Wirtschaft

Klassengesellschaft 2.0 – Warum Demokratie ohne soziale Gleichheit zerbricht

In Deutschland redet kaum jemand über Klassen – als wäre soziale Herkunft heute keine Machtfrage mehr. Doch die Soziologin Prof. Nicole Mayer-Ahuja, deren neues Buch „Klassengesellschaft akut“ kürzlich erschienen ist, hält dagegen: Die Klassengesellschaft sei nie verschwunden, sie habe nur ihre Gestalt verändert. Im Gespräch mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten erklärt sie, warum Konkurrenz und Prekarität den gesellschaftlichen Zusammenhalt bedrohen – und weshalb Demokratie ohne soziale Gleichheit kaum überleben kann.
15.11.2025 09:47
Lesezeit: 8 min
Klassengesellschaft 2.0 – Warum Demokratie ohne soziale Gleichheit zerbricht
Soziologin Nicole Mayer-Ahuja erklärt im DWN-Interview, wie die moderne Klassengesellschaft Demokratie gefährdet und warum Solidarität in der Arbeitswelt wichtiger wird denn je (Foto: dpa).

DWN: Frau Mayer-Ahuja, Ihr Buch heißt „Klassengesellschaft akut“. Warum sprechen Sie von „akut“ – war die Klassengesellschaft je verschwunden?

Mayer-Ahuja: Die Klassengesellschaft existiert, seit es den Kapitalismus gibt – aber sie hat seitdem ganz unterschiedlich Formen angenommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es im Zeichen von Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung, erweitertem Konsum, Bildungsexpansion und so weiter eine Phase, die etwa Eric Hobsbawm als „goldene Jahre“ beschreibt – gerade weil Klassengegensätze weniger spürbar waren. Verschwunden waren sie allerdings nie.

Seit den 1980er Jahren hat sich die sozio-ökonomische Unsicherheit allerdings massiv verschärft. Der Graben zwischen Arm und Reich verläuft weitgehend parallel zu dem zwischen Arbeit und Kapital – also zwischen denjenigen, die ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, um ihre Existenz zu sichern, und denen, die fremde Arbeitskraft einkaufen, um Waren zu erzeugen bzw. Dienstleistungen zu erbringen und damit Gewinn zu erwirtschaften. Der Druck, unbedingt einen Arbeitsplatz haben zu müssen, ist für viele abhängig Beschäftigte heute sehr viel deutlicher spürbar als in den prosperierenden Nachkriegsjahrzehnten. Auch die Konkurrenz zwischen ihnen (nicht nur um Jobs, sondern auch um Beförderung, interessante Aufgaben, Anerkennung usw.) hat über Betriebe und Branchen hinweg zugenommen.

Das ist ein wichtiger Grund, warum wieder mehr von Klassengesellschaft gesprochen wird: Nicht unbedingt von Parteien, die fast durch die Bank allzu gern die „Mitte“ vertreten wollen, und auch nicht durchgängig von Seiten der Wissenschaft – aber in den Gesprächen, in denen arbeitende Menschen sich darüber austauschen, wie sich ihre Arbeits- und Lebensrealitäten verändern. Klasse erkennt man eben am besten von unten.

DWN: Dennoch scheint sich die klassische „Arbeiterklasse“, wie sie in Zeiten der Industrialisierung entstanden ist, aufzulösen. Wie würden Sie die Klassen heute beschreiben?

Mayer-Ahuja: Ich spreche in meinem Buch von der arbeitenden Klasse. Dazu gehören alle, die abhängig beschäftigt sind, also Lohnarbeit leisten. Aktuell sind das etwa 92 Prozent der Erwerbstätigen. Interessanterweise haben auch Karl Marx und Friedrich Engels im 19. Jahrhundert die arbeitende Klasse ziemlich breit definiert. Dazu gehörten selbstredend diejenigen, die in Manufakturen und den frühen Fabriken Lohnarbeit geleistet haben. Das war aber eine ziemlich kleine Gruppe. Zur arbeitenden Klasse gehörten auch viele andere, bei denen Arbeits- und Lebensbedingungen zunehmend durch kapitalistische Warenlogiken bestimmt wurden. Man liest da von Putzmacherinnen in den Sweatshops der damaligen Textilindustrie, von Dienstmädchen und Tagelöhnern in der Landwirtschaft, für die noch feudales Gesinderecht galt, oder auch von Weberfamilien, die anfingen, im Verlagssystem für Geld zu weben. (Anm. d. Red.: Im sogenannten Verlagssystem organisierten Kaufleute die Produktion: Sie gaben Rohstoffe an Heimarbeiter aus – etwa Weberfamilien – und verkauften die fertigen Stoffe weiter.) Die arbeitende Klasse war also eine ziemlich bunte Gruppe.

