wie es dem dänischen Branchenriesen Novo Nordisk ergeht …

Der dänische Pharmakonzern Novo Nordisk zeigt sich derzeit nicht sehr stabil. Der Aktienkurs geriet im Dezember 2024 deutlich unter Druck, konnte sich in den darauffolgenden Monaten jedoch um über 20 Prozent erholen.

Im Mai gab das Unternehmen bekannt, dass der langjährige CEO Lars Jorgensen zurücktritt – als Grund wurden Marktbelastungen genannt. Zugleich wurde die Umsatzprognose gesenkt: Das Gewinnwachstum soll 2025 nur noch zwischen 16 und 24 Prozent betragen, statt zuvor prognostizierter 19 bis 27 Prozent. Auch beim Umsatz wurde die Erwartung auf 13 bis 21 Prozent reduziert – zuvor war eine Spanne von 16 bis 24 Prozent kommuniziert worden.

Branchenanalysten in Dänemark bewerten die Lage unterschiedlich: Während einige von einer nachhaltigen Kurserholung ausgehen, verweisen andere auf anhaltende Risiken im US-Markt. Das durchschnittliche Kursziel der Analysten liegt aktuell bei 624 dänischen Kronen – rund 27 Prozent über dem gegenwärtigen Kursniveau.

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Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

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