EU reagiert auf billige Importe: Zölle und Protektionismus nehmen zu
Die Europäische Union reagiert auf den Druck billiger Importe, indem sie Zölle einführt, um die heimische Industrie zu schützen. Gleichzeitig zeigt sich, dass China nicht länger gewillt ist, zu Dumpingpreisen zu exportieren. Diese Entwicklung zwingt Importierende weltweit, ihre Beschaffungsstrategien zu überdenken und sich auf steigende Kosten einzustellen. Der britische Wirtschaftsexperte George Magnus, der seit Jahren die chinesische Wirtschaft analysiert, warnte kürzlich, dass chinesische Überkapazitäten in der Produktion ein größeres Risiko für die Weltwirtschaft darstellen als amerikanische Zölle. Es besteht die Befürchtung, dass Waren, die in den USA blockiert werden, auf andere Märkte drängen, Preise drücken und die lokale Produktion inklusive des dort gebündelten Know-hows gefährden könnten. Aus diesem Grund plant die Europäische Union, die Zölle auf Stahl nach Überschreiten von Importkontingenten von 25 auf 50 Prozent anzuheben und sie damit auf das Niveau der US-Zölle zu bringen, wie Bloomberg am Donnerstag berichtete.
Diese Maßnahme ist Teil eines längerfristigen Trends. Protektionismus ist kein Phänomen des Jahres 2025, sondern setzt sich bereits seit mehreren Jahren fort. Im vergangenen Jahr wurden Zölle auf chinesische Fahrzeuge eingeführt, zudem trat die Verordnung Net Zero Industry Act in Kraft, die den Anteil europäischer Unternehmen an Lieferungen für die Energiewende erhöhen soll. Es besteht das Risiko, dass wir erst am Beginn einer längeren Phase wachsender Handelskonflikte stehen, die Märkte stärker schützen und damit die Effizienz der Produktion verringern könnten. Die europäische Industrie muss sich auf eine Phase einstellen, in der globale Handelsbeziehungen zunehmend durch strategische Interessen und staatliche Eingriffe beeinflusst werden.
Chinas eigene wirtschaftliche Interessen und die Anti-Involution-Strategie
Gleichzeitig erkennt China selbst, dass Überkapazitäten nicht nur global, sondern auch national ein wirtschaftliches Problem darstellen. Bereits in der ersten Jahreshälfte betonte die Kommunistische Partei Chinas die Notwendigkeit, die Produktionskapazitäten in zahlreichen Industriezweigen zu reduzieren. Die Regierung prägte hierfür den Begriff „Anti-Involution“, der den Kampf gegen zerstörerische Konkurrenz beschreibt, die Produzenten schwächt und langfristig die Stabilität des Wirtschaftssystems gefährdet. Während in einer normalen Marktwirtschaft solche Anpassungen automatisch erfolgen, bedarf es in China staatlicher Eingriffe, um strukturelle Überproduktion zu begrenzen. In den vergangenen Wochen kündigte die chinesische Regierung konkrete Reformen an, die die Produktionskapazitäten drosseln sollen. Dazu zählen die Reduzierung von Ausbauplänen in der Produktion von Nichteisenmetallen wie Kupfer und Aluminium, ein Verbot des Kapazitätsausbaus in der Stahlindustrie, strengere Kontrollen von Überkapazitäten in der petrochemischen Industrie, Ankündigungen zur Einschränkung der Produktionskapazitäten bei Solarmodulen sowie eine weiche Kampagne, um Autohersteller dazu zu bewegen, den Preiswettbewerb zu beenden. Diese Maßnahmen zeigen, dass China das Problem der Überproduktion ernst nimmt und aktiv regulierend eingreift, um eine Abwärtsspirale von Preisen, Verschuldung und finanzieller Instabilität zu verhindern.
Produktionssteigerung als strategisches Ziel
Für China ist Produktionssteigerung jedoch nicht nur wirtschaftliche Notwendigkeit, sondern auch ein strategisches Ziel im Rahmen langfristiger nationaler Interessen. Die Steigerung der Produktionskapazitäten ist ein zentraler Bestandteil der Strategie, die Position Chinas in globalen Lieferketten zu sichern. Diese Strategie verfolgt Ziele, die über rein kurzfristige wirtschaftliche Erwägungen hinausgehen, was sich auch in der steigenden Zahl privater Unternehmen zeigt, die trotz Verlusten weiterarbeiten. Der Anteil chinesischer Privatunternehmen, die Verluste erwirtschaften, stieg in den letzten fünf Jahren von 15 auf 25 Prozent. Aktuell gerät das Ziel maximaler Produktion jedoch zunehmend in Konflikt mit dem Ziel wirtschaftlicher Stabilität, das immer mehr Vorrang erhält.
Die Veränderungen in China werden international aufmerksam verfolgt. Auf einer Konferenz für Einkaufsleiter äußerten viele Teilnehmer Besorgnis über die hohe Abhängigkeit von chinesischen Lieferanten. Besonders in der Branche der erneuerbaren Energien herrschen Sorgen über mögliche Preissteigerungen bei chinesischen Komponenten in naher Zukunft. Analysten gehen davon aus, dass sich die Auswirkungen chinesischer Reformen auf weitere Industriezweige erstrecken könnten. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass diese Veränderungen abrupt oder flächendeckend umgesetzt werden, da China Anpassungen traditionell schrittweise einführt. George Magnus äußert zudem Zweifel, dass China seine Wirtschaft grundlegend umstrukturieren und stärker auf Binnenkonsum ausrichten kann, da die Regierung weiterhin Ressourcen gezielt bestimmten Unternehmen und Branchen zuweist und unrealistisch hohe Wachstumsziele vorgibt, die Investitionen und Produktion antreiben. Für deutsche Unternehmen bedeutet die Entwicklung in China, dass Lieferketten volatiler werden und Kostensteigerungen wahrscheinlicher sind. Insbesondere Branchen wie Maschinenbau, Automobilzulieferung und erneuerbare Energien müssen ihre Strategien für Beschaffung und Preissetzung anpassen. Gleichzeitig eröffnet sich die Chance, europäische Produkte als qualitativ hochwertige Alternativen zu positionieren, wodurch deutsche Unternehmen ihre Marktstellung stärken können. Langfristig könnte die stärkere Regulierung der chinesischen Produktionskapazitäten europäische Anbieter begünstigen und die Abhängigkeit von billigen Importen verringern.