In dem Maße, wie Arbeiterparteien und Gewerkschaften entstanden sind, fand dann eine Verengung statt. Wer zwischen Ende des 19. und Mitte des 20. Jahrhunderts von einer „Arbeiterklasse“ gesprochen hat, meinte damit meistens vor allem Männer in der großen Industrie, die Betriebsräte und starke Gewerkschaften hatten.

In den letzten Jahren verändert sich die Art und Weise, wie über Klasse nachgedacht wird, allerdings deutlich. Viele Beschäftigte in sogenannten „einfachen“ Dienstleistungsbereichen, aber auch in Kindertagesstätten oder Krankenhäusern bezeichnen sich selbst in Interviews als Teil einer „Arbeiterklasse“, weil sie harte Arbeit leisten und dafür relativ wenig Geld und wenig Anerkennung bekommen. Was mich aber vor allem interessiert, ist die Tatsache, dass Zahl und Anteil der Lohnabhängigen über das 20. Jahrhundert hinweg stetig zugenommen haben. Wenn man Alleinselbständige dazurechnet, geht es da inzwischen um deutlich mehr als 90 Prozent der Erwerbstätigen. Diese große und weiterhin wachsende Gruppe von Menschen meine ich, wenn ich von der arbeitenden Klasse spreche. In meinem Buch frage ich danach, was eigentlich Beschäftigte in Fabrik und Supermarkt, in der Verwaltung und im Logistikzentrum voneinander unterscheidet, wo aber auch übergreifende Erfahrungen zu finden sind. Letztlich geht es mir darum, wo Ansatzpunkte für eine solidarische Politik der Arbeit liegen, die dazu beitragen kann, dass das, was verschiedene Gruppen von Beschäftigten verbindet, zumindest zeitweise das Trennende überwiegt.

DWN: Wenn es in den 1960er und 1970er Jahren weniger soziale Ungleichheit gegeben hat: Liegt das auch am Übergang von der alten „Deutschland AG“ zum globalisierten, finanzgetriebenen Kapitalismus?

Mayer-Ahuja: Spätestens seit der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise um 2008 wird viel darüber gesprochen, wie sehr die Finanzmärkte an Bedeutung gewonnen haben. In der Arbeitswelt schlägt sich das vor allem darin nieder, dass sich das Management in vielen börsennotierten Unternehmen vor allem dafür interessiert, den Shareholder Value zu steigern, also die Anteilseigner zufriedenzustellen. Das hat den Druck auf Beschäftigte enorm erhöht – zugleich ist die Frage, ob nach professionellen Maßstäben noch „gute Arbeit“ geleistet wird bzw. ob gute Autos gebaut und gute Dienstleistungen erbracht werden, in den Hintergrund gerückt gegenüber Kennziffern und Gewinnerwartungen.

Aktuell ist selbst in der Industrie als Hort des „Modell Deutschland“ eine massive Abkehr von früheren Standards zu beobachten, die man mit dem „deutschen Modell“ von Arbeitsbeziehungen verbunden hat. Die „Konfliktpartnerschaft“ zwischen Unternehmerverbänden und Industriegewerkschaften bzw. zwischen Management und mächtigen Betriebsräten wird vielerorts aufgekündigt. Als etwa Ende letzten Jahres Volkswagen von heute auf morgen mehrere Haustarifverträge gekündigt und Zehntausende Entlassungen angekündigt hat, standen IG Metall und Betriebsrat plötzlich ohne „Partner“ da. Seitdem wird diskutiert, wie man die Interessen von Beschäftigten angemessen vertreten kann, wenn das bisherige System schlicht nicht mehr funktioniert.

