Das Gesundheitswesen und der Pflegebereich ist in Deutschland schon seit längerem im Visier der internationalen Finanzinvestoren, vor allem der Private-Equity-Fonds und steht damit auch in der Kritik. Denn die Investments, nicht nur in Medizinische Versorgungszentren (MVZ), stellen oft Renditeziele vor das gesundheitliche Wohl der Patienten. Die Geschäfte wurden in der vergangenen Dekade vor allem durch das langanhaltende Niedrigzinsniveau und die dadurch preiswerten Kredite beflügelt. Auch wenn der Inflationsdruck in den vergangenen drei Jahren zugenommen hat, machten Übernahmen im Gesundheitssektor 15 Prozent der Private-Equity-Deals weltweit aus. Seit 2021 betrugen die weltweiten Übernahmen im Gesundheitswesen 200 Milliarden US-Dollar. Doch die Politik ist auf privates Geld angewiesen, um notwendige Investitionen in Pflege und Gesundheit zu investieren, denn der Bedarf an Gesundheitsversorgung wächst, alleine schon durch eine Überalterung der Bevölkerung und den damit entstehenden gesundheitlichen Problemen der Menschen. Nach Schätzungen der EU-Kommission werden sich die Kosten der Langzeitpflege bis 2070 von 1,7 auf 3,9 Prozent des Bruttoinlandprodukts mehr als verdoppeln.
Gewinnmaximierung versus Patientenwohl: Ein existenzieller Konflikt
Das Vorgehen der Investoren in Deutschland ist meist wie folgt. Gemäß einer „Buy-and-Build-Strategie“ werden Praxen gekauft, auf Gewinnmaximierung getrimmt und in Medizinische Versorgungszentren (MVZ) zusammengelegt. Nach etwa fünf bis acht Jahren werden sie oft hochverschuldet verkauft und hauptsächlich so die Rendite erzielt. Beobachtungen zufolge übernehmen die Privatinvestoren oft die direkte Managementaufsicht der aufgekauften Organisationen, um Änderungen vornehmen zu können und die Bewertung und das zukünftige Gewinnpotenzial zu erhöhen. Auffällig ist laut Studienerstellern zu diesem Thema gegenüber der Deutschen Apothekerzeitung, dass keine eindeutigen, durchgängig positiven Auswirkungen von Private-Equity- (PE)-Eigentum zu finden ist. Das Gemeinwohl wird hintendran gestellt. Die Geschäftsmodelle sind hauptsächlich auf die Maximierung des sogenannten Shareholder-Value ausgelegt. Das bedeute bei einer Übernahme oft höhere Kosten für eine schlechtere Versorgungsqualität.
Im Gegenteil: In von Finanzinvestoren übernommenen US-Krankenhäusern nehmen unerwünschte Ereignisse wie Stürze, Sepsen und postoperative Wundinfektionen laut einer US-Vergleichsstudie zu. So verdoppelten sich beispielsweise die Anzahl der Stürze und auch krankenhausbedingte Erkrankungen nahmen um 25 Prozent gegenüber Patienten, die in Kontrollkrankenhäusern behandelt wurden zu. Das sollte zu bedenken geben. In einer weiteren britischen Meta-Studie, die im British Medical Journal veröffentlicht wurde, kamen ähnliche Ergebnisse zutage: (PE) im Gesundheitswesen kommen Patienten und Kostenträger teuer zu stehen und es überwiegenden negative Auswirkungen auf die Qualität der Leistungen. Beispielsweise verdienen in britischen Heimen Pflegekräfte im Schnitt 2 Pfund pro Stunde weniger als in öffentlichen Einrichtungen. Private Anbieter bilden auch weniger Personal aus und haben eine höhere Fluktuationsrate. Darunter leidet die Pflegequalität. Das verwundert nicht, denn finanzielle Gewinne zu erzielen steht an erster Stelle der Investoren.
Der Einfluss von Private-Equity-Fonds auf das deutsche Gesundheitswesen
Da es sich um kritische soziale Infrastruktur handelt, ist Veränderung dringend geraten und private Investoren müssen kritischer unter die Lupe genommen werden. Es gibt Befürchtungen negativer Auswirkungen der Gründung von MVZs durch im Besitz von Finanzinvestoren befindliche Krankenhäuser. Denn zu dem Kauf oder der Gründung von MVZs folgt in der Regel der Aufkauf von Arztpraxen. Die erworbenen Praxen und die dazugehörigen Arztsitze werden dabei dem MVZ als Filiale zugeordnet. So entstehen große Arztpraxen-Konzerne, die sich unbeschränkt ausweiten können. Theoretisch könnten so alle Praxen in Deutschland von ein und demselben Private-Equity-Unternehmen aufgekauft werden. Sind die Finanzinvestoren gleichzeitig noch an Pharma-Unternehmen beteiligt ist, steigt die Gewinnaussicht, da er diesen zu einem Absatzkanal verhelfen kann. So geschehen bei ZytoService, der größte Hersteller von Infusionen gegen Krebs. Im Dezember 2019 fanden dort gleichzeitig in zahlreichen Hamburger Arztpraxen, Apotheken und in einem Krankenhaus Durchsuchungen statt. ZytoService stand im Verdacht, Ärztinnen und Ärzte bestochen zu haben, um höhere Absätze der eigenen Medikamente zu generieren. Die beschuldigten ApothekerInnen und ÄrztInnen arbeiteten laut Medienberichten alle für die Private-Equity-Firma Alanta Health Group, die auch an ZytoService maßgeblich beteiligt ist.
