US-Börsen und Fed zwischen Euphorie und Warnsignalen
Die US-Notenbank Fed hat am Mittwoch den erwarteten Zinsschritt bestätigt und damit den US-Börsen weiteren Auftrieb verliehen. Neue Rekordstände folgten, die Turbulenzen vom April scheinen vergessen. Fed-Chef Jerome Powell betonte, über künftige Zinsschritte werde von Sitzung zu Sitzung entschieden. Der Markt rechnet derzeit mit zwei weiteren Zinssenkungen bis Jahresende. Der Handel an den US-Börsen erreichte zuletzt ein außergewöhnliches Niveau. Am Freitag wechselten 27,7 Milliarden Aktien den Besitzer, der dritthöchste Wert seit Beginn der Bloomberg-Erhebungen im Jahr 2008. Gleichzeitig zeigen Daten von Bloomberg Intelligence, dass mehr als 22 Prozent der S&P-500-Unternehmen im dritten Quartal die Erwartungen der Analysten übertreffen wollen, so viele wie seit einem Jahr nicht.
Die Fed als treibende Kraft und Risiko
Der bekannte Investor Steve Eisman, berühmt geworden durch seine Wetten gegen den US-Immobilienmarkt vor der Finanzkrise 2008, sieht die Zinspolitik der Fed nur begrenzt marktbewegend. Wichtiger sei der Boom rund um Künstliche Intelligenz. Diese sei nicht nur Motor der US-Börsen, sondern auch ein zentraler Treiber der gesamten Wirtschaft. Besonders interessiert zeigt er sich für Infrastruktur und Energieversorgung im Zusammenhang mit KI. Nach Einschätzung von JPMorgan Asset Management könnte ein enttäuschender Geschäftsverlauf von KI-Unternehmen jedoch größere Marktverwerfungen auslösen als geopolitische Spannungen. Die hohen Bewertungen erinnerten an die Situation vor dem Kurseinbruch im April. Auf einem Forum in Singapur warnte Ray Dalio, Gründer des Hedgefonds Bridgewater Associates, vor den Folgen des rasant steigenden US-Schuldenbergs. Die Ausgaben überstiegen die Einnahmen um 30 Prozent, zur Deckung seien neue Anleihen im Umfang von zwölf Billionen Dollar nötig. Angesichts mangelnder Nachfrage drohe ein Ungleichgewicht, das nach seiner Einschätzung sogar den weltweiten Geldmarkt destabilisieren könnte.
Bewertungsblasen und Inflationsgefahren
Der Ökonom David Rosenberg verweist auf den Shiller-KGV, der derzeit bei 37,5 liegt. Historisch betrachtet folgten auf solch hohe Werte meist negative Renditen im nächsten Jahr. Er warnt daher vor einer Überhitzung und spricht von einem Preisblasen-Szenario. Ex-US-Finanzminister Larry Summers sieht die größte Gefahr in einer anhaltend hohen Inflation. Nach seiner Einschätzung ist die Geldpolitik der Fed weniger restriktiv, als vielfach angenommen wird. Damit bestehe das Risiko, dass die USA ihr Inflationsziel von zwei Prozent verfehlen und eine Inflationspsychologie die Märkte prägt. Aber während die US-Börsen von KI-Hoffnungen getragen werden, zeigen sich Investoren laut Goldman Sachs skeptisch gegenüber Europa. Strategen verweisen auf die unklare Umsetzung der angekündigten fiskalischen Reformen in Deutschland. Europa sei daher im internationalen Vergleich ins Hintertreffen geraten. Auch in Asien mahnen Experten zu Vorsicht. Der chinesische Leitindex CSI 300 hat binnen weniger Wochen deutlich zugelegt, weshalb Analysten wie Lars Naeckter von der Bank of America nun eher mit einer Konsolidierung als mit weiteren Kurssprüngen rechnen.
Anlegerstimmung bleibt überwiegend optimistisch
Eine aktuelle Umfrage der Bank of America zeigt, dass 28 Prozent der Fondsmanager ihre Aktienquote erhöht haben. Dies ist der höchste Wert seit sieben Monaten. Die Angst vor einer Rezession ist deutlich zurückgegangen. Dennoch sehen viele Investoren Inflationsrisiken und warnen vor einer möglichen Schwächung der Unabhängigkeit der Fed. Die Entwicklungen an den US-Börsen verdeutlichen, wie stark KI-Investments und die amerikanische Zinspolitik die globalen Finanzmärkte prägen. Für Deutschland ergeben sich daraus zwei zentrale Aufgaben. Erstens gilt es, die Standortvorteile im Bereich Künstliche Intelligenz und Energieinfrastruktur konsequent auszubauen, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Zweitens muss die Bundesregierung mit klaren fiskalischen Reformen das Vertrauen internationaler Investoren sichern. Nur so kann Europa im Vergleich zu den USA und Asien wieder stärker in den Mittelpunkt rücken.