Hinzu kommt, dass der Teil der Arbeitswelt, in dem das „Modell Deutschland“ nie gegolten hat, seit Jahrzehnten wächst bzw. ausgebaut wird. Wo Unternehmen vor allem auf prekäre Beschäftigung zurückgreifen, also mit Leiharbeit oder Befristungen, Werkverträgen oder nicht sozialversicherten „Minijobs“ operieren, spitzt sich die Lage derzeit besonders zu. Etwa 15 Prozent der Beschäftigten arbeiten im Niedriglohnsektor – bei hoher Inflation können viele von ihnen am Monatsende die Miete nicht mehr bezahlen.

DWN: Manche argumentieren ja, dass eine Volkswirtschaft umso erfolgreicher sei, je ausgeglichener die Einkommensverhältnisse sind. Stimmt das?

Mayer-Ahuja: Das ist sehr umstritten. Auf der einen Seite hat Keynes zurecht argumentiert, dass eine funktionierende Volkswirtschaft auf eine solide gesamtgesellschaftliche Nachfrage angewiesen ist. Deshalb sind existenzsichernde Löhne und gut ausgebaute soziale Sicherungssysteme unbedingt notwendig, damit die Wirtschaft funktioniert. Aber diese Perspektive wird nicht allgemein geteilt. Gerade in Deutschland wurde lange stark auf Exportorientierung gesetzt. Wenn man aber davon ausgeht, dass nicht unbedingt deutsche Beschäftigte die in Deutschland hergestellten Autos kaufen müssen, sondern man sie auch in China absetzen kann, erscheint die Binnennachfrage weniger wichtig. Zugleich wurde argumentiert, man könne im globalen Standortwettbewerb nur bestehen, wenn man in Hinblick auf Löhne und „Lohnnebenkosten“ notfalls auch mit Indien oder China konkurrieren könne. Die Lohnkosten seien zu hoch, Renten-, Kranken-, Arbeitslosenversicherung und staatliche Infrastrukturen (etwa das Gesundheitswesen) seien zu teuer, hieß es.

Dahinter stand auch die Annahme, dass die deutsche Volkswirtschaft mehr soziale Ungleichheit brauche, um aus Wirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit herauszukommen. Man schaute über den großen Teich und stellte fest, dass in den Vereinigten Staaten die Arbeitslosigkeit deutlich geringer war. Der Grund: Die Schere zwischen den Einkommen sei dort so groß, dass mehr Menschen sich Dienstboten leisten könnten. „Wir müssen wieder lernen, uns bedienen zu lassen“, tönte es aus vielen Talkshows. Deutlicher kann man ein Programm der Entsolidarisierung zwischen Beschäftigten kaum formulieren. Auch die damalige rot-grüne Bundesregierung setzte darauf, durch den gezielten Ausbau des Niedriglohnsektors nicht zuletzt ein Heer von Gärtnerinnen, Babysittern oder Haushälterinnen zu schaffen. Mochten diese auch drei Jobs brauchen und zum „Aufstocken“ gezwungen sein – aber wenigstens galten sie nicht mehr als arbeitslos. Diese Politik der Prekarisierung hat bedeutet, dass die rechtlichen Möglichkeiten erweitert wurden, um solche Jobs einzurichten, und dass immer mehr Druck auf Arbeitslose ausgeübt wurde, damit sie diese Jobs auch tatsächlich annahmen.

Kurz gesagt: Die Politik, die wir nun seit Jahrzehnten erleben, scheint eher auf der Annahme zu beruhen, dass eine Volkswirtschaft besonders gut funktioniert, wenn die Kluft zwischen Arm und Reich besonders groß ist. Unter diesen Bedingungen können zum Beispiel Hochqualifizierte besonders lang und flexibel arbeiten, weil andere Lohnabhängige für wenig Geld und mit unsicheren Arbeitsverträgen die Hausarbeit, Kinderbetreuung, Altenpflege oder die Belieferung mit Lebensmitteln übernehmen. Ökonomisch mag das ein denkbares Modell sein – sozial ist es hochproblematisch, und für die Stabilität einer Demokratie eine Katastrophe.

