Politik

Ost-Ukraine: Neue Gewalt nach Genfer Vereinbarung

Der Schusswechsel in der Ost-Ukraine löste ein Wortgefecht zwischen Russland und der ukrainischen Regierung aus. Beide Seiten beschuldigten sich gegenseitig, gegen die Genfer Vereinbarung zur Entschärfung des Konflikts verstoßen zu haben. Außenminister Steinmeier warnt vor einer Verschlimmerung der Lage, weil „wir auch mit Gruppen zu tun haben, die weder auf Kiew noch auf Moskau hören“.
20.04.2014 20:05
Lesezeit: 2 min

Am Ostersonntag kamen bei Schüssen auf einem Stützpunkt pro-russischer Separatisten mehrere Menschen ums Leben. Über die genaue Zahl der Opfer gibt es unterschiedliche Angaben. Der Vorfall löste ein Wortgefecht zwischen Russland und der ukrainischen Regierung aus. Beide Seiten beschuldigten sich gegenseitig, gegen die Genfer Vereinbarung zur Entschärfung des Konflikts verstoßen zu haben. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier warnte davor, die Chancen der Genfer Initiative zu verspielen.

Der Schusswechsel ereignete sich an einer provisorischen Kontrollstelle nahe der ostukrainischen Stadt Slawjansk, die von Separatisten kontrolliert wird (mehr hier). Diese und das russische Außenministerium sprachen von einem Angriff bewaffneter ukrainischer Nationalisten. Diese bestritten aber jede Beteiligung. Einer ihrer Sprecher sagte, vielmehr steckten russische Spezialkräfte hinter dem Überfall.

Das russische Außenministerium bezeichnete den Vorfall als „Provokation“. Dies zeige „den mangelnden Willen der Behörden in Kiew, Nationalisten und Extremisten im Zaum zu halten und zu entwaffnen“. Der selbst ernannte Bürgermeister von Slawjansk, Wjatscheslaw Ponomarjow, verhängte eine Ausgangssperre und bat Russlands Präsident Wladimir Putin, Friedenstruppen zu schicken.

Das ukrainische Außenministerium warf Russland vor, voreilig Rückschlüsse gezogen zu haben. „Die russische Seite muss an ihre Verpflichtungen nach dem Abkommen von Genf erinnert werden“, hieß es in einer Mitteilung. Bei einem Außenminister-Treffen in Genf hatten am Donnerstag Russland, die USA, die EU und die Ukraine einen Aufruf zum Gewaltverzicht an alle Seiten vereinbart. Zudem verständigten sie sich auf die Forderung, dass alle dazu nicht befugten Gruppen ihre Waffen abgeben und illegal besetzte Gebäude geräumt werden.

Doch russische Separatisten zeigten sich unbeugsam und harrten in Regierungsgebäuden aus. Einer von ihnen sagte, vier Fahrzeuge hätten sich in der Nacht dem Stützpunkt genähert und das Feuer eröffnet. Dabei seien drei Menschen getötet und vier verletzt worden. Die Separatisten hätten zurückgeschossen und zwei Angreifer getötet. Nach Angaben der ukrainischen Polizei in Kiew wurden drei Menschen getötet und weitere drei verletzt.

Ein Reuters-Kameramann sah vor Ort zwei Leichen auf einem Lkw, eine davon mit Schusswunden am Kopf. Ein Toter habe Kampfmontur getragen, der andere Zivilkleidung. Die örtliche Bevölkerung habe zum Zeichen der Trauer Blumen niedergelegt.

Steinmeier forderte weitere diplomatische Anstrengungen. „Viele Chancen zu einem friedlichen Ende werden wir nicht mehr haben“, sagte der SPD-Politiker der Bild am Sonntag. „Die in Genf erkämpfte Chance zur Entschärfung des Konflikts müssen wir nutzen.“ Dies sei nicht einfach, „weil wir auch mit Gruppen zu tun haben, die weder auf Kiew noch auf Moskau hören“.

Die USA haben Russland mit härteren Sanktionen gedroht, falls sich die Regierung in Moskau nicht an die Vereinbarung halten sollte. Ähnlich äußerte sich Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Darauf angesprochen sagte Steinmeier: „Die Sanktionsdebatte haben wir doch in aller Ausführlichkeit geführt. Ich wünsche mir manchmal, dass dasselbe Engagement, das in der Sanktionsdebatte aufgebracht wird, auch bei der Vermeidung weiterer Zuspitzungen bestände.“

Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sollen die Umsetzung der Genfer Vereinbarung überwachen. Dazu sollte eine OSZE-Gruppe am Ostersonntag in der ostukrainischen Stadt Donezk erste Gespräche aufnehmen. Der Bürgermeister von Slawjansk sagte, er sei in Kontakt mit der OSZE. Zum Inhalt der Gespräche äußerte er sich aber nicht.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeiten nach der Schule: Warum viele keine Ausbildung beginnen
19.07.2025

Schnell Geld verdienen statt jahrelang pauken – das klingt für viele junge Menschen verlockend. Doch wer direkt nach der Schule in den...

DWN
Politik
Politik Militär statt Frieden? Was das EU-Weißbuch 2030 wirklich bedeutet
19.07.2025

Mit dem Weißbuch „Bereitschaft 2030“ gibt die EU ihrer Sicherheitspolitik eine neue Richtung. Doch Kritiker warnen: Statt...

DWN
Politik
Politik Nordkoreas Kronprinzessin: Kim Ju-Ae rückt ins Zentrum der Macht
18.07.2025

Kim Jong-Un präsentiert die Zukunft Nordkoreas – und sie trägt Handtasche. Seine Tochter Kim Ju-Ae tritt als neue Machtfigur auf. Was...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Birkenstock: Von der Orthopädie-Sandale zur globalen Luxusmarke
18.07.2025

Birkenstock hat sich vom Hersteller orthopädischer Sandalen zum weltweit gefragten Lifestyle-Unternehmen gewandelt. Basis dieses Wandels...

DWN
Politik
Politik 18. Sanktionspaket verabschiedet: EU verschärft Sanktionsdruck mit neuen Preisobergrenzen für russisches Öl
18.07.2025

Die EU verschärft ihren wirtschaftlichen Druck auf Russland: Mit einem neuen Sanktionspaket und einer Preisobergrenze für Öl trifft...

DWN
Politik
Politik China investiert Milliarden – Trump isoliert die USA
18.07.2025

China bricht alle Investitionsrekorde – und gewinnt Freunde in aller Welt. Trump setzt derweil auf Isolation durch Zölle. Wer dominiert...

DWN
Finanzen
Finanzen Energie wird unbezahlbar: Hohe Strom- und Gaskosten überfordern deutsche Haushalte
18.07.2025

Trotz sinkender Großhandelspreise für Energie bleiben die Kosten für Menschen in Deutschland hoch: Strom, Gas und Benzin reißen tiefe...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzen: Deutsche haben Angst um finanzielle Zukunft - Leben in Deutschland immer teurer
18.07.2025

Die Sorgen um die eigenen Finanzen sind einer Umfrage zufolge im europäischen Vergleich in Deutschland besonders hoch: Acht von zehn...