Panorama

Nato-Luftraum: Moskaus Drohnen provozieren gefährliche Eskalation

Russische Drohnen dringen tief in den Nato-Luftraum ein, erstmals greifen westliche Jets ein. Polen ruft nach Hilfe, Kanzler Merz warnt vor einer neuen Qualität des Krieges. Während Trump rätselhafte Botschaften sendet, drängt Selenskyj auf gemeinsame Verteidigung. Die Eskalation erreicht eine neue Stufe – und stellt Europa vor brisante Entscheidungen.
11.09.2025 09:54
Lesezeit: 3 min

Europa ringt um Antwort auf Moskaus Drohnen im Nato-Luftraum

Der russische Krieg gegen die Ukraine hat auf Nato- und EU-Gebiet übergegriffen. Die Lage wird gefährlicher. Wie können die westlichen Verbündeten auf die Eskalation reagieren?

Polen und seine Partner suchen nach einer politischen und militärischen Antwort auf das massive Eindringen russischer Drohnen in Nato-Gebiet. In Warschau hat der neue Präsident Karol Nawrocki für heute den polnischen Rat für nationale Sicherheit einberufen. Ihm gehören auch der Ministerpräsident, die Minister für Inneres und Äußeres, die Sicherheitsdienste sowie die Parlamentsführung an.

Eskalation sorgt für Unruhe in Europa

In den europäischen Hauptstädten löste die Eskalation zwischen Russland und der Nato große Sorgen aus. Erstmals in Moskaus mehr als dreieinhalb Jahre dauerndem Angriffskrieg gegen die Ukraine drangen in der Nacht auf Mittwoch nicht nur einzelne russische Drohnen in den Luftraum Polens und damit der Nato ein. Es waren nach Angaben von Ministerpräsident Donald Tusk mindestens 19 Flugobjekte.

Nato-Flugzeuge schießen erstmals Drohnen ab

Erstmals schossen die polnische Luftwaffe und Nato-Kräfte in Polen diese Drohnen ab. Bis Mittwochabend wurden nach Angaben des polnischen Innenministeriums die Trümmer von 16 Drohnen gefunden – weit verteilt über das Land und einige Hundert Kilometer von der Ostgrenze entfernt.

Dabei gehen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und andere Politiker davon aus, dass das Eindringen der Drohnen kein Versehen war, sondern eine gezielte Aktion der Moskauer Führung. Er teile die Einschätzung von Tusk, "dass die Behauptung der russischen Regierung, dies sei sozusagen ein Zufall oder ein Versehen gewesen, nicht glaubhaft ist", sagte Merz in Berlin. Er sehe in dem Vorfall "eine ganz ernsthafte Gefährdung des Friedens in ganz Europa".

Nato-Abwehr bleibt hinter Erwartungen zurück

Merz sprach von einer "neuen Qualität von Angriffen, die wir aus Russland sehen". Die Nato-Luftabwehr habe zwar funktioniert, aber nicht so gut, wie sie hätte funktionieren müssen. "Das wird Diskussionen in der Nato auslösen. Das wird Diskussionen natürlich auch in der Europäischen Union auslösen."

Welche Konsequenzen daraus folgen sollten, sagte Merz nicht. Er betonte aber: "Wir sind und bleiben verteidigungsbereit, und wir sind und bleiben entschlossen, die Verteidigungsbereitschaft und die Verteidigungsfähigkeit des europäischen Teils der Nato signifikant zu erhöhen."

Polen sucht Unterstützung

Die Regierung in Warschau rief die Verbündeten in der Nato nach Artikel vier des Nato-Statuts zu Beratungen zusammen. In vielen Telefonaten und Konferenzen versuchte Polen Unterstützung zu mobilisieren.

Tusk sprach nach eigenen Angaben mit Merz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, dem britischen Premier Keir Starmer, Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni sowie Nato-Generalsekretär Mark Rutte. Polen habe von den Verbündeten konkrete Hilfsangebote zur Luftverteidigung erhalten, sagte er. Details nannte er jedoch nicht.

Der polnische Verteidigungsminister Wladysław Kosiniak-Kamysz dankte Schweden, das sofort die Entsendung von Flugzeugen und Material zur Flugabwehr zugesagt habe. Auch die Niederlande sagten Hilfe zu.

Staatschef Nawrocki telefonierte mit US-Präsident Donald Trump, wie er auf dem Portal X schrieb. Dies sei Teil der Konsultationen mit den Verbündeten. "Die heutigen Gespräche haben die Einigkeit der Bündnispartner bestätigt."