DWN: Ist das, was wir heute erleben, also nicht nur eine ökonomische Krise – oder auch eine Krise der Demokratie?

Mayer-Ahuja: Demokratie und Kapitalismus stehen immer in einem gewissen Spannungsverhältnis: In der politischen Sphäre gilt die Herrschaft der Mehrheit – in Unternehmen wird nicht abgestimmt darüber, was und wie gearbeitet werden soll, dort entscheidet der Besitz. Darum ist die Arbeitswelt zunächst einmal ein nicht-demokratischer Raum. Allerdings wurden die Möglichkeiten demokratischer Einflussnahme im Rahmen langer Auseinandersetzungen schrittweise erweitert: Man kann inzwischen Betriebsräte gründen, um der Unternehmensleitung nicht mehr als Einzelne, sondern gemeinsam gegenüberzutreten. Es gelten Arbeitsrechte und (jedenfalls in Teilen der Arbeitswelt) tarifliche Standards. Auch soziale Sicherungssysteme und öffentliche Infrastrukturen, die ja maßgeblich aus Beiträgen finanziert werden, die auf Lohnarbeit beruhen, stärken demokratische Beteiligung. Allein schon deshalb, weil sie das Machtgefälle zwischen Unternehmen und Beschäftigten reduzieren – und weil sie dafür sorgen, dass die Konkurrenz zwischen Arbeitenden sich in Grenzen hält. Man muss nicht mehr bis zum Umfallen arbeiten, weil es eine Rentenversicherung gibt, und nicht jeden Job annehmen, um medizinische Versorgung sicherzustellen, weil man Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung und eines öffentlichen Gesundheitswesens hat.

Was wir aktuell, im „Herbst der Reformen“ erleben, geht leider genau in die entgegengesetzte Richtung und stellt viele dieser Errungenschaften in Frage. Arbeitszeiten sollen noch flexibler werden, indem die schwarz-rote Bundesregierung den Acht-Stunden-Tag in Frage stellt und die Vorgabe des Europäischen Gerichtshofs von 2019, dass jede Minute Arbeitszeit erfasst und bezahlt werden muss, „unbürokratisch“ handhaben will. Das bedeutet, dass Beschäftigte noch stärker gezwungen werden sollen, Arbeit ohne Ende zu leisten, wann immer ihr Einsatz gebraucht wird. Für kollegiale Beziehungen in den Betrieben ist das keine gute Nachricht: Wer es zu etwas bringen will, muss flexibler sein als der ältere Kollege oder die Kollegin mit krankem Kind. Die Rufmordkampagne gegen diejenigen, die Sozialleistungen beziehen, dient vor allem dem Zweck, Beschäftigte mit Niedriglöhnen gegen Arbeitslose in Stellung zu bringen und von dem Skandal abzulenken, dass in einem der reichsten Länder der Welt Armut trotz Arbeit für immer mehr Menschen traurige Realität geworden ist. Die „Reform der Sozialversicherung“ schließlich scheint vor allem darauf hinauszulaufen, dass die Kosten für Krankheit und Pflege noch stärker privatisiert werden und Beschäftigte noch länger arbeiten müssen.

Unter dem Strich heizt die Regierung damit den Kampf aller gegen alle an, verschärft den Druck auf Arbeitende, sich gegenüber Unternehmen immer devoter, gegenüber anderen Beschäftigten hingegen immer rücksichtsloser zu verhalten, um im Betrieb und auf dem Arbeitsmarkt die eigene Position abzusichern.