Im gleichen Jahr wurde mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) gegen solche Vorgehen gegengesteuert. Damit sollten auch Maßnahmen zur Sicherung der Anbietervielfalt geschaffen werden. Allerdings ist trotz dieser Maßnahme eine räumliche Konzentration gewinnträchtiger Dienstleistungsunternehmen in einkommensstarken Regionen zu beobachten, während strukturschwache Gebiete unterversorgt werden, so die Ergebnisse des Gutachtens „Investorenbetriebene MVZ in der vertragszahnärztlichen Versorgung“. Dies ist insbesondere bei zahnmedizinischen MVZs zu beobachten, wo es ohnehin bereits eine hohe Dichte an zahnärztlicher Versorgung gibt. Die Kapitalgeber zielen auf die überdurchschnittliche einkommensstarke sowie jüngere und weniger von Pflegebedürftigkeit betroffene Bevölkerung ab. Das Gutachten weißt die These zurück, dass durch Investoren betriebene MVZs (i-MVZ) einen Beitrag zur Sicherung der zahnärztlichen Versorgung in ländlichen, strukturschwachen und von Unterversorgung bedrohten Regionen leisten. Möglich ist eine gezielte Standortgründung vor allem in lukrativ erachteten Ballungsräumen und Regionen, weil Krankenhäuser bei der Gründung von (i)-MVZ-Standorten keinerlei Einschränkungen im Sinne eines regionalen Bezugs unterliegen. Das bedeutet, dass ein einzelnes Krankenhaus bundesweit überall zahnärztliche (i)-MVZ gründen kann. Die Bündelung von Arztsitzen in fachgruppengleichen MVZ, an denen Finanzinvestoren beteiligt sind, nimmt auch in bestimmten ärztlichen Fachbereichen zu und wird von den zuständigen Körperschaften zunehmend als gravierendes Problem im Hinblick auf die Niederlassungsmöglichkeiten von jungen Ärzten gesehen, weil diese mit den von den Investoren gebotenen Preisen nicht mithalten können. So wurden im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein beispielsweise für einige medizinische Fachbereiche (Zahnmedizin, Augenheilkunde, Radiologie) oligopolartiger Strukturen erkannt, die für junge Ärzte die Übernahme eines einzelnen Kassenarztsitzes kaum noch erschwinglich machen. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Hamburg, hat in ihrem KV-Bezirk entsprechende Beobachtungen für die Nephrologie (Dialyse) und die Labormedizin gemacht.
Es bestehen auch Bedenken bezüglich der Unabhängigkeit medizinischer Entscheidung in Einrichtung, an denen Investoren ohne fachlichen Bezug zur Medizinischen Versorgung beteiligt sind, was der Unabhängigkeit medizinischer Entscheidungen zuwiderläuft. Zu guter Letzt fehlt es oftmals an Transparenz und Kontrolle bezüglich der Geschäftsmodelle und Unternehmensstrukturen. Zwar bestehen gesetzlich vorgeschriebene Register, wie z. B. die Handels-, Partnerschafts- oder Transparenzregister, diese tragen jedoch nur begrenzt zur Transparenz über die Eigentümer- und Beteiligungsstrukturen bei. Die Eigentümer- und Beteiligungsstrukturen von i-MVZ sind in der Regel sehr verschachtelt, was durch die bestehenden Register nicht oder nur in Ansätzen abgebildet wird. Die fehlende Transparenz erschwert die Kontrollfunktion und damit auch die Sicherstellung der Versorgung. Den meisten Patienten dürfte die Information, dass ein Finanzinvestor hinter seinem Zahnarzt steckt so nicht bekannt sein.
Reformbedarf: Die Notwendigkeit politischer Veränderungen
Es braucht also dringend gesetzliche Rahmenbedingungen, damit private Investoren nicht zu Lasten der Patientinnen und der Gesundheitsversorgung geht. Eine anvisierte Gesetzesreform soll sicherstellen, dass in Zukunft privat finanzierte Arztpraxen und Klinikketten die Gesundheit der Patienten im Vordergrund haben. Dafür will Gesundheitsminister Lauterbach (SPD) die Klinik-Landschaft in Deutschland umbauen. Ein „Transformationsfonds“ soll die Reform der Krankenhaus-Versorgung ab 2026 begleiten und für 10 Jahre greifen. Insgesamt sollen bis 2035 bis zu 35 Milliarden Euro aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds dem Krankenhausstrukturfonds, der bereits beim Bundesamt für soziale Sicherung (BAS) angesiedelt ist, zugeführt werden, so das Deutsche Ärzteblatt. Der Gesetzliche Krankenversicherungsspitzenverband hält jedoch die geplante Finanzierung für verfassungswidrig. Und auch das Vertrauen der Deutschen in ihr Gesundheitswesen sinkt zunehmend. Laut einer aktuellen PwC-Studie von 2024 ist die Zufriedenheit auf einem Tiefstand. Nur eine Minderheit glaubt, dass die geplanten Reformen daran etwas ändern können.