Rätselhafte Reaktion von Trump

In der polnischen Staatsführung pflegt der rechtskonservative neue Präsident Nawrocki einen besonders engen Draht zu Trump. Dieser reagierte auf die deutliche Eskalation im Ukraine-Krieg vorerst nur mit einem kryptischen Post auf seinem sozialen Netzwerk Truth Social: "Was ist los mit Russland, dass es mit Drohnen den polnischen Luftraum verletzt? Nun geht's aber los!"

Selenskyj fordert gemeinsame Verteidigung

An einer Schaltkonferenz nahm neben Tusk, Macron, Starmer und Meloni auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj teil. "Die Ukraine schlägt vor, den Luftraum koordiniert, durchdacht und gemeinsam zu verteidigen", teilte Selenskyj hinterher mit. "Die Details sind klar: Wie kann man eine Ausweitung des Krieges verhindern, und wie kann man die Eskalationsschritte Russlands stoppen? Die gemeinsamen Kräfte dafür reichen völlig aus."

Kiew hat seit Beginn des Krieges 2022 immer wieder darum gebeten, dass die westlichen Partner über der Ukraine eine Flugverbotszone für russische Waffen durchsetzen. Die Nato-Verbündeten haben sich aus Furcht vor einer direkten militärischen Konfrontation mit Moskau nicht darauf eingelassen. Weniger weitgehend ist der Vorschlag, dass die Verbündeten angreifende russische Drohnen und Raketen nur über der Westukraine abschießen sollen.

Am Mittwochabend ortete die ukrainische Luftwaffe erneut Schwärme russischer Drohnen am Himmel. Es zeichnete sich jedoch ein weniger starker Luftangriff ab als in der Nacht zuvor.

Moskau weist Absicht zurück

Das polnische Außenministerium bestellte einen russischen Diplomaten von der Botschaft in Warschau ein, um ihm eine Protestnote zu überreichen. Das russische Verteidigungsministerium in Moskau räumte die Verletzung des polnischen Luftraums nicht direkt ein, erklärte aber, es sei kein Angriff auf Polen gewesen. Man sei bereit, das Thema mit der polnischen Seite zu erörtern. Das russische Außenministerium warf Polen vor, es versuche Mythen zu konstruieren, um im Ukraine-Konflikt zu eskalieren.

Viele der eingedrungenen russischen Drohnen kamen nach polnischen Angaben nicht aus der angegriffenen Ukraine, sondern aus dem mit Moskau verbündeten Belarus. In Belarus beginnt ab Freitag das großangelegte russisch-belarussische Militärmanöver Sapad 2025.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Endet die Koalition 2026 vorzeitig? Schwarz-Rot steht vor einem Schicksalsjahr
29.12.2025

Fünf Landtagswahlen, umstrittene Reformen: Der Dauerwahlkampf kommendes Jahr hat das Potenzial, die Koalition und die Reformprojekte...

DWN
Politik
Politik Gewalttaten nehmen zu: Über 46.000 Fälle von Gewalt gegen Polizisten
29.12.2025

Angriffe, Widerstand, Körperverletzung: Die Zahl registrierter Gewalttaten gegen Polizisten ist auch 2024 weiter angestiegen. Schwarz-Rot...

DWN
Finanzen
Finanzen Kosten der Arbeitslosigkeit deutlich gestiegen - Bürgergeld größter Block
29.12.2025

Die Ausgaben für Arbeitslosigkeit waren 2024 so hoch wie seit rund zehn Jahren nicht mehr. Warum die Kosten explodieren und was das für...

DWN
Politik
Politik Ökonom Fratzscher: Feiertagsdiskussion ist „Phantomdebatte“
29.12.2025

Wegfallende Feiertage: Aus Arbeitnehmersicht liegen einige Feiertage 2026 ungünstig. Linke und Grüne fordern Ersatz unter der Woche. Ein...

DWN
Politik
Politik BKA-Chef: Russland will unsere Demokratie schwächen
29.12.2025

Russische Sabotage und Spionage nehmen laut BKA-Präsident Münch zu. Er fordert: Deutschland braucht bessere Daten zu Drohnenüberflügen.

DWN
Finanzen
Finanzen Änderungen 2026: Rente, Mindestlohn, Familienleistungen – das ändert sich im neuen Jahr
29.12.2025

Im neuen Jahr 2026 gibt es einige neue Regelungen, die Verbraucher kennen sollten. In den Bereichen Steuern, Strompreise, Kfz-Versicherung...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienkauf: Eigentumswohnungen werden erschwinglicher aber nicht für alle
29.12.2025

Eigentumswohnungen sind in Deutschland laut Kreditvermittler Interhyp wieder für mehr Menschen bezahlbar geworden. In fünf Metropolen ist...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Jahreswechsel: Ansturm auf Feuerwerk für Silvester
29.12.2025

Pyrotechnik für den Jahreswechsel darf seit Montag verkauft werden. Mancherorts gab es vor Läden lange Schlangen.