Weltweit gibt es inzwischen mehr als 500 Projekte zur Wasserstoffproduktion, die entweder beschlossen, im Bau oder bereits in Betrieb sind. Das Investitionsvolumen beläuft sich auf 110 Milliarden Dollar, ein Plus von 35 Milliarden im Vergleich zum Vorjahr. Seit 2020 beträgt die jährliche Wachstumsrate der Investitionen im Wasserstoffsektor rund 50 Prozent. Dies geht aus dem ersten Bericht „Global Hydrogen Compass“ hervor, der vom Hydrogen Council gemeinsam mit McKinsey erstellt wurde.
Seit 2020 wurden weltweit über 1.700 Projekte angekündigt, doch rund 50 wurden allein in den letzten 18 Monaten abgesagt. Laut Hydrogen Council erschweren hohe Zinsen und die schleppende Umsetzung politischer Maßnahmen in einigen Regionen die Lage zusätzlich. Regional führt China mit 33 Milliarden Dollar an Investitionen, gefolgt von Nordamerika mit 23 Milliarden und Europa mit 19 Milliarden. Indien investiert 14 Milliarden, der Nahe Osten 11 Milliarden. Japan und Südkorea kommen zusammen auf 6 Milliarden, Südamerika auf 2 Milliarden und Ozeanien auf 1 Milliarde. Die geplante Gesamtkapazität übersteigt sechs Millionen Tonnen Wasserstoff pro Jahr, inklusive der derzeit produzierten einen Million.
Nachfrage bleibt hinter Erwartungen zurück
Unter Berücksichtigung von Verzögerungen und Absagen könnten bis 2030 Kapazitäten für neun bis 14 Millionen Tonnen sauberen Wasserstoff entstehen. Voraussetzung dafür ist jedoch eine entsprechende Nachfrage, die bislang schwach bleibt. Derzeit existieren Verträge über 3,6 Millionen Tonnen Wasserstoff – etwa 60 Prozent der zugesagten Kapazität. Sollten die politischen Rahmenbedingungen in Märkten wie der EU, den USA, Japan und Korea klarer werden, könnte die Nachfrage bis 2030 auf bis zu acht Millionen Tonnen steigen. Sanjiv Lamba, CEO von Linde und stellvertretender Vorsitzender des Hydrogen Council, bezeichnete die Lage als „Wendepunkt“. Nur eine enge Kooperation zwischen Wirtschaft und Politik könne die notwendigen Grundlagen für den Fortschritt schaffen.
Der Hydrogen Council wurde 2017 in Davos gegründet und wuchs von 13 auf heute 140 internationale Unternehmen, darunter Hyundai, TotalEnergies, Toyota, Thyssenkrupp, Siemens Energy, Shell, Microsoft und Michelin. Damit vereint er die gesamte Wasserstoffkette von Produktion bis Anwendung.
Deutschland im Spannungsfeld
Auch Deutschland spielt eine entscheidende Rolle. Als einer der größten Industriestandorte Europas ist es auf eine sichere und nachhaltige Energieversorgung angewiesen. Unternehmen wie Linde, Siemens Energy und Thyssenkrupp sind zentrale Akteure des Hydrogen Council und prägen die europäische Wasserstoffstrategie. Zugleich ist Deutschland stark von politischer Planung abhängig: Förderinstrumente, Netzinfrastruktur und Industriepolitik entscheiden, ob sich die milliardenschweren Investitionen langfristig auszahlen. Angesichts der ambitionierten Klimaziele bleibt die Wasserstoffproduktion ein Schlüssel, um energieintensive Branchen wie Chemie und Stahl wettbewerbsfähig zu halten.
Projekte in Litauen
Auch kleinere Märkte wie Litauen sehen Wasserstoff als künftige Schlüsselindustrie. Laut Litgrid könnte sich der nationale Stromverbrauch bis 2033 mehr als verdoppeln, getrieben durch Elektrolyse, Verkehrselektrifizierung und Wärmepumpen. Aktuell gibt es jedoch nur zwei Projekte: „Gijos“ produziert Wasserstoff für 16 Busse des öffentlichen Nahverkehrs in Vilnius. Das 10-Millionen-Euro-Projekt wird zu 70 Prozent aus EU-Strukturfonds finanziert und soll 2026 in Betrieb gehen. Dann sollen jährlich 3,45 Millionen Kubikmeter grüner Wasserstoff erzeugt werden.
Die Hafenbehörde Klaipėda baut parallel eine Anlage zur Produktion und Lieferung von Wasserstoff, die ab 2026 rund 127 Tonnen jährlich bereitstellen soll. Das Projekt umfasst zwei Tankstellen und ein erstes Schiff, das mit grünem Wasserstoff betrieben wird. Die Investitionssumme liegt bei rund 12 Millionen Euro, davon sechs Millionen aus EU-Mitteln.



