Warum low-income Jobs? Ist Reichtum für alle möglich?
Es ist eine grundsätzliche Entscheidung, ob Menschen einen Beruf ergreifen, mit dem sie viel, mittelviel oder wahrscheinlich kein Geld verdienen können. Die meisten Leute wählen Berufe, mit denen sie allerhöchstwahrscheinlich nur wenig Geld verdienen werden.
Zugegeben, zahlenmäßig gibt es natürlich sehr viel weniger hochdotierte Jobs als Low-Income Jobs, das ist ja einleuchtend. Es gibt Millionen Krankenschwestern, Uber-Fahrer, Lehrer, Life-Coaches und vor allem struggelnde Künstler, aber nicht so viele Unternehmer, DAX-Vorstände und Hedgefonds-Manager. Das ist ein klares Problem, das viele entmutigt.
Die Ungerechtigkeiten des Lebens
Und es gibt natürlich noch viele andere Gründe, warum die meisten Menschen eher schlecht bezahlte Jobs ergreifen oder ergreifen müssen: Herkunft, familiärer Hintergrund, mangelnde Bildung, Geschlechterrollen, Kinderversorgung, sprachliche Hindernisse, aber möglicherweise auch mangelndes Selbstvertrauen, Antriebslosigkeit, Intelligenz, fragile Gesundheit und so weiter. Da sind viele Ungleichheiten des Lebens, die das beste Sozialsystem nur unvollkommen auszugleichen vermag.
Spaß im Studium und Beruf
Aber dann sagen viele, dass sie einen Beruf haben wollten, der ihnen Spaß macht, der sie erfüllt (besonders beliebt: Kunst). Und dass sie zu allem, was mit Financials, Startups, Taxconsultant, Unternehmertum und langem Studium und so weiter zu tun hat, eher nicht so einen Zugang haben. Eine völlig unterschiedliche Herangehensweise: die einen mögen glauben, dass sie im Studium und Job, Spaß und Erfüllung finden sollten. Was einleuchtet, da man ja auch viele Stunden des Tages und einen Großteil seines Lebens dort verbringt.
Die anderen ergreifen einen Job (Immobilienmakler ist beliebt), mit dem sie so viel Geld verdienen, dass sie sich damit Spaß und Erfüllung kaufen können, wenn ihnen dann noch die Zeit dazu bleibt, natürlich. Aber es gibt auch den Fall, dass jemand einen reinen Broterwerbsjob ergreift, sich dort anstrengt, Erfolg hat, Anerkennung bekommt und am Ende einen Riesenspaß damit hat, obwohl er anfangs nie dafür „gebrannt“ hatte.
Gelderwerbsjobs
Und ich möchte mal eine wilde These wagen: Männer sind heute natürlich auch emanzipiert, die alten Rollenbilder sind in Auflösung begriffen. Aber trotzdem ist bei vielen noch im Hinterkopf ein Rest-Denken, dass irgendjemand von ihnen erwarten könnte, dass sie als „Versorger“ auftreten und dass sie ein regelmäßiges Einkommen brauchen. So wie Oscar Wilde mal gesagt hat „It’s better to have a permanent income than to be fascinating.”
Männer scheinen immer noch mehr auf Gelderwerbsjobs aus zu sein, was bei vielen Frauen trotz aller Emanzipation nicht die vornehmliche Rolle spielt. Frauen wollen in erster Linie finanziell unabhängig sein vom Mann. Das ist wirklich eine der ganz großen Errungenschaften der Emanzipation. Sie wollen aber nicht unbedingt so viel Geld scheffeln, dass sie als Versorger ihres Mannes auftreten. Sie verbessern ihre Chancen auf dem Dating-Markt auch nicht mit Geld. Das haben sie gar nicht nötig. Zumal sie auch von ihren Erfahrungen auf Dating-Apps gelernt haben, dass Karriere da gar nicht so gut ankommt. Sie müssen, wenn sie gut bezahlte Management-Jobs haben, bisweilen sogar tiefstapeln und das verbergen, sonst verschrecken sie die Männer.
Reichtum für alle?
Angesichts dieser unschönen, komplexen Ausgangssituation bietet sich ein uraltes Lösungs-Rezept an: So sah ich neulich in einer sehr gemütlichen Kneipe in Berlin-Wedding einen großen Pappkarton auf einem wackeligen Garderobenständer. Auf dem stand handgeschrieben: REICHTUM FÜR ALLE. Das klingt gut? Damit wäre doch zumindest eine der Ungleichheiten des Lebens ausgeschaltet: die finanzielle. Die Angestellte, die Nebenkostenabrechnungen bei einer Hausverwaltung macht, wäre genauso reich, wie die Geissens oder ein Wall Street Banker. Das wäre so schön. Ich habe den sympathischen Gästen der Kneipe nicht angedeutet, dass ich schwere ökonomische Zweifel habe, ob das Konzept „Reichtum für alle“ aufgehen kann.
Leider nein
Es scheitert ja schon an der Knappheit der Ressourcen. Sehr viel Geld für alle könnte man ja noch drucken (es wäre dann aber auch nichts mehr wert). Aber das würde nicht bedeuten, dass es auch sehr viele Wohnungen in Toplagen, leere Strände, Picassos, private Jets, Diamanten und weißen Trüffel gibt. Problem ist auch die immanente Relativität des Begriffs: Reich ist man immer im Verhältnis zu anderen, die weniger reich sind. Einen Bollerwagen voller Geldscheine zu haben ist nicht zwingend Reichtum. Sind alle gleich reich, sind sie schon per Definition überhaupt nicht mehr reich. Das ist wie mit der Schönheit, die ist ja auch relativ.
Das Konzept scheitert auch am Verlust wirtschaftlicher Anreize: wer würde denn noch die ganzen unangenehmen Arbeiten machen, die die Leute jetzt aus ökonomischer Notwendigkeit erledigen? Den Müll wegbringen, die Wohnung anderer Leute putzen, an der Discounter-Kasse sitzen? Wer würde sich noch anstrengen?
Und es gibt Konflikte mit dem Mechanismus von Angebot und Nachfrage. Die Preise würden ins Unermessliche explodieren, wenn alle mit sehr viel Geld Dienstleistungen und Produkte nachfragen und auf ein sinkendes Angebot stoßen würden, so dass die Hyperinflation den schönen Reichtum ausradieren würde. Zudem ließe sich ein Zustand des Reichtums für alle nur für einen kurzen Initial-Moment theoretisch denken, danach würden, so verschieden wie die Menschen sind, sofort die einen noch mehr Reichtum raffen, die anderen alles verprassen.
Armut für alle
Es ist wirklich schade: Eine Ideologie, die die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten und menschlichen Charaktereigenschaften nicht beachtet, ist eben leider Utopie und landet in der Dystopie. ARMUT FÜR ALLE ist als Konzept schon eher umsetzbar.