Eine neue Studie, die die Beratungsgesellschaft Frontier Economics im Auftrag des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) durchführte, zeigt furchterregende Kosten für den Ausbau und Betrieb der Strom- und Gasnetze in Deutschland auf. Laut der Studie könnten die Kosten hierfür bis 2050 rund 1,2 Billionen Euro betragen, wenn die derzeitige Energiepolitik weiter betrieben wird. Fast die Hälfte der errechneten Kosten könnte dann schon in den kommenden zehn Jahren anfallen. Die Studie soll in dieser Woche veröffentlicht werden. Der Verband DIHK vertritt die Interessen von rund vier Millionen deutscher Firmen aller Größen.
Schätzungen der DIHK deutlich über anderen Prognosen
Wie die Studie aufzeigt, haben sich die Kosten für den Aufbau und Betrieb der Energienetze bereits seit 2010 verdoppelt. Wenn die Bundesregierung ihre Klimaziele bis 2025 erreichen will, müssten nach den Berechnungen die Investitionen nochmals verdoppelt werden im Vergleich zu heute. Diese Schätzungen liegen viel höher als andere Prognosen. Das liegt daran, dass bei den Berechnungen der Studie nicht nur die Investitionskosten für den Ausbau, sondern eben auch hohe Kosten für den Betrieb der Netze und ihre Wartung mit berücksichtigt wurden. So kalkuliert zum Beispiel der Netzentwicklungsplan der Bundesnetzagentur aktuell mit Investitionen in die Stromübertragungs- und Verteilnetze von „nur“ knapp 530 Milliarden Euro bis 2045. Auf die Stromnetze entfällt dabei der mit Abstand größte Teil der Kosten für die Energienetze.
Industrie kann Netzausbau- und Betriebskosten nicht tragen
Wie der DIHK-Präsident Peter Adrian warnte, müssen schon heute viele große Industrieunternehmen ihre deutsche Produktion ins Ausland verlagern. Wenn die Ausbaukosten für die Energienetze weiter steigen sollten, ist das für die deutsche Industrie nicht mehr tragbar. Er befürchtet in diesem Fall einen Wohlstands- und Arbeitsplatzverlust sowie eine gesellschaftliche Abkehr von der Energiewende. Adrian verlangt deshalb auch ein Umsteuern bei der Energiewende und schlägt angesichts der Kosteneinschätzung Alarm. Er betonte wieder, dass die Unternehmen bereits heute unter den hohen Energiepreisen stark leiden würden und bereits sechs von zehn der größeren Industrieunternehmen ihre Produktion in Deutschland einschränken wollen oder dies bereits umgesetzt haben.
Wie Adrian erläuterte, müssten nun alle Einsparpotenziale genutzt werden. Aktuell werden die Kosten für den Bau, Betrieb und die Wartung der Netze über den Strompreis verrechnet, den Unternehmen und auch private Haushalte bezahlen. Diese Netzentgelte machen zur Zeit bereits rund ein Drittel des Strompreises aus. Die von der Bundesregierung geplanten Zuschüsse sind laut Adrian zwar geeignet, eine kurzfristige Entlastung zu verschaffen, könnten allerdings keine langfristige Lösung darstellen.
Energiewende verlangt Um- und Ausbau der Netze
Um die Energiewende im Sinne der aktuellen Energiepolitik wirklich umzusetzen, müssen sowohl die Strom- als auch die Gasnetze vollständig umgebaut und dann auch ausgebaut werden. Dabei spielt der Ausbau des Stromnetzes eine entscheidende Rolle, denn durch die erneuerbaren Energien sollen ja in erster Linie die fossilen Brennstoffe bei der Stromerzeugung ersetzt werden.
Hier stehen jetzt verschiedene Ziele in Konkurrenz zueinander – einerseits sollen Klimaziele erreicht werden, ferner sind die hohen Kosten für den Netzausbau so nicht zu stemmen und dann muss auch noch die Industrie in ihrer Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden. Bundeswirtschaftsministerin Katharina Reiche (CDU) setzt sich nun zum Ziel, die Energiewende billiger zu machen. Und sie fokussiert dabei auf die Absenkung der Stromsystemkosten. Wie sie bereits im Juli ankündigte, müssen „Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit ein gemeinsames Ziel sein“. Das dazu in Auftrag gegebene Gutachten soll demnächst vorliegen.
Kritik an den Plänen Reiches gab es aber bereits von Seiten des Koalitionspartners SPD. Nina Scheer, die Energie-Fraktionssprecherin der SPD, befürchtet, dass reiche die erneuerbaren Energien „ausbremsen“ will. Auch Stefan Dohler, Präsident des Verbands der Energie- und Wasserwirtschaft, drängt dazu, die Energiewende schnell voranzutreiben. Er sieht jedoch auch die Möglichkeit, dabei große Kosteneinsparungen zu realisieren, wie er der F.A.S. mitteilte.
Kosteneinsparungen durch Nutzung bestehender Netze
In der Studie der DIHK finden sich auch Vorschläge, wie sich die errechnete Kostenexplosion bei der Energiewende eindämmen lässt. Für Präsident Peter Adrian ist dabei die Weiternutzung bereits bestehender Infrastruktur eine wichtige Maßnahme. Wie er ausführte, sollte man dabei auch auf den klimafreundlichen Wasserstoff setzen, den man dann in den bereits vorhandenen Erdgasnetzen transportieren kann. Zusätzlich wäre es dann seiner Meinung nach auch sinnvoll, den Import von Wasserstoff aus dem Ausland auszubauen, denn dadurch ließe sich der teure Ausbau der Stromnetze auch in Grenzen halten. Ferner plädiert er dafür, bei neuen Stromleitungen stärker auf einen überirdischen Ausbau zu setzen, der kostengünstiger ist als eine unterirdische Infrastruktur. In den Studien errechnet sich aus diesen Maßnahmen ein Einsparpotenzial in Höhe von rund 135 Milliarden Euro.
Durch die geplante Energiewende soll die Energieversorgung von fossilen Energieträgern und Kernkraft auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Bis zum Jahr 2045 soll die Energie in Deutschland dann hauptsächlich aus regenerativen Quellen bezogen werden, also aus Sonnenenergie, Wind- und Wasserkraft, nachwachsenden Rohstoffen oder Geothermie. Außerdem hat die Energiewende zum Ziel, den Energieverbrauch grundsätzlich zu senken, durch eine sparsamere und effizientere Nutzung von Energien.


