CORE-Abgabe: Kommissionsplan trifft auf breite Ablehnung
Um mehr Einnahmen für den EU-Haushalt zu erzielen, schlägt die Europäische Kommission vor, alle Unternehmen in der EU mit einem Jahresumsatz über 100 Millionen Euro zu belasten. Der jährliche Beitrag soll je nach Erlös zwischen 100.000 und 750.000 Euro liegen. Doch Regierungen und Europaabgeordnete kritisieren den Vorschlag scharf – und machen der Wirtschaft Hoffnung, der neuen Pflicht entgehen zu können. Das berichtet das Wirschaftsportal Verslo žinios.
Ein Teil des am 16. Juli vorgelegten Kommissionsvorschlags für den EU-Finanzrahmen 2028–2034 in Höhe von 2 Billionen Euro betrifft direkt die Unternehmen. Konkret geht es um die sogenannte „Europäische Unternehmensressource“ (CORE) – einen einmaligen Jahresbeitrag für alle Firmen, die in der EU tätig sind und deren Nettoumsatz mindestens 100 Millionen Euro beträgt. Nach Berechnungen der EU-Kommission soll CORE jährlich rund 6,8 Milliarden Euro in den EU-Haushalt bringen. Laut Politico würden mit dieser neuen Einnahmequelle insbesondere EU-Programme finanziert und Corona-Schulden getilgt. Unabhängig davon, ob ein Unternehmen Gewinne erwirtschaftet oder Verluste macht – der CORE-Beitrag wäre dennoch fällig, hebt Politico hervor. „100 Millionen Euro Umsatz ist nicht so viel, wie es scheint – große Banken erzielen das 500-Fache“, schreibt das Portal. CORE ist eine von fünf sogenannten Eigenmittelquellen (NI), die die Kommission im Paket zur neuen Finanzarchitektur vorschlägt. Geplant ist, damit jährlich 58,5 Mrd. Euro einzunehmen (Basis 2025). Weitere Eigenmittelquellen: Einnahmen aus dem EU-Emissionshandel, CO₂-Grenzausgleich, Abfallabgabe und Tabaksteuer.
Der CORE-Beitrag soll nach Umsatzhöhe gestaffelt werden: 100.000 Euro zahlen Firmen mit 100–249 Millionen Euro Umsatz, 250.000 Euro bei 250–499 Millionen Euro, 500.000 Euro bei 500–749 Millionen Euro. Bei 750 Millionen Euro und mehr fällt der Höchstsatz von 750.000 Euro an. „Das bedeutet, dass ein Unternehmen mit 750 Millionen Euro Umsatz genauso viel zahlt wie eines mit 75 Milliarden“, kritisiert Politico die Unverhältnismäßigkeit. Ausgenommen wären Haushaltsbehörden (außer Staatsunternehmen), internationale und gemeinnützige Organisationen.
Geplant ist, CORE ab dem 1. Januar des Jahres nach Inkrafttreten anzuwenden – etwa ab dem 1. Januar 2029, wenn die Entscheidung 2028 fällt, erklärt das Ministerium. Der finale Beschluss über CORE soll innerhalb von zwei Jahren fallen. „In der Regel dauern die Verhandlungen zum mehrjährigen Finanzrahmen rund zwei Jahre. Wir rechnen mit einer Entscheidung bis Mitte 2027“, so das Ministerium.
Litauen ist skeptisch
Kritik kommt unter anderem aus Litauen. Die Regierung betont, neue EU-Eigenmittel seien nur bei gleichzeitiger Ausweitung des EU-Haushalts tragbar. „Wir hoffen daher, dass das von der Kommission vorgeschlagene Haushaltsvolumen (2 Billionen Euro) nicht reduziert wird“, heißt es aus dem Ministerium. Neue Abgaben müssten „frisches“ Geld bringen, statt nur Mittel aus nationalen Haushalten in den EU-Haushalt zu verschieben, erklärt das Ministerium. „Wir werden diesen Aspekt in die Position Litauens zu den neuen EU-Eigenmitteln einbeziehen. Entscheidend ist: Sie müssen einfach, transparent und fair aufgeteilt sein“, so die Ministeriumsvertreter. Den CORE-Vorschlag bewertet man derzeit zurückhaltend, da die rechtliche Grundlage unklar sei. „Unsere Position wird nach Analyse der finanziellen Auswirkungen konkretisiert“, heißt es weiter. Erst nach einer solchen Analyse ließe sich sagen, wie viele litauische Unternehmen vom CORE betroffen wären – und welchen Betrag Litauen beisteuern müsste.
Nicht einmal diskutabel
Laut Politico hat CORE kaum Chancen, umgesetzt zu werden – der Vorschlag stieß sofort auf fast einhellige Ablehnung. Kritik kam von vielen EU-Regierungen und dem EU-Parlament, die dem Vorhaben zustimmen müssten. Deutschland und die Niederlande lehnten den Vorschlag sofort ab. „Die EU darf keine Unternehmen besteuern, dazu fehlt ihr die rechtliche Kompetenz. Wir werden das nicht tun“, sagte Bundeskanzler Friedrich Merz auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Premierminister Keir Starmer in London. Ein Sprecher der niederländischen Regierung sagte Politico: „Für die Niederlande ist das kein Thema. Die EU sollte ihren Haushalt verkleinern, nicht vergrößern.“
Wettbewerbsfähigkeit gefährdet
Auch das EU-Parlament, das dem Finanzrahmen zustimmen muss, steht CORE kritisch gegenüber. „Diese Abgabe widerspricht unseren Bemühungen, europäische Unternehmen – besonders im Midcap-Segment – wettbewerbsfähiger zu machen“, zitiert Politico Monika Hohlmeier, Vizevorsitzende im Haushaltsausschuss. „Gerade diese Firmen unterstützen wir mit dem Wettbewerbsfonds, um Innovation, Produktivität und die Attraktivität des Standorts EU zu stärken“, so Hohlmeier weiter. Ihre Position ist bedeutsam – sie gehört zur EVP, der größten und einflussreichsten Fraktion im EU-Parlament, betont Politico. Markus J. Beyrer, Generaldirektor von BusinessEurope, nannte den Vorschlag „völlig kontraproduktiv“. Tanja Gönner, Chefin des BDI, forderte Berlin auf, entschieden dagegen vorzugehen. Der Vorschlag widerspreche den strategischen Zielen der EU.
„Die Idee, Umsatz statt Gewinn zu besteuern, ist sehr schlecht“, zitiert Politico Zsolt Darvas, Senior Fellow beim Thinktank Bruegel. Ein Problem sei die gleiche Belastung für Branchen mit extrem unterschiedlichen Margen. Ein weiteres: Die Steuer ist regressiv – Firmen mit völlig verschiedener Finanzlage zahlen dasselbe. „Das ist ungerecht, einfach unfair. Wirklich die schlechteste Lösung“, so Darvas. Laut Politico heißt das nicht, dass CORE völlig unbegründet sei. Firmen aus Europa und Drittstaaten profitierten vom EU-Binnenmarkt. Die Abgeordnete Fabienne Keller (Renew Europe) sagt: „Das betrifft eine EU-öffentliche Leistung – den Binnenmarkt. Ohne die EU gibt es keinen reibungslosen Handel in der größten Wirtschaftszone der Welt.“ Doch angesichts des massiven Widerstands dürfte der CORE-Vorschlag der Kommission vom Juli entweder ganz scheitern oder erheblich abgeschwächt werden.