Politik

Ukraine-Krise: Trumps wechselhafte Politik erschüttert Vertrauen

Die diplomatischen Bemühungen in Genf zeigen, wie stark der Ukrainekrieg inzwischen von wechselhaften Signalen aus Washington geprägt ist. Doch wie soll Europa handeln, wenn das Vertrauen der Ukrainer in den amerikanischen Präsidenten nahezu vollständig erodiert ist?
28.11.2025 07:03
Lesezeit: 3 min
Ukraine-Krise: Trumps wechselhafte Politik erschüttert Vertrauen
Die Vertrauenskrise der Ukraine gegenüber Trump verschärft die Genfer Verhandlungen und belastet Europas Diplomatie (Foto: dpa) Foto: Alex Brandon

Enorme Vertrauenskrise gegenüber Trump unter Ukrainern

Nahezu 90 Prozent der Ukrainer haben keinerlei Vertrauen in Präsident Trump, der einen erheblichen Teil der Verantwortung für das Schicksal ihres Landes trägt. Häufiger, als er seine rote Krawatte wechselt, ändert Trump seine Haltung zum Krieg in der Ukraine.

Allein deshalb ist es für die Ukraine und für Europa nahezu unmöglich, sich auf den möglichen Friedensplan zu verlassen, der aus den intensiven diplomatischen Gesprächen dieser Woche in Genf hervorgehen könnte. Die zentrale Frage lautet, ob Garantien eines Präsidenten verlässlich sind, der im einen Moment die Ukraine beschuldigt und im nächsten Kiew unterstützt.

Vertrauensverlust in rasantem Tempo

Hört man auf die Ukrainer, ist die Antwort eindeutig nein. Sie vertrauen dem US-Präsidenten nicht, der weitgehend über ihr Schicksal verfügt. Laut einer Umfrage des New Europe Center geben 89 Prozent an, Trump nicht zu vertrauen.

Der Wert stammt aus dem April, doch nichts deutet darauf hin, dass der Präsident seither Vertrauen gewonnen hätte. Bemerkenswert ist außerdem, dass im November des Vorjahres nur knapp 47 Prozent offenes Misstrauen äußerten. Dieser Wert hat sich in sechs Monaten nahezu verdoppelt.

Diese Entwicklung beeinflusst unmittelbar die ukrainischen und europäischen Verhandlungsführer, die in dieser Woche in Genf versuchen, das russisch-amerikanische Angebot zu verändern. Ziel ist es, eine nahezu vollständige ukrainische Kapitulation und großzügige Zugeständnisse an Russland zu verhindern.

Schwankende Signale aus Washington

Noch vor einem Monat schien die ukrainische und europäische Lobbyarbeit gegenüber Präsident Trump Wirkung zu zeigen. Während eines Gesprächs an Bord der Air Force One äußerte er Verärgerung über Putins nukleare Drohungen und den Test einer Hyperschallrakete mit globaler Reichweite.

Trump betonte, die USA hätten eines der größten Atom-U-Boote unmittelbar vor Russlands Küsten stationiert und forderte Moskau auf, die Kriegshandlungen zu beenden. Er erklärte zudem, der Krieg hätte längst beendet sein müssen und befinde sich nun im vierten Jahr.

Ende September sagte er, Russland kämpfe seit über drei Jahren vergeblich in einem Konflikt, den eine echte Militärmacht in weniger als einer Woche gewonnen hätte. Auf Truth Social bezeichnete er Russland als Papiertiger und verwies auf die hohen wirtschaftlichen Belastungen des Krieges.

Verbale Unterstützung und plötzliche Kehrtwende

Kurz vor dem 23. September sagte Trump, die Ukraine sei inzwischen fähig, das verlorene Territorium zurückzuerobern. Diese Unterstützung folgte nur wenige Tage nach einer Szene im Weißen Haus, in der er Selenskyj vorwarf, keine geeigneten Mittel zu haben und gezwungen zu sein, eine Vereinbarung zu schließen.

Genau zu dieser Position ist Trump zurückgekehrt, ohne dass jemand erklären kann, warum. Diplomaten aus Deutschland, Frankreich und anderen Staaten berichten, dass sie ratlos seien, wer in Washington tatsächlich die entscheidenden Entscheidungen trifft.

Widerstand gegen eine schmerzhafte Friedenslösung

Am Wochenende distanzierte sich Außenminister Marco Rubio laut führenden Senatoren von der Friedensplanung. In Genf tritt er als Chefunterhändler auf und erklärt, es gebe erhebliche Fortschritte. Der frühere ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba sieht dies völlig anders.

Er sagte dem Portal wsj.com, es wäre für die Ukraine schlimmer, Trumps Forderungen zu akzeptieren, als sie abzulehnen. Keine politische Führung könne eine extrem schmerzhafte Lösung unterschreiben, wenn die Gesellschaft sie nicht mitträgt.

Kuleba betonte, eine abgelehnte Vereinbarung bedeute politisches und möglicherweise auch physisches Risiko für jeden Verantwortlichen. Seine Worte spiegeln die schwierige Lage des ukrainischen Präsidenten wider, der weiterhin auf die Unterstützung Washingtons angewiesen ist.

Diplomatie unter Druck

Rubio betont Fortschritte, ebenso wie Andrij Jermak, Stabschef von Selenskyj, der von einer Aussicht auf dauerhaften und gerechten Frieden spricht. Offen bleibt jedoch, ob diese optimistischen Töne nur dazu dienen, Trump nicht zu verprellen.

Übertriebene Freundlichkeit könnte zum wichtigsten Mittel europäischer Verhandler werden, um die Gesprächskanäle offenzuhalten. Selenskyj sagte während eines Aufenthalts in Schweden, die Lage befinde sich in einer kritischen Phase.

Mit der medialen Aufmerksamkeit und dem politischen Druck steige die Verantwortung für jede kommende Entscheidung erheblich. Diese Verantwortung lastet schwer auf dem ukrainischen Präsidenten, der weiterhin zwischen allen Fronten steht.

Deutscher Blick auf die diplomatische Unsicherheit

Die Schwankungen der US-Politik unter Präsident Trump wirken direkt auf die europäische Sicherheitslage. Für Deutschland bleibt entscheidend, ob Washington eine verlässliche Linie gegenüber Moskau findet und ob Europa ausreichend eingebunden bleibt.

Eine stabile amerikanische Position ist zentral für die europäische Verteidigungsstrategie und die deutsche Sicherheitspolitik. Berlin verfolgt die Entwicklungen in Genf daher mit besonderer Aufmerksamkeit, da jede Änderung im US-Kurs unmittelbare Auswirkungen auf Deutschland und Europa haben kann.

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