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Mahnlauf statt Innovation: Wie Zahlungsausfälle die Wirtschaft bremsen

Zahlungsverzögerungen belasten Europas Unternehmen massiv. Jeder zweite Betrieb rechnet mit Kundeninsolvenzen – Investitionen und Wachstum geraten ins Stocken.
22.06.2025 10:58
Lesezeit: 1 min
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Mahnlauf statt Innovation: Wie Zahlungsausfälle die Wirtschaft bremsen
Verspätete Zahlungen binden Kapital und erschweren Unternehmen die Planung – Investitionen bleiben zunehmend aus. (Foto:dpa) Foto: Karl-Josef Hildenbrand

Wachsender Verwaltungsaufwand statt Wachstum

Immer mehr Unternehmen kämpfen mit verspäteten Zahlungen – und verlieren wertvolle Ressourcen beim Forderungseinzug. Investitionen bleiben auf der Strecke. Zahlungsverzögerungen entwickeln sich zu einem strukturellen Risiko für die Unternehmenslandschaft in Europa. Laut dem aktuellen „European Payment Report 2025“ des Inkassounternehmens Intrum müssen Unternehmen im Durchschnitt bis zu 62 Tage auf Zahlungen durch Geschäftspartner warten. Bei Privatkunden sind es 33 Tage. Besonders stark betroffen: die Tourismus- und Unterhaltungsbranche, in der sich Forderungen teils über mehr als zwei Monate hinziehen.

Der wirtschaftliche Schaden ist immens. Unternehmen investieren im Schnitt 9,5 Stunden pro Woche, also mehr als einen Arbeitstag, in die Überwachung und Eintreibung offener Forderungen – das summiert sich auf rund 64 Arbeitstage pro Jahr. Zeit, die in Innovation, Expansion oder Prozessoptimierung fließen könnte. Anna Hyżyk von Intrum bringt es auf den Punkt: „Die verschleppte Zahlungsabwicklung bindet Ressourcen, die Unternehmen eigentlich in ihre Zukunft investieren müssten.“ Ein Viertel der befragten Firmen musste Investitionsentscheidungen zurückstellen, weil Liquidität durch ausstehende Zahlungen blockiert wurde. Dennoch zeigen viele Unternehmer Zurückhaltung beim Mahnwesen – aus Angst, Geschäftsbeziehungen zu gefährden oder Kunden in die Insolvenz zu treiben.

Zwischen Nachsicht und Selbstschutz

Die Folgen: Jedes zweite Unternehmen akzeptiert bewusst ungünstige Zahlungsziele, um Risiken in der Kundenbeziehung zu vermeiden. Für 44 % der Befragten war dies sogar die einzige Option, um einen Zahlungsausfall auf Kundenseite zu verhindern – mit Rückwirkung auf das eigene Überleben. Gleichzeitig beklagen 43 % die zunehmende Schwierigkeit, faire Zahlungsbedingungen zu vereinbaren, die den Interessen beider Seiten gerecht werden.

In Reaktion auf die zunehmende Unsicherheit ziehen nun erste Unternehmen die Reißleine: Ein Drittel verschärft aktiv die Zahlungsbedingungen, etwa durch feste Fristen, Vorabregelungen und Verzicht auf individuelle Nachverhandlungen. 17 % erheben bereits Gebühren für verlängerte Zahlungsziele – ein Instrument zur Absicherung gegen Zahlungsausfälle.

Ausblick: mehr Vorsicht, mehr Kontrolle

Fast die Hälfte der Unternehmen plant, ihre Zahlungsbedingungen künftig zu straffen – parallel zu einem erwarteten Rückgang der Inflation und einer Entspannung auf der Zinsseite. Denn: 47 Prozent der Befragten halten ihre bisherigen Bedingungen für zu nachgiebig – und sehen langfristig die Stabilität ihres Geschäftsmodells gefährdet, wenn sie keine klareren Vorgaben machen.

Angesichts steigender Risiken – wie Lieferverzögerungen und drohenden Insolvenzen auf Kundenseite – stehen viele Mittelständler unter Zugzwang. Nicht nur Preis, Produkt und Qualität entscheiden, sondern auch die konsequente Sicherung der Zahlungsflüsse.

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