Industrieversicherung: Wie sich deutsche Unternehmen heute absichern
Die Industrieversicherung, einst als relativ transparentes Baukastengeschäft bekannt, befindet sich 2025 in einem tiefgreifenden Umbruch. Für viele deutsche Unternehmen ist der Markt nicht mehr nur eine Frage von Preis und Deckung; es geht um Strategie, Resilienz und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Versicherern. In Zeiten multipler Risiken – von Cybergefahren über Klimawandel bis hin zu Lieferkettenbrüchen und geopolitischem Druck – muss eine Industrieversicherung mehr bieten als reaktive Schadensregulierung.
Versicherungsmarkt aktuell: volatil, anspruchsvoll, selektiv
Nach Jahren eines „harten Marktes“ mit steigenden Prämien und restringierten Deckungskapazitäten zeichnet sich laut dem Marsh Versicherungsmarktreport Deutschland 2025 eine leichte Entspannung ab: „Der Markt für Industrieversicherungen in Deutschland 2024 grundlegend stabilisiert“, heißt es in der Analyse. Gleichzeitig warnen Experten, dass die Schaden-Kosten-Quote vieler Anbieter weiterhin über 100 Prozent liegt – daher verschärfen Risikoträger ihre Zeichnungspolitik und verengen Deckungsgrenzen.
Zudem betonen Studien wie die von WTW, dass politische Unsicherheiten, Kreditrisiken und systemische Gefahren, dazu gehören beispielsweise Cyberangriffe, in Vertragsverhandlungen 2025 zunehmend ins Gewicht fallen. Unternehmen sehen sich daher mit einem Versicherungsmarkt konfrontiert, der selektiv, datenbasiert und partnerschaftlich sein will – nicht mehr rein transaktional.
Industrieversicherung: Heute zählen nicht nur gute Policen
Damit Industriebetriebe in diesem Umfeld bestehen können, brauchen sie Versicherungsstrukturen, die drei zentrale Anforderungen erfüllen:
1. Integriertes Risikomanagement statt Spartendenken
Versicherungen müssen nicht als isolierte Sparten betrachtet werden. Stattdessen ist eine Gesamtbetrachtung nötig: Sach-, Haftpflicht-, Betriebsunterbrechung, Cyber, Umwelt. Nur so lassen sich Wechselwirkungen erkennen und Synergien nutzen. WTW bringt es auf den Punkt: „Die Vielzahl systemischer Risiken verlangt heute ein integriertes Risikomanagement.“
2. Transparenz und datengestützte Bewertung
Versicherer verlangen heute umfangreiche Risiko-Informationen: Prozessdaten, IT-Standards, Präventionsmaßnahmen. Unternehmen, die früh KPI-basiert berichten, verbessern ihre Verhandlungsposition. Das Beratungsunternehmen KPMG betont ausdrücklich, dass steigende Komplexität – insbesondere bei Cyber- und Regulierungsrisiken – die Anforderungen an das Versicherungsmanagement erhöhen.
3. Flexible Deckungsmodelle und Kapazitätsstrategien
Klassische All-Risks-Pakete reichen oft nicht mehr. Vielmehr sind modulare Policen mit abgestimmten Selbstbehalten, optionalen Bausteinen (z. B. Cyber, Betriebsausfall) und variablen Laufzeiten gefragt. In manchen Fällen prüfen Unternehmen auch den Einsatz von Captives oder Risk Retention Groups, um Teile des Risikos selbst zu tragen. KPMG weist darauf hin, dass Zielbetriebsmodelle wie Captives, Inhouse-Schadenabteilungen oder Maklerstrukturen inzwischen zu den strategischen Optionen zählen.
Neue Schwerpunkte für die Unternehmen-Versicherung: Cyber und Digitalisierung
Cyberrisiken sind längst keine Randerscheinung mehr – sie sind integraler Bestandteil industrieller und unternehmerischer Risiken. WTW verweist auf den Anstieg staatlich geförderter Cyberangriffe, besonders im Kontext geopolitischer Konflikte, und darauf, dass Versicherer ihre IT-Mindeststandards an Unternehmensgrößen anpassen. Industrieversicherungskonzepte müssen daher Cyberabsicherungen als Kernbestandteil integrieren – nicht nur als Ergänzung. Moderne Policen sollten heutzutage folgende Bestandteile umfassen:
- Forensik, Krisenkommunikation und Incident-Response-Komponenten
- Deckung von Betriebsunterbrechungen durch Cybervorfälle
- Präventionsangebote und IT-Sicherheitsberatung
- Flexible Nachmeldefristen und abgestufte Selbstbehalte
Nur wer diese Dimension integriert, bleibt in den Gesprächen mit Versicherern konkurrenzfähig.
ESG, Klimarisiken und Nachhaltigkeitsdruck
Neben Technologie steigen zunehmend Umwelt- und Klimarisiken ins Risikoprofil. Extremwetter, Lieferketten-Unterbrechungen durch Naturereignisse und Übergangsrisiken durch CO₂-Regulierung beeinflussen die Prämien. Der Aon Marktreport 2025 nennt genau das als eine der „Baustellen“ im Industrieversicherungsmarkt. Unternehmen müssen ESG-Daten, Klimarisikoberichte und Nachhaltigkeitsstrategien zunehmend gegenüber Versicherern offenlegen – wem das gelingt, sichert sich bessere Konditionen.

