Niederländische Rentenreform erschüttert Anleihenmarkt
Auf den europäischen Anleihenmarkt kommt ein Umbruch von fast zwei Billionen Euro zu – und das in einem Jahr, das bereits von Zollstreitigkeiten, Defizitsorgen und nun einer politischen Krise in Frankreich geprägt ist. Das berichtet das irische Wirtschaftsportal Business Post.
Im Zentrum des Sturms steht die lang geplante Reform des niederländischen Rentensystems, des größten in der Europäischen Union. Sie treibt bereits die Renditen langfristiger Anleihen nach oben, während sich Händler auf Turbulenzen am Euro-Swaps-Markt einstellen, den die Fonds zur Absicherung nutzen. Besonders brenzlig könnte es zum Jahreswechsel werden, wenn ein großer Teil der Fonds umgestellt wird – just zu einer Zeit, in der die Liquidität traditionell gering ist.
Die niederländische Zentralbank hatte bereits Anfang des Jahres vor Risiken für die Finanzstabilität gewarnt. Die Komplexität der zugrunde liegenden Mechanismen macht es schwer, das Ausmaß möglicher Störungen abzuschätzen.
Vermögensverwalter wie BlackRock und Aviva Investors raten zu Vorsicht am langen Ende der Zinskurve und bevorzugen kürzere Laufzeiten. Für andere, darunter JPMorgan Asset Management, macht die Lage US-Staatsanleihen im Vergleich zu europäischen Staatsanleihen attraktiver. „Es gibt so viele Unbekannte und bewegliche Teile“, sagte Ales Koutny, Leiter International Rates bei Vanguard. „Jeder weiß, dass das Ereignis kommt, aber niemand weiß, wie das Endergebnis aussehen wird. Alle versuchen lediglich, sich bestmöglich darauf zu positionieren.“
Die Reform soll helfen, den demografischen Wandel und den veränderten Arbeitsmarkt zu bewältigen. Obwohl die Niederlande nur 7 Prozent der Eurozonen-Wirtschaft ausmachen, ist ihr Rentensystem ein überdimensionierter Marktakteur. Laut Daten der Europäischen Zentralbank verfügt es über mehr als die Hälfte aller Rentenersparnisse im Euroraum. Die Anleihebestände belaufen sich auf fast 300 Milliarden Euro.
Volatilität nimmt zu
In den vergangenen Wochen hat ein Maßstab für die erwartete Volatilität von 30-jährigen Euro-Swaps angezogen – laut Strategen der ING Bank auch wegen der Reform. Die Umstellung beeinflusst zudem die Finanzierungskosten im Euroraum. Auslöser sind Veränderungen in der Art und Weise, wie niederländische Pensionsfonds ihre Portfolios gegen Zinsschwankungen absichern. Bislang setzten sie stark auf langlaufende Swaps, um sicherzustellen, dass sie Rentnern unabhängig von der Entwicklung der Kreditkosten genügend Geld auszahlen können.
Mit dem Wechsel zum sogenannten Life-Cycle-Investing werden die Gelder jüngerer Arbeitnehmer stärker in risikoreiche Anlagen wie Aktien investiert, sodass weniger Bedarf an langfristigen Absicherungen besteht. Die Ersparnisse älterer Mitglieder hingegen werden stärker auf sichere Wertpapiere wie Anleihen ausgerichtet – doch auch hier verkürzen sich die Absicherungen.
Rund 36 Fonds sollen am 1. Januar in das neue System überführt werden, die übrigen folgen in Tranchen alle sechs Monate bis Januar 2028. Wenn die erste große Welle ihre Absicherungen en masse auflösen will, zu einem Zeitpunkt geringer Liquidität, könnten Banken und Broker Schwierigkeiten haben, Verkäufer und Käufer zusammenzubringen – mit der Gefahr einer Blockade des Systems.
Was der Umbruch für den Anleihenmarkt bedeutet
Das Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage bei langlaufenden Swaps ist bereits jetzt erheblich. Da eine ganze Pipeline von Pensionsfonds Swap-Positionen auflösen muss, könnten Marktakteure wie Hedgefonds zunächst abwarten und später versuchen, von der Situation zu profitieren. Dies könnte zu einer raschen Versteilung der Zinskurve führen, sagte Rohan Khanna, Leiter European Rates Research bei Barclays. Wie sich die Lage im Januar entwickelt, sei „völlig unvorhersehbar, aber die Nervosität wird sehr hoch sein“, so Khanna. „Der Markt kann in solchen Situationen illiquide oder sprunghaft werden.“
Der niederländische Systemwechsel bringt eine der größten Umwälzungen auf dem europäischen Anleihenmarkt seit Jahren. Während Fonds Milliarden an Swap-Positionen umschichten, wächst die Sorge vor Volatilität, Illiquidität und massiven Zinsbewegungen. Für Anleger bedeutet dies erhöhte Unsicherheit – und die Notwendigkeit, den Markt genau zu beobachten.