Das Ergebnis bedeutet Entdemokratisierung. Denn politische Gleichheit braucht eine gewisse ökonomische und soziale Gleichheit, um überhaupt Wirkung entfalten zu können. Wer hingegen jeden Tag im Betrieb die Erfahrung macht, dass die eigene Leistung nicht anerkannt wird, dass man keinerlei Mitsprache bei Entscheidungen hat, die direkte Konsequenzen für die eigene Arbeit haben, und dass man mit Ellenbogeneinsatz dafür sorgen muss, dass man zu denen gehört, die den Job behalten, befördert werden, interessante Projekte bekommen usw., lernt fürs Leben: Die Lehre ist, dass Ungleichheit und Konkurrenz der herrschenden Logik entsprechen – nicht etwa der vielbeschworene „gesellschaftliche Zusammenhalt“, und schon gar nicht Emanzipation und Demokratie. Viele ziehen daraus die Konsequenz, Parteien ihre Stimme zu geben, die das Teile-und-Herrsche-Prinzip auf die Spitze treiben, indem sie etwa Beschäftigte mit und ohne Migrationshintergrund, Arbeitslose und potentiell Arbeitslose gegeneinander aufbringen. Sie ernten die Früchte einer Entdemokratisierung, die gerade in der Arbeitswelt mit Macht vorangetrieben wird.

DWN: In Ihrem Buch vertreten Sie die Ansicht, dass Lohnarbeit spaltet, dass es aber auch anders gehen kann. Wo liegen Ansatzpunkte für Solidarität und Selbstbestimmung?

Mayer-Ahuja: In der Erfahrung von Lohnarbeit steckt immer beides: Der Stoff für Konkurrenz und Spaltung, aber auch der Stoff für Kooperation, gegenseitige Unterstützung, Kollegialität und Solidarität. Das kann man im Arbeitsprozess gut beobachten, wenn etwa Beschäftigte der Stammbelegschaft und der ausgelagerten Randbelegschaft eng zusammenarbeiten und dabei eben auch gemeinsame Interessen entdecken. Auch Arbeitszeitfragen können verbindend wirken – etwa, weil vollzeitbeschäftigte Männer mit exzessiven Überstunden genau wie die vielen Frauen, die unfreiwillig in Teilzeit oder „Minijob“ feststecken, die Erfahrung machen, dass ihre Arbeitszeiten eben nicht zum Leben passen. Die aktuelle Tendenz, Ausgaben für Arbeit, Bildung, Gesundheit oder soziale Sicherung mit dem Argument zu kappen, es sei eben kein Geld da, verursacht tiefe Einschnitte für alle abhängig Beschäftigten – das schafft eine Grundlage, um gemeinsam für eine andere Politik einzutreten. Vor allem aber geht es darum, aus dem weit verbreiteten Gefühl der Ohnmacht herauszukommen. Margret Thatcher hat um 1980 die Losung ausgegeben: Es gibt keine Alternative. Die scheint bis heute wie in Beton gegossen zu sein – gerade auch in Betrieben, wo sich das Management oft der Verantwortung für zu knapp kalkulierte Projekte entzieht, indem es auf Markt oder Kundschaft verweist, mit denen man nicht verhandeln könne. Aber es geht immer auch anders – das zeigt nicht zuletzt die massive staatliche Aufrüstungspolitik auf Kosten des Sozialeigentums der arbeitenden Bevölkerung, die wir derzeit erleben. Wer hätte sich das noch vor fünf Jahren vorstellen können? Die entscheidende Frage ist, wie demgegenüber eine andere, humane und emanzipatorische Politik der Arbeit aussehen kann und welche Ansatzpunkte es gibt, um sie durchzusetzen. Ob Alternativen zum kapitalistischen Kampf aller gegen alle wieder denkbar werden, ist entscheidend – nicht zuletzt für den Fortbestand und die Weiterentwicklung von Demokratie, im Betrieb und darüber hinaus.

Info zur Person: Nicole Mayer-Ahuja, geboren 1973, ist Professorin für Soziologie an der Universität Göttingen mit den Schwerpunkten Arbeit, Unternehmen und Wirtschaft. Sie beschäftigt sich mit Arbeit in historischer und transnationaler Perspektive, vor allem mit prekärer Beschäftigung (zuletzt in dem viel diskutierten Buch "Verkannte Leistungsträger:innen", herausgegeben mit Oliver Nachtwey) und den Ausprägungen der Klassengesellschaft im 21. Jahrhundert. Ihr jüngstes Buch „Klassengesellschaft akut“ ist im C. H. Beck Verlag erschienen.

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